Mansour Abbas und die Libanisierung Israels

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Der israelisch-arabische Politiker und Vorsitzende der Vereinigten Arabischen Liste, Mansour Abbas. Foto IMAGO / UPI Photo
Der israelisch-arabische Politiker und Vorsitzende der Vereinigten Arabischen Liste, Mansour Abbas. Foto IMAGO / UPI Photo
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Die politische Auseinandersetzung in Israel ist in eine Sackgasse geraten, weil sich die Akteure nicht auf Sachfragen konzentrieren, sondern auf persönliche, bereichsbezogene, fraktionelle und parteiinterne Überlegungen. Nationale Interessen sind an den Rand des politischen Diskurses gedrängt worden, statt den ihnen gebührenden Platz in den Überlegungen der Parteien einzunehmen. Ein Indiz dafür ist die komplette Abwesenheit der palästinensischen Thematik aus dem öffentlichen und politischen Diskurs, der die Wahlen begleitete, als ob das Problem schon längst gelöst wäre.

von Dr. Mordechai Kedar

Dieser Zustand erinnert stark an den Prozess, den der Libanon seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1943 bis heute durchlaufen hat. Was die «Schweiz des Nahen Ostens» zerstörte und sie in die Arme der Hisbollah und des Irans trieb, war die Entscheidung der Politiker – Christen, Drusen und sunnitische Muslime -, das nationale Interesse persönlichen und sektoriellen Interessen unterzuordnen. Sie opferten das Land auf dem Altar ihrer eigenen Karrieren, indem sie Gegner delegitimierten und sich nur um ihre Verwandten und Bekannten kümmerten. Und das Schlimmste: 40 Jahre lang haben sie sich mit der Präsenz der Hisbollah als militärische Organisation abgefunden, dann deren Eintritt in die politische Arena akzeptiert und sogar politische Koalitionen mit der islamistischen Terrorgruppe gebildet. Und das, obwohl jeder mit absoluter Sicherheit weiss, dass der einzige Zweck der Hisbollah darin besteht, die Übernahme des Libanon durch den Iran zu ermöglichen.

Jeder, der die israelische Politik in den letzten Jahren und insbesondere in den letzten Monaten verfolgt hat, kann sich des betrüblichen Eindrucks nicht erwehren, dass sich die libanesischen Entwicklungen in Israel wiederholen. Parteien werden auf persönlicher Basis gegründet und geführt und Politiker delegitimieren sich gegenseitig auf persönlicher Ebene, ohne sich auch nur im Geringsten um das Wohl des Landes zu kümmern. Das Schlimmste ist, dass alle – sowohl von rechts als auch von links – erpicht darauf sind, von der Islamischen Bewegung unterstützt zu werden, deren Ideologie sich auf die Beseitigung Israels als jüdischer und demokratischer Staat konzentriert. Die Bewegung versucht nicht einmal, diese Absicht zu verbergen.

Die Islamische Bewegung in Israel ist ein israelischer Zweig der Muslimbruderschaft, der ideologischen Brutstätte, die Hamas, al-Qaida, ISIS und andere sunnitische Dschihadistengruppen hervorgebracht hat, die Israel als ein fundamental unrechtmässiges Land betrachten, das von der Landkarte getilgt werden sollte. Sogar der Südliche Zweig, der seit 1996 in der Knesset vertreten ist, wurde Teil der israelischen Legislative, damit er Israels Politik und Bevölkerung in die von ihm gewünschte Richtung lenken kann. Was heute geschieht – die Verwandlung der Muslimbruderschaft in eine legitime Partei – ist die Erfüllung des Traums der islamischen Bewegung und ein Sieg für ihre Strategie: das israelische politische System zu dominieren und gleichzeitig seine Schwächen auszunutzen, die aus persönlichen, sektoralen und fraktionellen Konflikten unter seinen führenden Akteuren herrühren.

Die israelische Rechte und Linke sind an diesem Prozess gleichermassen schuld. Sie führen Israel auf einen ähnlichen Weg wie den, der dem Libanon als Land, das als Zufluchtsort für die christliche Minderheit inmitten der muslimischen Mehrheit des Nahen Ostens gegründet wurde, ein Ende setzte. Die Notwendigkeit eines solchen Zufluchtsortes war eine Schlussfolgerung, die die Christen nach dem Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs gezogen hatten.

Die Ähnlichkeit zwischen dem Beispiel des Libanon und Israel ist erschreckend. Der israelische Staat wurde gegründet, um die Souveränität des jüdischen Volkes in seinem angestammten Heimatland zu erneuern. Israels Überlebenskampf gegen die islamische Welt basiert darauf, dass der Islam es nicht als einen legitimen Staat ansieht. Der Islam betrachtet das Judentum (wie auch das Christentum) als eine din batal – eine falsche Religion – und die Juden nicht als ein Volk, sondern als eine Vielzahl von Religionsgemeinschaften, die zu den zahlreichen Völkern der Welt gehören, unter denen sie während ihres 1’900-jährigen Exils gelebt haben. Der Islam hat das Land Israel seit der muslimischen Eroberung ebenfalls als integralen Bestandteil des “Hauses des Islam” betrachtet.

An dem Tag, an dem wir hören, dass der arabische Abgeordnete Mansour Abbas diesen islamischen Überzeugungen abschwört und zusammen mit allen Knessetmitgliedern seiner Partei vor laufenden Kameras erklärt, er glaube, dass das Judentum ein din hak (eine wahre Religion) ist, dass das jüdische Volk existiert und Anspruch auf einen Staat in seiner angestammten Heimat hat und Jerusalem die historische und ewige Hauptstadt des jüdischen Volkes ist – dann und nur dann können wir die Islamische Bewegung als eine legitime Gruppierung betrachten, mit der man eine Koalition im jüdischen Staat bilden kann. Aber die Chancen, dass die Islamische Bewegung eine solche Erklärung abgibt, selbst wenn sie unaufrichtig ist, sind gleich Null.

All die schönfärberischen Slogans, mit denen die Medien in den letzten Monaten gefüttert wurden, wie etwa «ein tiefer innerer Wandel hat im arabischen Sektor stattgefunden», «junge Araber denken anders», «sie sind total israelisch in ihrer Lebensweise», «sie wollen sich in die Gesellschaft und den Staat integrieren», «sie wollen aufhören, Zuschauer zu sein und die politische Arena betreten» – jeder einzelne von ihnen soll die Schamlosigkeit der Politiker und ihr mangelndes Interesse an der Rettung des politischen Systems aus der Krise verdecken, in die sie es gestürzt haben. Wenn sie wollten, könnten sie das Problem sehr schnell lösen, indem sie auf die persönlichen Interessen, die sie leiten verzichten und im Namen des nationalen Interesses handeln. Stattdessen ziehen sie es vor, ihre Hoffnungen auf eine Bewegung zu setzen, deren einziges Ziel es ist, Israel als jüdischen und demokratischen Staat auszulöschen. Daher sind sie alle – Linke, Mitte und Rechte – schuldig, Israel auf den Weg zu bringen, der von den Libanesen vorgezeichnet wurde. Diese haben in ähnlicher Weise die Gefahr, die von der Hisbollah ausgeht, ignoriert und behaupteten (wie einige israelische Kommentatoren), sie hätte «den Kreislauf des Terrors verlassen und ihren Platz auf der politischen Bühne eingenommen».

Man sollte sich nicht von den schicken Anzügen und Krawatten der Abgeordneten der Islamischen Bewegung beeindrucken lassen, von ihrem makellosen Hebräisch, ihren akademischen Abschlüssen und den Slogans, die sie verbreiten. Die islamische Bewegung in Israel hat ihr ultimatives Ziel nicht aufgegeben – die Zerstörung Israels als jüdischer Staat – und alles, was sie seit ihrem Einzug in die Knesset unternommen hat, war auf den Moment ausgerichtet, in dem sie von zionistischen Juden für koscher erklärt werden wird, deren persönliche Ambitionen und politische Streitigkeiten ihre Fähigkeit gelähmt haben, das Land an die erste Stelle zu setzen.

Oberstleutnant (a.D.) Dr. Mordechai Kedar ist leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Begin-Sadat Center for Strategic Studies. Dies ist eine überarbeitete Version eines Artikels, der am 30. März 2021 in Makor Rishon erschien.Übersetzung Audiatur-Online.

3 Kommentare

  1. Leider, Nussknacker, sie sind es nicht alleine. Sie haben finanzkräftige Antreiber in Westeuropa mit demselben Traum.

  2. 1 einziger Mann müsste etwas für sein Land tun, nämlich nicht mehr für die Regierungsbildung antreten. Traurig, dass Netanjahu sein Erbe selbst zerstört und nach solanger Zeit nicht jemand anderem Platz macht. Persönliches ist ihm wichtiger als das Land.

  3. Mordechai Kedar hat völlig recht in seiner Sicht auf die arabischen Mandatsträger und „Parteien“ in Israel. Nicht ganz folgen kann ich ihm in seiner Beurteilung der liberalen und konservativen Parteien Israels. Ich kann nur hoffen, dass er hier falsch liegt.

    Es hilft kein Schönreden: Wenn nicht gar die Mehrheit, so muss sich doch ein gewichtiger Teil der arabischen Israelis vorhalten lassen, dass sie zwar alle Rechte als israelische Bürger genießen, aber dafür nichts tun wollen. Im Gegenteil – sie sind anscheinend jederzeit bereit, das Rechtsgefüge, das ihnen Sicherheit und Frieden bietet, bei passender Gelegenheit zu zerstören. Und dies nicht, weil sie etwas Besseres in Aussicht haben, nein, sie würden jederzeit Chaos, Krieg und Elend bevorzugen, wenn sie nur endlich den verhassten Rechtsstaat los wären und Juden wieder ihren seit vielen Jahrhunderten zugewiesenen Platz als Menschen dritter Klasse, als verachtenswerte Ungläubige ohne jegliche Rechte, einnehmen müssten. Genau darum geht es den Politikern und Wählern der „Arabischen Liste“.

    Mit dem Hinweis auf dieses verdeckte Grundmotiv sollten die sogenannten Palästinenser viel öfters konfrontiert werden. Sie sind es nämlich alleine, die von einem rassistischen Apartheidsstaat träumen, und sie werden nicht zögern ihn umzusetzen, wenn sie die Chance dazu bekommen. Die Israelis sind dazu verdammt, dies bei Strafe des eigenen Untergangs nicht aus den Augen zu verlieren.

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