Über die Strategie der Hamas

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Hamas Siegeskundgebung in Gaza am 30.05.2021. Foto IMAGO / ZUMA Wire
Hamas Siegeskundgebung in Gaza am 30.05.2021. Foto IMAGO / ZUMA Wire
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Während der jüngsten kriegerischen Auseinandersetzung mit der Terrororganisation Hamas, die am 21. Mai mit einer Waffenruhe endete, hat Israel die militärischen Fähigkeiten der Gruppe erheblich geschwächt. Israel vereitelte den unerbittlichen Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen, fügte dem Raketenarsenal der Hamas schweren Schaden zu, tötete eine ganze Reihe ihrer militärischen Befehlshaber, vereitelte ihre gefährlichen Absichten im Mittelmeerraum und zerstörte einen bedeutenden Teil ihres unterirdischen Tunnelnetzes.

von Anoop Kumar Gupta 

Doch trotz ihrer Verluste feiert die Hamas den Sieg über Israel. Sie sonnt sich im Ruhm, alle Palästinenser, einschliesslich der arabischen Bürger Israels, unter ihrer Führung vereint zu haben, um gegen den jüdischen Staat Widerstand zu leisten. Selbst als es Erfolge gegen den Raketenbeschuss der Hamas erzielte, befand sich Israel in einer inneren Krise und schien unter Belagerung zu sein – was einen grossen Erfolg für die Hamas bedeutet.

Der jüngste Krieg zwischen der Hamas und Israel war sicher nicht der letzte. Der nächste wird kommen, wenn sich die islamistische Terrororganisation von den Schlägen, die sie gerade einstecken musste, erholt hat und in der Lage ist, ihre Kommandostruktur neu zu formieren.

Die Hamas, der palästinensische Ableger der ägyptischen Muslimbruderschaft, hat Israel seit ihrer Gründung 1987 immer wieder Probleme bereitet, insbesondere nachdem sie die Fatah gewaltsam entmachtet und 2007 die alleinige Kontrolle über den Gaza-Streifen übernommen hatte. Mit der Hilfe und Unterstützung des Irans hat die Hamas ihr massives Raketen- und Flugkörperarsenal in Bezug auf Quantität, Qualität, Intensität und Reichweite erheblich vergrössert. Der derzeitige Waffenstillstand wird die Hamas nicht davon abhalten, ihre militärischen Kapazitäten noch weiter zu erhöhen, und sie wird so bald wie möglich damit beginnen.

Der Einsatz von Luft- und Seedrohnen durch die Hamas ist für Israel eine ernste Angelegenheit. In Anbetracht der strategischen Lektionen, die die Hamas während dieses jüngsten Engagements gelernt hat, könnte sie sich dazu entschliessen, ihre Luft- und Seemacht auszubauen, um Israel langsam ausbluten zu lassen und die wirtschaftlichen Kosten, die Israel erleidet, zu forcieren. Um ein Gefühl für die relativen Kollateralschäden zu vermitteln, die beiden Seiten in der jüngsten Runde des Konflikts entstanden sind, kostet eine Tamir-Rakete des Iron-Dome-Raketenabwehrsystems etwa 80.000 Dollar, während die Hamas-Rakete, die sie abwehren soll, etwa 800 Dollar kostet.

Ohne ihr ultimatives Ziel, Israel zu zerstören, um «das Banner Allahs über jeden Zentimeter Palästinas zu erheben», aus den Augen zu verlieren, entfachte die Hamas den jüngsten Krieg mit dem Ziel, ihre Führungsrolle gegenüber den Palästinensern der Westbank zu behaupten. Sie tat dies, indem sie den ältesten palästinensischen Trick benutzte: die angebliche jüdische Bedrohung der heiligen Stätten des Islam in Jerusalem.

Nachdem sie dieses Ziel vordergründig erreicht hat, mit dem zusätzlichen (und wahrscheinlich unerwarteten) «Bonus» des landesweiten Angriffs der israelischen Araber auf ihre jüdischen Mitbürger, wird sich die Hamas vermutlich weiterhin in Angelegenheiten einmischen, die nicht-islamische Palästinenser betreffen, um ihren Einfluss auf diese zu festigen. Und angesichts des massiven Drucks der internationalen Gemeinschaft auf Israel, die Kämpfe einzustellen, wann immer es kurz davor zu sein scheint, die islamistische Terrororganisation zu zerschlagen – wie es 2008/9, 2012, 2014 und 2021 geschah -, könnte die Hamas zu dem Schluss gekommen sein, dass ein weiterer Krieg unweigerlich eine Win-Win-Situation für sie wäre, egal wie sehr ihre militärische Macht geschwächt wird, geschweige denn, wie sehr ihre seit langem unterdrückten Untertanen in Gaza zusätzlich leiden müssen.

Es ist auch zu erwarten, dass die Hamas ihre Bemühungen verstärken wird, die Kontrolle über die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) mit Hilfe von Wahlen zu übernehmen. Nachdem die Hamas die palästinensischen Parlamentswahlen im Januar 2006 gewonnen hatte, wurde sie von PA-Präsident Mahmoud Abbas (illegal) daran gehindert, ihren Sieg zur Kontrolle der PA zu nutzen. Seitdem wird sie von Abbas ausgebremst, der aus (begründeter) Angst vor einer erneuten Wahlniederlage der PLO auf die Durchführung der längst überfälligen Wahlen verzichtete. In der Tat war Abbas’ jüngste Absage der Wahlen der Funke, der die Hamas dazu animierte, den Eskalationsprozess in Gang zu setzen, der zum Krieg im Jahr 2021 führte.

Sollte die Hamas die Kontrolle über das Westjordanland übernehmen, was früher oder später geschehen wird, wird das geheuchelte Interesse am Frieden, das die PLO seit dem Beginn des Osloer «Friedensprozesses» 1993 vorgetäuscht hat, wahrscheinlich verpuffen, da die Hamas nie einen Hehl aus ihrem ultimativen Ziel gemacht hat, Israel zu zerstören. Und während die grenzenlose Fähigkeit des Westens zur Selbsttäuschung über die völkermörderischen Absichten der palästinensischen Führung im Allgemeinen und das wahre Gesicht der PLO/PA im Besonderen, es der islamistischen Terrororganisation ermöglichen könnte, die PLO’s «Friedens»-Maskerade für einige Zeit aufrechtzuerhalten, wird sie niemals ein vollwertiges Friedensabkommen mit dem jüdischen Staat unterzeichnen, weil in ihrer Sicht «Das Land Palästina ein islamischer Waqf (islamische religiöse Stiftung) ist, geweiht für zukünftige muslimische Generationen bis zum Jüngsten Tag».

Obwohl die Hamas vielleicht nicht in der Lage ist, die arabischen Staaten davon abzuhalten, ihre Beziehungen zu Israel zu normalisieren, kann sie das positive politische Umfeld schädigen, das notwendig ist, um den Geist des Abraham-Abkommens voranzubringen. Vielleicht noch wichtiger ist, dass die Hamas wahrscheinlich ihre Bemühungen verstärken wird, ihren Einfluss unter den arabischen Bürgern Israels (etwa 21% der Gesamtbevölkerung) auszuweiten, da deren fortgesetzte Radikalisierung nicht nur eine ernsthafte Bedrohung für das soziale Gefüge Israels darstellt, sondern im Falle eines neuen Krieges auch in einem vollwertigen bewaffneten Aufstand gipfeln könnte, und zwar in einem weitaus grösseren Ausmass als im Oktober 2000 und Mai 2021. Deshalb erklärte ihr Chef, Ismail Haniyeh, unmittelbar nach dem aktuellen Waffenstillstand, dass die Hamas die Versuche Israels, sich in die arabische Welt zu integrieren, erfolgreich vereitelt habe, und zwar nicht nur auf regionaler, sondern auch auf innenpolitischer Ebene.

Dr. Anoop Kumar Gupta war als Forscher an der Hebrew University tätig und ist ein Absolvent der School of International Studies, JNU New Delhi.Auf Englisch zuerst erschienen bei Begin-Sadat Center for Strategic Studies BESA. Übersetzung Audiatur-Online.

1 Kommentar

  1. Shalom, es gibt nur eine Lösung für das Problem Hamas: Eine Mauer rund um Gaza,dann, davor einen grossen See,5km breit 20-30m tief,Keine übergänge nach Israel und sie dürfen dann ihren eigenen Staat ausrufen und ihn auch verwalten!!! Shabbat Shalom

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