Die geplanten palästinensischen Wahlen und der Kampf innerhalb der Fatah

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Anhänger der Fatah und ihres Führers Mahmoud Abbas (Abu Mazen) in Gaza. Foto Majdi Fathi/TPS
Anhänger der Fatah und ihres Führers Mahmoud Abbas (Abu Mazen) in Gaza. Foto Majdi Fathi/TPS
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Als zum ersten Mal über die palästinensischen Wahlen diskutiert wurde, richtete sich das Augenmerk sofort auf die Auseinandersetzung zwischen der Fatah und der Hamas und die Befürchtung, dass die Terrororganisation Hamas unter dem Deckmantel der Wahlen die Westbank infiltrieren könnte. Aber es wurde schnell klar, dass es nicht um Fatah gegen Hamas, sondern um Fatah gegen Fatah geht.

Was ist die Ursache für die Probleme der Fatah? Eigentlich gibt es zwei Fatahs – Spannung und Konkurrenz spaltet sie. Die «erste Fatah» besteht aus der PLO-Führung des «Exils» mit ihren alten Wurzeln im heutigen Israel, für die die Nakba 1948 das prägende Ereignis war. Ihnen geht es um das «Recht auf Rückkehr» in das Israel vor 1967. Die Meisten zogen nach dem Abzug Israels nach den Osloer Verträgen von 1994 in die palästinensischen Gebiete, wo sie die Muqata gründeten, Arafats Verwaltungszentrum bei Ramallah. Ihre Hauptzielgruppe waren die Bewohner von Flüchtlingslagern in arabischen Ländern, vor allem im Libanon.

Die «zweite Fatah» besteht aus den Palästinensern im Westjordanland, die wenig oder keine Bindung an die Nakba haben und die Stabilisierung ihres Lebens im Westjordanland wollen. Bis zum Auftauchen der «tunesischen Führer» der PLO wurde das Nakba-Thema von den palästinensischen Bewohnern im Westjordanland kaum erwähnt. Die Nakba gewann an Bedeutung, als die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) die Gebiete vereinnahmte, und überall die berüchtigten Statuen mit den «Schlüsseln zu den Häusern, die sie verlassen haben» auftauchten. Das ist das Ethos der Tunesier und der Bürokraten in Ramallah, wo die PLO-Veteranen gelandet sind, nicht das der Bewohner von Nablus, Bethlehem und Hebron.

Vor einem Jahr besuchte ich Jenin und traf mich mit Mitgliedern des Tanzim-Basisablegers (Miliz) der Fatah. Ich war überrascht, dass sie einen Staat mit Israel wollen und dass sie nicht mehr an einen palästinensischen Staat glauben, für den sie ihr ganzes Leben lang gekämpft hatten. Der Grund: Sie glauben nicht an die «Tunesier», weil sie «Ausländer» sind, und die Menschen in Jenin wollen lieber mit Israel leben als mit «Ramallah».

Der Wunsch nach einem Staat ist in weiten Kreisen im Westjordanland zu hören. Der palästinensische Schriftsteller Hamada Jaber berichtete, dass «laut dem Palestinian Center for Policy and Survey Research die palästinensische Unterstützung für die Zweistaatenlösung von 55 Prozent im Jahr 2011 auf 39 Prozent im Jahr 2020 gesunken ist, obwohl sie von allen palästinensischen Parteien und Bewegungen unterstützt wird.» Jaber, der sich mit der palästinensischen Linken identifiziert, fuhr fort: «Wie tief die Krise der Hamas ist, zeigt sich daran, dass sie dem Projekt der Fatah-Bewegung zustimmt, das auf der Lösung eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 basiert, und das zu einer Zeit, in der viele Führer der Fatah-Bewegung selbst glauben, dass diese Lösung unmöglich geworden und längst tot ist.»

In der Vergangenheit war die Idee eines einzigen demokratischen Staates zusammen mit den Juden ein Trick, um Israel mit einer ausgeklügelten Formel auszulöschen. Aber heute ist Israel, soweit ich das aus Gesprächen vor Ort heraushöre, ein Vorbild angesichts der Enttäuschung über die zusammenbrechenden arabischen Länder. Wir sehen dieses Phänomen in Ost-Jerusalem, und ein anderer Aspekt davon ist die Stimmung unter den israelischen Arabern: «Wir wollen Israel nicht zerstören, sondern von ihm profitieren.»

Die palästinensische Elite gegen die «Tunesier»

Ein neues Beispiel für die Unterschiede zwischen «Tunesiern» und Einheimischen findet sich in einem Interview, das der ehemalige palästinensische Ministerpräsident Salam Fayyad kürzlich der Tageszeitung al-Quds gab. Er sprach ausführlich über die Bedürfnisse der Palästinenser in den Gebieten, aber er sagte kein Wort – oder nur ein halbes – über das «Recht auf Rückkehr» oder den «Kampf» – Slogans, die von den Tunesiern propagiert werden.

Das Erscheinen von Salam Fayyad auf der politischen Bühne ist bedeutsam. Er kündigte seine Kandidatur als Teil einer unabhängigen Liste an, nicht im Kontext der Fatah. In der Tat war er kein Fatah-Mitglied, selbst als er Premierminister war. Seine Versuche, in die Fatah zu kommen, scheiterten, weil die Tunesier nur Einheimische in den Dienst nahmen, die sich in die Fatah-Agenda einkauften. Sie sahen Fayyad als einen Aussenseiter, der von den Geberländern unter Druck gesetzt wurde, welche die PLO-Agenda nicht unterstützen wollten. Schliesslich warfen ihn die Tunesier raus.

Das Phänomen einer unabhängigen Liste ausserhalb der Fatah hat noch mehr Bedeutung: Es ist der Anfang vom Ende der Hegemonie der PLO im politischen Leben im Westjordanland. Ein schockierender Vorfall ereignete sich, als die Fatah den Neffen von Yasser Arafat, Dr. Nasser al Qudwa, den Leiter der Yasser Arafat Stiftung in Ramallah, ausschloss, der eine Liste ausserhalb der Fatah organisieren wollte. Zu den Kandidaten auf seiner Liste gehören prominente Persönlichkeiten aus der palästinensischen Gesellschaft, aber nicht aus der PLO.

Während Fayyad immer eine unabhängige Person war, deutet eine unabhängige Liste, die von al Qudwa angeführt wird, auf das Ende der Vormachtstellung der PLO hin.

Kürzlich erhielt ich ein Dokument der Fatah, in dem die Kriterien für die Kandidaten zur Teilnahme an den Wahlen aufgeführt sind. Was mir auffiel, war die Quote, die für «Einheimische» festgelegt wurde: mindestens ein Drittel, wobei die verbleibenden zwei Drittel «Vertreter der Geschichte des nationalen Kampfes» sein sollen, also Tunesier.

Natürlich repräsentieren die führenden Herausforderer von Mahmoud Abbas die internen Tanzim: Marwan Barghouti und Muhammad Dahlan. Jibril Rajoub, ein weiterer Vertreter der einheimischen Bevölkerung (der inzwischen für die Interessen Katars angeworben wurde), sagte kürzlich, dass das Kriterium für die Führung nach Mahmoud Abbas diejenigen sind, die in Gefängnissen gelitten haben. Mit anderen Worten: Wer auch immer Mahmoud Abbas ersetzt, kann nur aus den Reihen der lokalen Tanzim kommen – was das Ende der Herrschaft der Tunesier bedeutet.

Ob es eine Wahl geben wird oder nicht, der Geist ist aus der Flasche und der Wahlkampf wird nicht zwischen der Hamas, sondern innerhalb der Fatah stattfinden – mit oder ohne Wahlen.

Pinhas Inbari ist ein langjähriger Korrespondent für arabische Angelegenheiten, der früher für den israelischen Rundfunk und die Zeitung Al Hamishmar berichtete und derzeit als Analyst für das Jerusalem Center for Public Affairs tätig ist. Übersetzung Audiatur-Online.

1 Kommentar

  1. Hier in Deutschlad ist immer von der „gemäßigten Fatah“ die Rede.
    Das gehört auch zur Fake-News-Kampagne der hiesigen Relotius-Hetz-Verblödungsmedien. (Tagesschau, DLF, DLR, Stern, Spiegel, RTL; Funke-Mediengruppe, BILD etc. usw. usf.)

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