Betreibt der Iran Terrorzellen in Europa?

Das europäische Terrornetzwerk des Irans scheint viel umfangreicher, als es ein isolierter Vorfall vermuten lässt.

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Symbolbild. Foto IMAGO / Pacific Press Agency
Symbolbild. Foto IMAGO / Pacific Press Agency
Lesezeit: 6 Minuten

Am Nachmittag des 30. Juni 2018 umstellte die belgische Polizei einen Mercedes-Benz, in dem ein belgisch-iranisches Ehepaar durch Brüssel fuhr. Das Paar war an diesem Morgen zu einer Reise nach Paris aufgebrochen und ahnte nicht, dass sie von unmarkierten Polizeifahrzeugen verfolgt wurden, seit sie ihre gemietete Unterkunft in Antwerpen verlassen hatten. Als sie nach einem Stau auf der Autobahn einen Umweg durch die belgische Hauptstadt nahmen, griff die Polizei ein.

Mit vorgehaltener Waffe forderten die Beamten Amir Saadouni, 40, und seine Komplizin Nasimeh Naami, 36, auf, langsam aus dem Auto auszusteigen. Die beiden wurden mit Handschellen gefesselt und in Gewahrsam genommen. Bei der Durchsuchung des Autos wurde ein grosser Reisekoffer gefunden, der einen Sprengsatz aus Triacetontriperoxid (TATP) enthielt – ein extrem flüchtiger Sprengstoff, der als «Mutter des Satans» bekannt ist, weil schon winzige Mengen davon katastrophale Schäden verursachen können. Im Fussraum des Beifahrers befand sich eine Damenschminktasche, die einen getarnten Zünder enthielt.

Nach Angaben der belgischen Staatsanwaltschaft hatten Saadouni und Naami geplant, die Bombe bei einer politischen Kundgebung in der Pariser Vorstadt Villepinte zu platzieren. Die jährliche Veranstaltung, an der Zehntausende Menschen teilnahmen, war von der iranischen Exil-Oppositionsbewegung, dem Nationalen Widerstandsrat im Iran (NCRI), organisiert worden. Zu den prominenten Teilnehmern gehörten der ehemalige Anwalt von Donald Trump, Rudy Giuliani, der ehemalige Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, sowie Dutzende von Parlamentariern aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und fünf britische Abgeordnete. Das Paar hatte offensichtlich die Absicht, Hunderte, wenn nicht Tausende von Menschen zu töten, aber ihr Hauptziel war die NCRI-Chefin Maryam Rajavi, die an diesem Nachmittag die Eröffnungsrede hielt.

Weniger als 24 Stunden, nachdem dieser Terroranschlag vereitelt worden war, wurde eine weitere verdeckte Polizeiaktion erfolgreich durchgeführt. Dieses Mal hielt die deutsche Polizei ein Auto nahe der österreichischen Grenze an und verhaftete den Fahrer und mutmasslichen Drahtzieher des Terroranschlags vom Vortag, den in Wien lebenden iranischen Diplomaten Assadollah Assadi.

Der Fall der iranischen Bombenbauer wurde im Februar dieses Jahres endgültig abgeschlossen, als ein Richter am Antwerpener Strafgericht das Trio wegen verschiedener Terrorismusvorwürfe zu Haftstrafen zwischen 15 und 20 Jahren verurteilte. Ein vierter Angeklagter, Mehrdad Arefani, wurde zu 17 Jahren Haft verurteilt, nachdem er als Mitverschwörer schuldig gesprochen worden war. Saadouni, Naami und Arefani wurde auch ihre doppelte belgische Staatsbürgerschaft entzogen.

Der iranische Anschlagsplan dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein. Das europäische Terrornetzwerk des Irans scheint viel weiter zu reichen als ein isolierter Vorfall. Die vor Gericht vorgelegten Beweise deuten darauf hin, dass Assadi nicht einfach ein abtrünniger Agent war. Vielmehr operierte er mit dem Wissen und der Befugnis seiner Vorgesetzten in Teheran. Er war nicht nur externer Berater des iranischen Aussenministeriums, sondern auch ein hochrangiger Offizier im Ministerium für Geheimdienst und Sicherheit (MOIS) der Islamischen Republik. Die französische Regierung gab an, er sei vom iranischen Geheimdienst beauftragt worden, mindestens einen Terroranschlag in Paris zu organisieren – was Teheran vehement bestreitet.

Erkundungsreisen durch Europa

Assadi weigerte sich, vor Gericht in den Zeugenstand zu treten. Er behauptete, dass er aufgrund seines diplomatischen Status Immunität gegen solche Verfahren geniesst. Die deutsche Polizei wies jedoch nach, dass seine diplomatische Immunität nicht über Österreich hinausgeht, und konnte ihn nach Belgien ausliefern. Vor Gericht vorgelegte Beweise zeigen, dass Assadi nicht allzu viel Zeit in seinem Botschaftsbüro verbracht hat. Stattdessen scheint er damit beschäftigt gewesen zu sein, durch Europa zu reisen und Länder wie Italien, Ungarn, die Tschechische Republik, Schweden, die Schweiz, die Niederlande, Belgien und Luxemburg zu besuchen. Seine Besuche dauerten selten länger als einen Tag, und weder er noch die iranische Botschaft konnten irgendwelche Unterlagen vorlegen, die darauf hinwiesen, dass er an einem dieser Orte beruflich tätig war.

Gemäss den von der deutschen Polizei sichergestellten Quittungen nutzte Assadi die Urlaubs-Website booking.com, um Zimmer in günstigen Hotels zu buchen. Die Ermittler stellten fest, dass er 289 Orte in 11 europäischen Ländern besucht hatte. Auf seinen Reisen traf er angeblich zahlreiche nicht identifizierte iranische Staatsbürger in belebten Restaurants, Kaufhäusern und an touristischen Orten. Ein Notizbuch, das bei seiner Verhaftung in Assadis Auto gefunden wurde, zeigt, dass er jedes einzelne dieser Treffen protokollierte und Zahlungen an diese Personen notierte.

Eine plausible Erklärung für seine ausgedehnten Reisen konnte Assadi nicht liefern. Wahrscheinlicher ist, dass er dabei half, ein Spionagenetzwerk in ganz Europa zu betreiben – ein Netz iranischer Agenten, die für Terroranschläge gegen Ziele auf europäischem Boden eingesetzt werden könnten.

In Verhören mit den Ermittlern gaben Saadouni und Naami zu, dass sie 2015 von einem iranischen Agenten namens Daniel kontaktiert wurden, der sich später als Assadi zu erkennen gab. Das Paar vereinbarte sich im Sommer 2015 mit ihm in München zu treffen, und erhielt 4.000 Euro für Spesen. In den nächsten Monaten tauschten sie eine Reihe von E-Mails mit Assadi aus, bevor sie sich im November 2015 erneut mit ihm in der Zentrale des iranischen Geheimdienstes (MIOS) in Teheran getroffen haben sollen.

Bombe in einer Diplomatentasche auf einem kommerziellen Flug

Während dieses Treffens sollen die beiden Anweisungen erhalten haben, Informationen über das Hauptquartier ihres späteren Anschlagsziels, des NCRI in Auvers-sur-Oise bei Paris zu sammeln. Im Laufe der nächsten zwei Jahre traf sich das Paar mit Assadi mehrmals in verschiedenen europäischen Städten, darunter München, Mailand und Wien. Während dieser Zeit überwies Assadi in verschiedenen kleineren Transaktionen auch mehr als 200.000 Euro an das Duo.

Die belgische, deutsche und österreichische Polizei hat die Namen der Personen, mit denen sich Assadi laut seinem Notizbuch getroffen hat, nicht bekannt gegeben. Der NCRI, der in dem Fall als Zivilkläger auftrat, beschuldigte den iranischen MIOS, Agenten zu beschäftigen, die legal als Diplomaten in europäischen Botschaften arbeiteten, um ein weit verzweigtes Netzwerk von terroristischen Schläferzellen in Europa zu organisieren. So konnte Assadi seine Tarnung als Diplomat nutzen, um die TATP-Bombe in einer Diplomatentasche auf einem kommerziellen Flug vom Iran nach Österreich zu schmuggeln.

Assadis Verurteilung – die erste Verurteilung eines iranischen Funktionärs wegen derartiger Vorwürfe in Europa seit der islamischen Revolution von 1979 – wirft einige ernsthafte Fragen über die Iran-Politik der EU auf. Während die belgische Justiz in ihrem Urteil klarstellte, dass der iranische Staat nicht angeklagt sei, räumte sie ein, dass Assadi auf Weisung der iranischen Geheimdienste gehandelt habe. Der Iran wurde sehr lange als ein Problem des Nahen Ostens betrachtet und seine terroristische Bedrohung wurde auf diese Region beschränkt. Die Assadi-Affäre zeigt jedoch, dass der iranische Staat in die Umsetzung von terroristischen Anschlägen in Europa verwickelt sein dürfte.

Der belgische Staatssicherheitsdienst warnte das Gericht, der Bombenanschlag sei von der iranischen Führung geplant worden und trotzdem weigerte sich die EU, den Iran in die Aktionen von Assadi und seinen Komplizen einzubeziehen. EU-Sprecher Peter Stano bezeichnete den versuchten Anschlag als die Aktion eines Einzeltäters und nicht als staatlich gesponserten Terrorismus. Der Fall zeigt, dass die EU gegenüber der Bedrohung durch den Iran auf der Hut sein muss. Ihre Appeasement-Politik funktioniert schlichtweg nicht und der EU-Raum muss jetzt eine entschlossene Haltung gegenüber dem Iran einnehmen. Der NCRI schlug vor, die diplomatischen Beziehungen zum Iran herabzustufen und seinen Botschaftsstatus zu überprüfen. Wenn nicht schnell gehandelt wird, ermutigt dies den Iran noch mehr.

Rachel O’Donoghue ist eine freiberufliche Journalistin, die in London und Tel Aviv lebt. Sie schreibt für Zeitungen und Medien wie BBC, Daily Mail, Daily Star und Daily Mirror. Auf Englisch zuerst erschienen bei The Jerusalem Post. Übersetzung Audiatur-Online.

1 Kommentar

  1. Hallo,
    danke für diese wichtigen und erhellenden Infos.
    Davon erfährt man hier in den “Qualitätsmedien” und von den “Menschenrechts”-Politikern so gut wie nichts.
    Steinmeier gratulierte diesem Mörderregime. „Herzliche Glückwünsche“ zum Nationalfeiertag, „auch im Namen meiner Landsleute“.
    Nicht in meinem Namen.
    Claudia Roth (Grünenpolitikerin) 2013 begrüßte ausgerechnet den iranischen Botschafter lachend mit einem kumpelhaften „High Five“ Handabklatschen”.

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