Uno: Propaganda, verkleidet als humanitäre Hilfe

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Vor dem Hauptsitz des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) in Gaza-Stadt. 17. November 2020. Foto Majdi Fathi/TPS
Vor dem Hauptsitz des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) in Gaza-Stadt. 17. November 2020. Foto Majdi Fathi/TPS
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Weltweit kümmert sich das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten darum, Hilfe zu organisieren und Not zu lindern. Doch in den palästinensischen Gebieten besteht die Tätigkeit der betreffenden Zweigstelle vor allem in der Dämonisierung und Delegitimierung Israels. Dennoch gehören die Schweiz und Deutschland zu den grössten Geldgebern dieser UN-Einrichtung.

Seit Dezember 1991 gibt es bei den Vereinten Nationen das Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten. Die Aufgabe dieser Einrichtung, die beim UN-Sekretariat angesiedelt ist, also beim Hauptverwaltungsorgan der Uno, besteht darin, humanitäre Hilfe in bedürftigen UN-Mitgliedsstaaten zu leisten. Zum Beispiel durch die Koordinierung von Hilfsmassnahmen, an denen auch andere Organisationen vor Ort beteiligt sind, durch die Erarbeitung von Finanzierungsmodellen und die finanzielle Unterstützung von NGOs und Einrichtungen sowie durch Information, Dienstleistungen und politisches Agieren.

Das OCHA, das seinen Sitz in New York und Genf hat, unterhält fünf Regionalvertretungen und 30 Länderbüros, vor allem in Afrika und Asien. Rund 2.300 Menschen arbeiten für diese Organisation, die über ein jährliches Budget von etwa 250 Millionen US-Dollar verfügt. Fünf Prozent davon tragen die Vereinten Nationen, den Rest geben UN-Mitgliedsländer, die Europäische Union und spendende Organisationen. Eine Zweigstelle des OCHA ist seit 2002 für Israel, das Westjordanland und den Gazastreifen zuständig; sie firmiert unter dem Namen OCHA-oPt, wobei «oPt» für «occupied Palestinian territory» («besetztes palästinensisches Gebiet») steht.

Ein aktueller Bericht der israelischen Organisation NGO Monitor beschäftigt sich mit der Arbeit des OCHA-oPt, das unter anderem von der Schweiz und von Deutschland jährlich zweckgebundene Zuwendungen in Höhe von jeweils über einer halben Million US-Dollar erhält. Damit gehören die beiden Länder zu den grössten Geldgebern. Das OCHA-oPt koordiniert die Aktivitäten von fast 90 Organisationen und Körperschaften, darunter mehr als 20 UN-Einrichtungen. Es soll die humanitären Vorhaben der Vereinten Nationen umsetzen, Spenden an Dutzende von Nichtregierungsorganisationen vermitteln, die in der Region tätig sind, und den lokalen NGOs Finanzmittel auf direktem Weg zur Verfügung stellen.

Lobbyarbeit gegen Israel statt Leben retten

Bei seiner Arbeit räume das OCHA-oPt allerdings «der Parteinahme für die politische Agenda der Palästinenser die oberste Priorität ein, statt humanitäre Hilfe für die Bedürftigsten zu leisten», wie NGO Monitor urteilt. Bei OCHA-Einsätzen in anderen Teilen der Welt stehe dagegen die humanitäre Hilfe klar im Vordergrund und nicht voreingenommene politische Erklärungen. Deutlich werde dieser Unterschied vor allem im Westjordanland, «wo der Bedarf an humanitärer Hilfe relativ gering ist, aber unverhältnismässig viele Mittel zur Verfügung stehen» – die eben nicht eingesetzt werden, um Not unmittelbar zu lindern. Wie die erwähnte Parteinahme formuliert ist, lässt sich etwa auf der Website des OCHA-oPt nachlesen, wo es heisst:

«Die Hauptursachen für die humanitäre Verwundbarkeit in den besetzten palästinensischen Gebieten sind die anhaltende Besatzung, die systematische Vorenthaltung der Menschenrechte der Palästinenser und der andauernde Konflikt, der von häufigen Gewaltausbrüchen gekennzeichnet ist. Im Westjordanland sind der anhaltende Siedlungsausbau und das Fehlen eines Horizonts für die Beendigung der Besatzung die Hauptursachen für Frustration und Konflikte. Im Gazastreifen haben die jahrelange Blockade und die wiederholten Ausbrüche von Feindseligkeiten die grundlegende Infrastruktur, die Bereitstellung von Dienstleistungen, die Lebensgrundlagen und Bewältigungsstrategien untergraben. Den Gesamtkontext bildet ein dauerhaft fehlender Schutz, der durch mangelnden Respekt für internationales Recht und eine fehlende Rechenschaftspflicht für Verstösse verursacht wird.»

Zu Recht kritisiert NGO Monitor, in solchen Analysen fehle jegliches Wort «zur Rolle der politischen Instabilität und Spaltung, des Autoritarismus und der Korruption innerhalb der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas, des palästinensischen Terrorismus und der politischen Kontrolle durch bewaffnete Gruppen, der systematischen Indoktrination mit ‹Widerstand›- und ‹Rückkehr›-Narrativen und der anhaltenden Politik der palästinensischen Verweigerungshaltung, die die Situation vor Ort beeinflusst». Schuld soll, wie so oft bei den Vereinten Nationen, wieder einmal nur Israel sein. Und während bei anderen OCHA-Missionen humanitäre Massnahmen mit dem Hauptziel «Leben retten» im Mittelpunkt stehen, beschäftigt sich das OCHA-oPt vornehmlich mit propagandistischer Lobbyarbeit gegen den jüdischen Staat.

Mehr Geld als für Bedürftige in Afghanistan oder dem Jemen

Nun könnte man argumentieren, die humanitäre Situation etwa in Syrien, Afghanistan, der Zentralafrikanischen Republik oder Somalia sei beispielsweise hinsichtlich der Versorgung mit Nahrung, Wasser, Medikamenten und Bildung ja auch deutlich ernster als in den palästinensischen Gebieten, weshalb der Schwerpunkt des OCHA im Westjordanland und im Gazastreifen eben eher auf dem politischen Handeln und dem Einsatz für die Menschenrechte liege. Das erklärt allerdings die völlige Einseitigkeit der Stellungnahmen und Berichte genauso wenig wie die Tatsache, dass das OCHA den Palästinensern pro Kopf mehr finanzielle Zuwendungen zukommen lässt als beispielsweise Bedürftigen in Afghanistan, dem Jemen, Haiti und Venezuela.

Die Gelder gehen, wie NGO Monitor berichtet, beispielsweise an das palästinensische Al Mezan Center for Human Rights, eine der führenden BDS-Organisationen in den palästinensischen Gebieten. Die NGO erhielt im Jahr 2019 mehr als 240.000 US-Dollar für ein Projekt, bei dem es wesentlich darum ging, vermeintliche israelische Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht ausführlich zu dokumentieren, entsprechende Presseerklärungen zu formulieren und Resolutionen bei der Uno und der EU zu erwirken. Andere Projekte, etwa im Bildungsbereich, haben zum Inhalt, über «die illegale Besatzung Palästinas» und Möglichkeiten ihrer Beendigung zu «informieren».

Kooperation mit Organisationen, die Verbindungen zum Terror haben

Definiert und koordiniert werden die Aktivitäten des OCHA vor Ort von einem Humanitarian Country Team, das die strategischen und operativem Entscheidungen trifft. Zu ihm gehören nicht nur die Führungsspitzen der beteiligten UN-Einrichtungen, sondern auch Repräsentanten massgeblicher NGOs und internationaler Entwicklungshilfeorganisationen. Gemeinsam plant, koordiniert und überwacht man die einzelnen Massnahmen. Im Falle des OCHA-oPt zählt zum Humanitarian Country Team auch das Palestinian NGO Network (PNGO), mit 135 Mitgliedern die grösste Dachorganisation palästinensischer NGOs.

Das Netzwerk unterstützt die BDS-Bewegung und lehnt jegliche Kooperation mit Israel ab. Ihm gehören mehrere Organisationen an, die Verbindungen zur terroristischen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) unterhalten. Folgerichtig lehnt das PNGO Antiterrorklauseln in finanziellen Vereinbarungen ab, so etwa gegenüber der Europäischen Union. Es rief dazu auf, „humanitäre Hilfe nicht dazu zu benutzen, um den legitimen palästinensischen Widerstand zu unterminieren“. Weiter hiess es: «Wir lehnen jede Delegitimierung oder Kriminalisierung des rechtmässigen palästinensischen Widerstands ab, sei es in Form von Terrorismus- oder Antisemitismusvorwürfen oder auf andere Weise. […] Wir fordern alle Regierungen und Hilfsorganisationen auf, unseren rechtmässigen Widerstand zu respektieren […] und einen gleichen, unparteiischen und transparenten Zugang zu Finanzmitteln für alle zu gewährleisten.»

Das OCHA-oPt gehe «regelmässig mit Akteuren, die mit dem Terrorismus in Verbindung stehen, Partnerschaften ein, indem es ihnen Finanzmittel zur Verfügung stellt oder besorgt und sie mit der Durchführung von Projekten in den verschiedenen thematischen Clustern beauftragt», ist im Bericht von NGO Monitor weiter zu lesen. Viele dieser NGOs hätten Verbindungen zur PFLP, etwa Addameer, die Union of Health Work Committees (UHWC) und die Union of Agricultural Work Committees (UAWC). Einige führende Mitarbeiter von Partnerorganisationen des OCHA-oPt hätten zudem in der Vergangenheit im Gefängnis gesessen, weil sie terroristische Angriffe der PFLP ausgeführt hätten.

Das OCHA-oPt verstösst gegen seine eigenen Prinzipien

Das heisst also: Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten in den palästinensischen Gebieten kooperiert mit NGOs, die mit terroristischen Organisationen verflochten sind, und unterstützt sie mit Geldern, die auch aus der Schweiz und Deutschland stammen. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Das OCHA-oPt, jene «mächtige UN-Agentur, die mit der Verwaltung und Koordinierung humanitärer Hilfe beauftragt ist», habe sich «dazu verpflichtet, parteiische und kontraproduktive Agenden voranzutreiben», was einen «klaren Verstoss gegen ihre Leitprinzipien» darstelle, die da lauten: Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit.

Um es deutlich zu sagen: Das ist ein grosses Elend und eine Ungeheuerlichkeit, die dringend mediales Interesse hervorrufen und die Geberländer zu Konsequenzen führen sollte. Doch mit dem OCHA-oPt verhält es sich letztlich nicht anders als mit der Uno-Generalversammlung, dem Menschenrechtsrat, der Unesco oder der WHO, wenn es um Israel geht: Die absurde Voreingenommenheit, die groteske Einseitigkeit und die bizarren Verurteilungen haben System, der jüdische Staat wird immer wieder zum Paria gemacht, stets unter Berufung auf die Menschenrechte, versteht sich. Und so beteiligt sich selbst eine Einrichtung, die der humanitären Hilfe verpflichtet ist, an der politischen Kriegsführung gegen Israel – mit Geldern aus Europa. Es ist eine Schande.

Über Alex Feuerherdt

Alex Feuerherdt ist freier Autor und lebt in Köln. Er hält Vorträge zu den Themen Antisemitismus, Israel und Nahost und schreibt regelmässig für verschiedene Medien unter anderem für die «Jüdische Allgemeine» und «Mena-Watch». Zudem ist er der Betreiber des Blogs «Lizas Welt». Gemeinsam mit Florian Markl ist er Autor von »Vereinte Nationen gegen Israel«, erschienen bei Hentrich & Hentrich 2018.

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