Angst und Besorgnis nach Angriff auf Bonner Synagoge

Die Polizei steht vor der Tür, auf der Strasse sind Markierungen zu sehen. Am Tag nach dem Vorfall an der Bonner Synagoge macht sich in der jüdischen Gemeinde grosse Besorgnis breit. Zugleich erfährt sie Solidarität.

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Polizeifahrzeug vor einer Synagoge in Bonn. Symbolbild. Foto IMAGO / Steinach
Polizeifahrzeug vor einer Synagoge in Bonn. Symbolbild. Foto IMAGO / Steinach
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Die Angst ist gross, dass noch mehr passieren könnte. Und dass es vielleicht nicht bei Sachschäden bleibt. “Ich habe die ganze Nacht kaum geschlafen”, sagt Margaret Traub am Mittwoch. Einen Tag nach dem Angriff auf die Bonner Synagoge führt die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde der Stadt ein Telefonat nach dem anderen – mit der Polizei, besorgten Gemeindemitgliedern oder Menschen, die ihre Solidarität ausdrücken wollen.

von Leticia Witte

Am Dienstagabend kam es zu dem Vorfall in der Bundesstadt, am selben Abend auch in Münster. In beiden Fällen wurden Tatverdächtige ausfindig gemacht, der Staatsschutz ermittelt. Vor den Synagogen zündeten laut Polizei mehrere Personen die israelische Flagge an. In Bonn wurde zudem der Eingang des Gebäudes durch Steinwürfe beschädigt. Vor dem Eingang stellte die Polizei drei Papierzettel mit “wahrscheinlich arabischen Schriftzeichen” sicher. Zeugen hatten die Polizei informiert. Auch in Düsseldorf kam es zu einem Vorfall: Dort gab es am Montagabend ein Feuer am Mahnmal für die ehemalige grosse Synagoge.

So etwas sei bisher noch nicht in der Bonner Gemeinde passiert, sagt Traub. Mittlerweile sei die Polizei dauerhaft vor der Synagoge, die in der Nähe des Rheins liegt, präsent. Der Vorfall sei ein “Zeichen dafür, dass wir aufpassen müssen”, so die Vorsitzende. “Das ist wirklich deprimierend” – vor allem angesichts der Tatsache, dass sich Juden schon in der Zeit des Nationalsozialismus hätten verstecken und Angst haben müssen.

Ein Blick gen Norden zeigt die Anspannung, die offensichtlich auch in der Münsteraner Gemeinde herrscht: “Wer vor einem jüdischen Gotteshaus eine israelische Flagge verbrennt, der verliert jeglichen Anstand, jegliche Form der Toleranz und die Bemühungen um ein zwischenmenschliches Miteinander”, zitiert die “Bild”-Zeitung den Vorsitzenden Sharon Fehr. “Wir sind entsetzt, was hier geschehen ist.” Es seien zwar ähnliche Bilder aus Berlin bekannt – aber aus der westfälischen Stadt habe er sich das nicht vorstellen können. “Unter der Decke scheint ja einiges zu brodeln.”

Was da vor dem Hintergrund des aktuellen Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern mit Toten auf beiden Seiten möglicherweise insgesamt auch in Deutschland brodelt, sorgt für scharfe Kritik. “Man mag mit der israelischen Politik nicht immer einverstanden sein, doch die hier in Deutschland und Europa lebenden Juden sind für die Kritik am Staat Israel nun wirklich die falsche Adresse”, betont etwa der Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD), die Rabbiner Avichai Apel, Zsolt Balla und Yehuda Pushkin.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagt, er sei zwar froh, dass kein Mensch zu Schaden gekommen sei. “Aber ein Angriff auf eine Synagoge hat nichts mit einer politischen Meinungsäusserung zu tun, es ist reiner Antisemitismus.”

Solidaritätsbekundungen kamen auch von christlicher Seite. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, bezeichnete Angriffe auf Synagogen als “reinsten Antisemitismus”. Es sei “in keinster Weise zu billigen, wenn der Konflikt aus Israel nach Deutschland übertragen und noch fundamentalistisch-religiös aufgeladen wird”.

Die Christlich-Jüdische Gesellschaft (GCJZ) Bonn erklärte, der Antisemitismus zeige sich immer hemmungsloser – auch in Verbindung mit der Diffamierung israelischer Symbole wie der Verbrennung der Fahne Israels. “Wir müssen wachsam sein und uns auch öffentlich noch deutlicher an die Seite unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger stellen.” Auch der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, rief zu Solidarität auf.

In Bonn blickt die Gemeindevorsitzende Traub mit bangem Blick nicht nur auf die Gesamtsituation, sondern auch auf den Schabbat an diesem Freitag. Ohnehin seien die Gottesdienste an diesem jüdischen Ruhetag wegen der Corona-Pandemie spärlich besetzt. Sie fragt sich nun, wie es an diesem Freitag aussehen wird, ob dann die erforderlichen zehn jüdischen Männer für einen Gottesdienst überhaupt zusammen kommen – im Schatten der Ereignisse und unter dem durch Steine beschädigten Synagogenfenster.

KNA/lwi/joh