Der Vizepräsident des Dachverbandes der jüdischen Organisationen in Frankreich, Yonathan Arfi, hat sich gegen einen Wettstreit des Gedenkens ausgesprochen. Es sei nicht einfach, an französischen Schulen derzeit Wissen über den Holocaust zu vermitteln, sagte Arfi am Mittwoch bei einer Online-Diskussion zum Thema „Religiösem Hass entgegenwirken: Die Rolle von Schule und Bildung“.
Lehrer berichteten vielfach, dass sie bei Unterrichtseinheiten zum Holocaust auf Protest von Schülern stiessen, erläuterte Arfi. So hätten viele Schüler den Eindruck, es sei genug mit der Erinnerung an die NS-Verbrechen. „Aber es braucht den Austausch, auch über das Gedenken an historische Ereignisse“, mahnte der Experte. Zudem würden Juden häufig nur als Opfer behandelt; ihre positiven Beiträge zur französischen und europäischen Kultur seien an Schulen selten Thema.
Schulen spielten im Kampf gegen religiösen Hass eine zentrale Rolle, betonte Arfi. In den vergangenen Jahren seien in Frankreich jedoch viele jüdische Schüler auf private Schulen gewechselt. Hintergrund seien Stigmatisierung und Angriffe. Arfi erinnerte auch an das Attentat von Mohammed Merah, der 2021 in Toulouse drei jüdische Kinder, ihren Lehrer sowie drei Soldaten getötet hatte.
Das wichtigste Ziel von Schulunterricht müsse es sein, ein Gespür für Komplexität zu vermitteln, sagte er weiter. Dies gelte auch für aktuelle Themen wie den Nahost-Konflikt.
Der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER), Moskaus Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, sprach von einem grossen Schatten, den der religiöse Hass auf Europa werfe. Bildung sei ein entscheidender Schlüssel, denn alles im Leben sei davon geprägt, welche Eindrücke und Erfahrungen man als Kind sammle. Zugleich müsse sichergestellt sein, dass religiöse Erziehung kein Kind verletze, sondern andere Glaubensrichtungen berücksichtige.
Die Veranstaltung war vom Institute for Freedom of Faith and Security in Europe (IFFSE) organisiert worden. Das IFFSE wurde von der Konferenz Europäischer Rabbiner initiiert.
KNA/pko/cas