Die Reise von Energieminister Tarek al-Molla nach Israel am 21. Februar war die erste eines hochrangigen ägyptischen Regierungsvertreters seit 2016 und die erste eines Energieministers überhaupt. In den vorangegangenen fünfzehn Jahren hatte Kairo nur seine Aussen- und Geheimdienstminister offiziell zu solchen Besuchen entsandt. Neben Gesprächen mit seinem israelischen Amtskollegen Yuval Steinitz traf Molla auch mit Premierminister Binyamin Netanyahu und Aussenminister Gabi Ashkenazi zusammen.
von Simon Henderson
Doch der Moment, der wohl die wirkliche Bedeutung der Reise verdeutlichte, war Mollas kurzer Abstecher zu der von Chevron betriebenen Erdgasplattform sechs Meilen vor Israels Nordküste, wo die Lieferungen aus dem riesigen Leviathan-Gasfeld verarbeitet werden, bevor sie an Land gepumpt werden.
Ein Teil des israelischen Gases fliesst bereits durch eine Pipeline über die Sinai-Halbinsel nach Ägypten, aber diese Leitung ist ist gefährdet, durch Aufständische gesprengt zu werden. Eine neue Pipeline wurde während Mollas Besuch angekündigt, doch ihre genaue Route ist noch nicht festgelegt. Laut Plänen soll sie direkt über den Meeresboden des Mittelmeers verlaufen, was jedoch angesichts der Tiefe dieser Gewässer sehr teuer wäre.
Eine wahrscheinlichere Route würde mit einem erweiterten Gasleitungssystem beginnen, das in Nord-Süd-Richtung an Israels Küste verläuft, sowohl an Land als auch vor der Küste, und sich dann zu einer neuen, vergleichsweise billigen Leitung in den flacheren Gewässern vor der Küste des Sinai ausweiten. Das Ziel dieses Stroms von Leviathan wird eine oder beide ägyptische Flüssiggasanlagen im Nildelta sein. Einmal in Flüssigerdgas umgewandelt, kann das Gas auf Tanker verladen und in die ganze Welt exportiert werden.
Molla war diplomatisch genug, während des Abkommens mit Israel auch das Westjordanland zu besuchen, wo er eine Absichtserklärung mit palästinensischen Vertretern unterzeichnete, um bei der Entwicklung ihres Offshore-Gasfeldes im Gazastreifen und eines geplanten Kraftwerks in Jenin zu helfen. Die seit langem diskutierte Offshore-Initiative wurde durch die voraussichtlichen Kosten von 1 Milliarde Dollar und die Tatsache behindert, dass der Gazastreifen von der von den USA als terroristisch eingestuften Hamas und nicht von der Palästinensischen Autonomiebehörde kontrolliert wird. Obwohl die Hamas nicht in die tatsächliche Erschliessung des Feldes involviert sein muss, würde jede derartige Arbeit die Zustimmung der Gruppe erfordern, was angesichts ihres langjährigen Zerwürfnisses mit der PA unwahrscheinlich ist. Daher scheint die neue Absichtserklärung keine wirkliche Substanz zu haben.
In naher Zukunft wird sich die Stromversorgung des Gazastreifens wahrscheinlich durch ein neues, aber bisher nur provisorisches Abkommen verbessern, das den Kauf von Leviathan-Gas durch Katar und dessen Weiterleitung an das einzige Kraftwerk im Gazastreifen vorsieht, das derzeit mit Heizöl betrieben wird. Katar und die Europäische Union haben in den letzten Jahren viele Projekte für die Bewohner des Gazastreifens finanziert, und sie haben nun zugesagt, die Kosten für den Anschluss der Pipeline an das israelische Netz zu übernehmen (Doha hat 85 Millionen Dollar zugesagt, die EU 5 Millionen Dollar). Mohammad al-Emadi, der katarische Gesandte in Gaza, erwartet, dass das erste israelische Gas im Jahr 2024 fliessen könnte. Bis dahin versorgen Israel und Ägypten das Gebiet bereits mit Strom.
Diese Entwicklungen könnten ökologischen und diplomatischen Widerstand hervorrufen. Obwohl Erdgas Israels Abhängigkeit von der vergleichsweise schmutzigen Kohle drastisch reduziert, sorgen neue Projekte immer noch für innenpolitische Kontroversen, besonders jetzt, wo ein riesiger Ölteppich die gesamte Mittelmeerküste verschmutzt hat.
Der Ölteppich ist offenbar vorletzte Woche aus einem Tanker weit vor der Küste ausgelaufen, aber die Regierung hat jegliche Berichterstattung verboten, die den Verursacher identifizieren könnte. Auf regionaler diplomatischer Ebene reagiert Kairo empfindlich auf die Aussicht, dass die Vereinigten Arabischen Emirate über die israelische Pipeline von Eilat nach Ashdod Ölprodukte nach Europa exportieren könnten, was Ägyptens Einnahmen aus dem Suezkanal, der Sumed-Pipeline oder beidem schmälern würde. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind angesichts der andauernden regionalen Rivalität mit Katar ebenfalls misstrauisch gegenüber möglichen Geschäften.
In jedem Fall stellt Israel jetzt nationale Rekorde bei der Gasproduktion und beim Export auf. Trotz möglicher Rückschläge und der anhaltenden Herausforderung durch COVID-19 verfügt es über freie Kapazitäten und ist gut aufgestellt, um von der globalen wirtschaftlichen Erholung zu profitieren.
Simon Henderson ist Baker Fellow und Direktor des Bernstein Program on Gulf and Energy Policy am Washington Institute for Near East Policy, mit Spezialisierung auf Energiefragen und die konservativen arabischen Staaten des Persischen Golfs. Übersetzung Audiatur-Online.