Die Israel-Politik des Auswärtigen Amtes in Deutschland: Bloss nicht die Araber vergrämen! (2)

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Geiselnahme israelischer Sportler am Rande der Olympischen Spiele 1972 in München - Ein maskierter palästinensischer Terrorist der Gruppe Schwarzer September auf dem Balkon der israelischen Unterkünfte in der Connollystraße 31. Foto IMAGO / Sven Simon
Geiselnahme israelischer Sportler am Rande der Olympischen Spiele 1972 in München - Ein maskierter palästinensischer Terrorist der Gruppe Schwarzer September auf dem Balkon der israelischen Unterkünfte in der Connollystraße 31. Foto IMAGO / Sven Simon
Lesezeit: 14 Minuten

Ihrem Selbstbild nach war die Politik der deutschen Bundesregierung eine der „Nichteinmischung“. Für viele hochrangige Funktionäre im Auswärtigen Amt gehörte dazu, alles zu unterlassen, was Israel nützen könnte. So warnte Ministerialdirektor Horst Groepper 1969 davor, dem Staat Israel einen von diesem erbetenen Kredit in Höhe von 150 Millionen D-Mark zu gewähren, mit der Begründung:

„Unter politischen Gesichtspunkten sollten wir […] alles vermeiden, was den Eindruck hervorrufen könnte, als sei die Bundesrepublik Deutschland – wegen Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts an den Juden – auf die Dauer verpflichtet, einen Beitrag zur Existenzsicherung des Staates Israel zu leisten. Durch eine weitere Zahlung an Israel würde unsere Politik gegenüber den arabischen Staaten unglaubwürdig werden.“

Das Argument tauchte erneut auf, als ab 1973 bis Ende der 1970er Jahre über die sogenannte „Abschlussgeste“ diskutiert wurde. Damit war die Einrichtung einer Stiftung für Opfer des Nationalsozialismus gemeint, an der die Bundesregierung sich mit einem Betrag von jährlich etwa 100 Millionen DM für fünf bis zehn Jahre beteiligen wollte. Aussenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) warnte:

„Die Schaffung eines weiteren Fonds über die umfangreichen laufenden Beiträge hinaus könnte die Wiedergutmachungsproblematik in den arabischen Staaten jedoch ins Gespräch bringen und zu kritischen Fragen Anlass geben.“

Der jordanische Botschafter drohte, „als guter Freund der Bundesrepublik“ müsse er „auf die schwerwiegenden psychologischen Konsequenzen“ hinweisen, „die bei einer Errichtung dieses Fonds, der überwiegend Israel zugute käme, entständen“. Er könne nur „dringend vor den Auswirkungen auf die deutsch-arabischen Beziehungen warnen“. Solcher Drohungen hätte es wohl nicht bedurft: Die Politik der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den arabischen Staaten war die eines ängstlich vorauseilenden Gehorsams.

Die Terrororganisation PLO veröffentlichte im Februar 1975 eine Erklärung, in der sie schrieb, die Zahlungen seien eine „Aggression gegen das palästinensische Volk und insbesondere gegen die PLO“. Jassir Arafat drohte Deutschland kaum verhohlen mit Terroranschlägen: 

„Der feindselige deutsche Standpunkt hat die PLO dazu bewogen, ausführlich geeignete Massnahmen zu studieren, um die palästinensischen Interessen zu schützen.“

Die PLO unterstützt die RAF

Arafat liess seinen Drohungen Taten folgen. Wie wir wissen, unterstützte er in den folgenden Jahren die RAF und andere Linksterroristen dabei, Terroranschläge auf deutschem Boden zu verüben. Der Linksextremist Dieter Kunzelmann brüstete sich im Oktober 1969, er habe bei der Fatah in Jordanien „genau gelernt, wie man Zeitbomben herstellt“. Am 9. November 1969 – dem 31. Jahrestag der Reichspogromnacht – versuchten die linksextremen „Tupamaros West-Berlin“, mit einer Zeitbombe das Jüdische Gemeindehaus in die Luft zu sprengen. „Ohne die Unterstützung der Palästinenser wäre die RAF von Mitte der siebziger Jahre bis Anfang der achtziger Jahre nicht mehr oder sehr uneingeschränkt aktionsfähig gewesen“, sagte der frühere RAF-Terrorist Peter-Jürgen Boock 2002 dem Spiegel. Die zur PLO gehörende PLFP unterstützte deutsche Linksterroristen der Revolutionären Zellen (RZ) und der RAF bei der Entführung eines Air-France-Flugzeugs nach Entebbe (Uganda) 1976 und der Lufthansa-Maschine „Landshut“ nach Mogadischu im Jahr 1977. RAF-Terroristen, die an der Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer im Herbst 1977 beteiligt waren, bot sie ein Versteck in der Zentrale der PFLP in Bagdad. Dort trafen sie, wie der Spiegel 2002 berichtete, mit dem Führer der PFLP, Wadi Haddad, zusammen, der den RAF-Mitgliedern weitere Unterstützung anbot. „Seine Leute könnten die deutsche Botschaft in Kuwait besetzen oder eine Lufthansa-Maschine entführen.“

Am 6. Juni 1970 flüchteten 10 RAF-Mitglieder über Beirut zur Kampfausbildung nach Jordanien. Reisequittung im Haus der Geschichte in Bonn. Foto Reisebüro Berlin, Copyrighted free use, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=47979527

Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) gelobte, was Deutschland betrifft, ein hartes Vorgehen gegen den Terrorismus, setzte aber verhaftete arabische Terroristen schnell wieder auf freien Fuss. Das begann mit dem von der PFLP am 10. Februar 1970 mit Handgranaten verübten Anschlag auf einen Flughafenbus in München-Riem, bei dem der Israeli Arie Katzenstein getötet und zwölf Menschen schwer verletzt wurden. Ziel des Anschlags war es, ein El-Al-Flugzeug zu entführen; es scheiterte daran, dass sich der 44-jährige israelische Pilot Uriel Cohen trotz vorgehaltener Waffe weigerte, zu kooperieren. Die drei Terroristen wurden verhaftet. Nur drei Tage später verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf das Altenheim der Israelitischen Kultusgemeinde in München, bei dem sieben jüdische Bewohner ermordet wurden. Die Tat wurde nie aufgeklärt, als wahrscheinlich kann gelten, dass sie von den gleichen deutschen Linksterroristen („Tupamaros“) im Auftrag der PLO verübt wurde, die drei Monate zuvor den Anschlag auf das Jüdische Gemeindehaus in West-Berlin versucht hatten. Um die Verschwörung von deutschen und arabischen Terroristen nicht aufdecken zu müssen, wurde damals das Gerücht verbreitet, Neonazis hätten die Tat verübt.

Obwohl die drei PFLP-Terroristen von München-Riem gefasst wurden und vor Gericht ihre Tat gestanden, wurden sie ungestraft aus der Bundesrepublik abgeschoben. Den Hintergrund erfährt man in Leemhuis‘ Buch: Die PLO hatte dem deutschen Botschafter in Jordanien gedroht. Kurz nach der Festnahme der Terroristen hatte sich ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Amman mit Issam Sartawi getroffen, einem hochrangigen PLO-Funktionär und Arafats „Berater“ in Europa und Nordamerika. Der deutsche Botschafter Hille teilte dem Auswärtigen Amt in Bonn am 24. Februar 1970 mit:

„Seine Drohungen gegen deutsche Staatsbürger oder Einrichtungen ‚irgendwo auf der Welt‘, irgendetwas zu unternehmen, um angebliche ‚Misshandlungen‘ der verhafteten Attentäter zu beenden, will Sartawi zunächst nicht wahrmachen, da er den ihm von dem Mitarbeiter gegebenen Versicherungen glaube.“

Dank für die Verschonung: Bonn drückt beim PLO-Terror beide Augen zu

Da die PLO jedoch „eine Untergrundorganisation ohne straffen Befehlsweg“ sei, könne er „bei bestem Willen nicht garantieren, dass einzelne seiner Mitglieder nicht entgegen seiner Anordnung handeln“. Die deutsche Botschaft reagierte auf die Androhung von Gewalt gegen Deutsche mit Zusagen über eine den Terroristen genehme Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und anderen deutschen Medien:

„Mitarbeiter sagte ihm zu, sich dafür einzusetzen, dass deutsche Massenmedien Attentat und Täterschaft seiner Organisation nicht zu unsachlichen Berichten und Verdächtigungen gegen Araber und Palästinenser benutzen.“

Der PLO-Terrorist und Erpresser der Bundesrepublik Deutschland zeigte sich zufrieden:

„Er deutete Bereitschaft an, Attentate auf deutschem Boden und auf deutsche Einrichtungen in Zukunft nicht mehr durchzuführen, falls seine drei Mitglieder bald freigelassen werden.“

Dafür setzte sich auch der deutsche Botschafter in Amman, Hans-Joachim Hille, ein. In einem Schreiben an die Bonner Zentrale äusserte er:

„Vielleicht könnten wir als Gegenleistung von Sartawi eine Zusage erhalten, weitere Gewalttaten in der Bundesrepublik und gegen deutsche Staatsangehörige zu unterlassen. Sollte eine solche Zusage erreichbar sein, so wäre sie zwar […] nicht absolut zuverlässig, sie wäre aber doch wohl als praktischer Erfolg zu buchen.“

Im Juli 1970 traf Hille den Fatah-Top-Terroristen Ali Hassan Salameh, den späteren Drahtzieher des Olympiamassakers von München, der sich ihm mit seinem Kriegsnamen Abu Hassan vorstellte. Hille versuchte ihn davon zu überzeugen, dass die deutsche Bundesregierung kein Freund der Juden sei:

„Ich wollte nur darauf hinweisen, dass deutsche Waffenlieferungen an Israel ein für allemal beendet seien und dass sich die Bundesregierung – vor allem Bundeskanzler Brandt – konsequent um Neutralität im Nahostkonflikt bemühe. Diese Politik habe in Israel keineswegs Begeisterung ausgelöst. Darüber hinaus bemühe sich die Bundesregierung, den Palästinensern zu zeigen, dass sie an einem guten Verhältnis interessiert sei. […] Schliesslich hätten wir aus einem 50-Millionen-D-Mark-Fonds zugunsten palästinensischer Flüchtlinge die gesamten winterfesten Unterkünfte im Lager Baaqa errichtet.“

Leemhuis kommentiert:

„Es ist wohl eine Ironie der Geschichte, dass sich in dem erwähnten Lager zur gleichen Zeit Mitglieder der kurz zuvor gegründeten Roten Armee Fraktion (RAF) aufhielten und dort von palästinensischen Terroristen eine Ausbildung im Umgang mit Waffen und Sprengstoff erhielten.“

„Dialog wichtiger als strafrechtliche Verfolgung“

Hille sagte dem Terroristen, dass die Bundesrepublik mit ihm in Kontakt bleiben wolle. Hille war dafür zu grossen Geschenken an die PLO bereit. Zum einen setzte er sich persönlich für die Freilassung des in Bayern inhaftierten Mohammed el-Hanafi ein, einem der drei Täter des tödlichen Terroranschlags auf dem Flughafen München-Riem. Ein Mitarbeiter des Roten Halbmonds habe Hille darüber informiert, dass Hanafi an Depressionen leide, schrieb Hille an die Zentrale:

„Wenn Hanafi in deutscher Haft sterbe, so werde in arabischer Welt Überzeugung Platz greifen, er sei gefoltert worden. Auswirkungen auf politische Stellung der Bundesrepublik in arabischer Welt würden schwerwiegend sein.“

Zudem sprach sich Hille am 6. Juli 1970 dagegen aus, bei der jordanischen Regierung einen Auslieferungsantrag für die RAF-Terroristen Andreas Baader und Gudrun Ensslin zu stellen, die in einem „Flüchtlingslager“ in Jordanien eine militärische Ausbildung absolvierten:

„Die Übermittlung des Ersuchens wäre aber auch gefährlich für die Aussenpolitik der Bundesregierung. […] In allen jordanischen Ministerien und Dienststellen sitzen Mitglieder oder Sympathisanten der bewaffneten Widerstandsorganisationen. Das Bekanntwerden unseres Ersuchens würde hiesige öffentliche Meinung je nach eigener Tendenz die Überzeugung vermitteln, dass wir […] einen feindseligen Akt gegen die palästinensische Widerstandsorganisation begehen wollen.“

Die arabischen Mörder von Arie Katzenstein also wollte Botschafter Hille aus deutscher Haft befreien, die deutschen Terroristen Baaser und Ensslin wollte er gar nicht erst verfolgen lassen, weil das die PLO brüskieren würde, deren Gäste sie waren. „Der Dialog mit den Terroristen wurde von dem Diplomaten somit als relevanter erachtet als ihre strafrechtlichte Verfolgung“, resümiert Leemhuis. 

Gnade für Hijacker, Druck auf Israel

Leemhuis schreibt, dass das Auswärtige Amt noch im Sommer 1970 der Forderung nach einer Freilassung der Terroristen von München-Riem „reserviert“ gegenübergestanden habe. Das änderte sich im September, als die PFLP fünf Passagierflugzeuge entführte. (Unter den Entführern war Leila Khaled, die in den letzten Jahren immer wieder durch Europa tingelte und Werbung für einen Anti-Israel-Boykott machte, u.a. 2017 bei einer Veranstaltung im Gebäude des Europäischen Parlaments.) Da liess die deutsche Bundesregierung nicht nur umgehend alle in Deutschland inhaftierten arabischen Terroristen frei, sondern übte sogar Druck auf Israel aus, Gleiches zu tun. Leemhuis zitiert aus den Memoiren des israelischen Diplomaten Gideon Rafael, der schreibt:

„Lange nach Mitternacht meldeten sich einige der in Israel akkreditierten Botschafter anderer Länder, nachdem sie nächtliche Instruktionen aus ihren Hauptstädten erhalten hatten. Das Hauptziel ihrer Mitteilungen war es, Israel dazu zu drängen, eine Anzahl von verhafteten Terroristen zusätzlich zu denen freizulassen, deren Entlassung ihre Regierungen zugesagt hatten.“

Auch die Bundesrepublik übte Druck auf den jüdischen Staat aus, wie aus einer Gesprächsaufzeichnung von Botschaftsrat I. Klasse Jung (London) deutlich wird, die Leemhuis zitiert. Jung hatte am 11. September einen Vertreter des Jüdischen Weltkongresses in London getroffen. „Wohl in der Hoffnung“ wie Leemhuis schreibt, „dass diese Ausführungen die Regierung in Jerusalem erreichen“, liess Jung seinen Gesprächspartner Folgendes wissen:

„Ich habe Herrn Roth aber auch darauf hingewiesen, dass das solidarische Vorgehen aller betroffenen Regierungen gebiete, dass alle Regierungen einen Beitrag zu einer gemeinschaftlichen Lösung leisteten. Als persönliche Meinung habe ich erklärt, dass die Verhandlungen des Internationalen Roten Kreuzes dann in Schwierigkeiten kommen müssten, wenn die Entführer weiterhin die Freigabe von arabischen Häftlingen in Israel verlangten, die israelische Regierung aber weiterhin eine Freigabe a limine ablehne.“

Vertreter des Auswärtigen Amtes drängten die israelische Regierung, Mörder freizulassen und nannten das „solidarisch“. Wie wir wissen, hat die Bundesrepublik auch die verhafteten Terroristen des Olympia-Massakers schnellstmöglich wieder auf freien Fuss gesetzt. Am 5. September wurde das Massaker verübt, schon am 29. Oktober waren die drei überlebenden Terroristen wieder frei, nachdem andere Terroristen ein fast leeres Passagierflugzeug der Lufthansa gekapert und die Bundesregierung „erpresst“ hatten. Das Auswärtige Amt und die deutsche Bundesregierung waren froh, einen Vorwand zu haben, die Terroristen ausreisen zu lassen. 

Wegen Steuerhinterziehung oder Buchfälschung kann man in der Bundesrepublik wesentlich länger hinter Gitter kommen als wegen Massenmordes – jedenfalls, wenn man für die PLO arbeitet.

1972: Bundesregierung finanziert das Olympia-Massaker

An dieser Stelle wollen wir eine wichtige Information einflechten, die nicht in dem Buch steht, die aber 1972 schon jeder Zeitungsleser haben konnte, weil die Bundesregierung sie damals in einer Pressekonferenz verkündete: dass die Bundesregierung für Terroranschläge bezahlt hat. Im Februar 1972 nämlich war die Lufthansamaschine „Baden-Württemberg“ auf dem Weg von Bombay nach Frankfurt von arabischen Terroristen unter Wadi Haddad von der zu Arafats PLO gehörenden Terrororganisation PLFP in den Jemen entführt worden, was die damals regierende sozial-liberale Bundesregierung veranlasste, den Tätern die seinerzeit exorbitante Summe von 15,5 Millionen D-Mark in die libanesische Wüste bringen zu lassen. Bundesverkehrsminister Georg Leber (SPD) redete öffentlich über dieses Mäzenatentum. Der „Spiegel“ schrieb:

Forsch setzte sich der Strassenbauer [Georg Leber; S.F] über kriminologische Weisheiten hinweg. Mit seinem Enthüllungssolo verstiess er gegen den Grundsatz, Lösegeldzahlungen möglichst diskret zu behandeln, um neue Erpresser nicht zur Nachahmung zu animieren. Mehr noch, der Minister lieferte mit seiner Schilderung eine minutiöse Gebrauchsanweisung, wie aus einem Lufthansa-Ticket fünf Millionen Dollar zu machen sind. … Vor der Presse produzierte sich der biedere Hesse als Retter der „Baden-Württemberg“, der auch die Selbstverständlichkeit nicht zu erwähnen vergass, dass ihm Menschenleben mehr wert seien als „schnöder Mammon“.

Man muss sich vor Augen halten, dass die deutsche Bundesregierung damals nicht – was schlimm genug gewesen wäre – einem kleinen Erpresser nachgab, der das Geld hätte benutzen wollen, um ein Luxusleben auf Hawaii zu führen; sondern es wurde fanatischen Terroristen übergeben, die bereits eine lange Liste von Bluttaten vorzuweisen hatten und fest entschlossen waren, niemals mit dem Morden aufzuhören. Es war klar, dass das Geld dazu genutzt werden würde, noch grössere Verbrechen möglich zu machen. In einem Buch über den Schweizer Bankier, Nazi- und Terrorfinanzier François Genoud resümiert der deutsche Publizist Willi Winkler:

Das… erpresste Geld fand vielfache Verwendung. Eine Million ging für die genossenschaftliche Abwicklung der Entführung in den Jemen. Ein Teil wurde wie zum Hohn gewinnbringend in der Schweiz angelegt. Ob der Waisenfonds der PFLP, dem das Geld angeblich zufallen sollte, es auch erhalten hat, wird man bezweifeln dürfen. Da waren nämlich noch einige laufende Projekte, die finanziert sein wollten.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland protestierte bei der Bundesregierung gegen deren Mäzenatentum zugunsten von Terroristen. Winkler zitiert einen Brief, den der Zentralrat am 31. Oktober 1972 an Bundeskanzler Willy Brandt sandte:

„Die Bezahlung eines Lösegelds von fünf Millionen Dollar für die Freigabe einer Lufthansamaschine in diesem Jahr hat zur Finanzierung des Verbrechens von München und Fürstenfeldbruck [dem Olympia-Massaker; S.F.] und damit zu einem schweren Schaden für die Bundesrepublik geführt.“

Das deutsche Geld versetzte die PFLP darüber hinaus in die Lage, einen Teil ihrer Terroraktivitäten outsourcen zu können. Kurz vor Beginn der Olympischen Spiele in München, am 30. Mai 1972, verübten mit Kalaschnikows bewaffnete Mitglieder der Japanischen Roten Armee auf Geheiss der PFLP das Massaker am Flughafen Lod/Tel Aviv; 26 Menschen wurden ermordet, 80 verletzt (dem überlebenden Mörder Kozo Okamoto sandte die Fatah noch 2016 „tausend Grüsse“ und nannte ihn den „Helden der Lod-Airport-Operation“). Die Täter waren bezahlte Killer, und woher das Geld kam, war so offensichtlich, dass es schon Tage später im „Spiegel“ stand: 

„Die Kosten des Unternehmens übernahm die PFLP. Vor wenigen Monaten noch als bankrott verschrien, hatte sie die 40.000 Mark für die Japaner schnell bei der Hand. Eingeweihte in Beirut tippen, die PFLP-Leute hätten ihre Kasse mit Millionen aus dem Lösegeld für den im Februar nach Aden entführten Lufthansa-Jumbo aufgefüllt.“

Bundesregierung lässt Olympia-Terroristen laufen

Einer der Drahtzieher des Olympiamassakers war Abu Daoud. Er wurde 1977 in Paris festgenommen, weil ein Haftbefehl der Staatsanwaltschaft München gegen ihn vorlag. Nach der Festnahme drängte der israelische Botschafter die deutschen Behörden, so schnell wie möglich einen Auslieferungsantrag zu stellen – diese hatten daran aber kein Interesse. Wie Leemhuis schreibt, äusserte Ministerialdirigent Fleischhauer gegenüber Staatssekretär Gehlhoff, dass doch Israel einen Auslieferungsantrag stellen solle:

„Auf diese Weise käme die Bundesregierung möglicherweise darum herum, ihrerseits ein Auslieferungsersuchen stellen zu müssen oder jedenfalls Abu Daoud überstellt zu bekommen.“

Da Deutschland nicht sofort die Auslieferung verlangte, setzten die französischen Behörden ihn nach wenigen Tagen auf freien Fuss und gaben ihm ein Ticket erster Klasse für einen Flug nach Algier, den er sogleich antrat. Der ägyptische Botschafter in Deutschland, Kaamel, traf kurz darauf Staatssekretär Gehlhoff und lobte das deutsche Handeln:

„Die Affäre Abu Daoud sei geeignet gewesen, die derzeit laufenden Bemühungen um eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts in ausserordentlich gefährlicher Weise zu stören. […] Eine weitere Inhaftierung und Verurteilung von Abu Daoud hätte […] die deutsch-arabischen Beziehungen empfindlich gestört sowie die Atmosphäre für eine friedliche Lösung vergiftet.“

Die Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und den Mördern der PLO ging weiter. Wie Leemhuis schreibt, trafen zwei Mitarbeiter des Bundeskanzleramts – Hans-Jürgen Wischnewski und Peter Kiewitt – am 24. November 1977 in Wien mit Ali Hassan Salameh und Issam Sartawi zusammen. Sartawi war an dem Anschlag von München-Riem beteiligt gewesen, Salameh war ein weiterer Drahtzieher des Olympia-Massakers. „Gegenstand des Gesprächs“, so Leemhuis, „war die Vertiefung der Kooperation zwischen der Bundesrepublik und der PLO.“ In einem Protokoll des Auswärtigen Amtes heisst es:

„Die PLO [würde] ihre bisherige Politik ändern und sich anstelle einer Distanzierung von terroristischen Aktionen auf der Grundlage ihrer intimen Kenntnisse – insbesondere auch der europäischen Terroristenszene – aktiv an der Bekämpfung des Terrorismus beteiligen.“

Sympathie der Diplomaten für Arafat und die Palästinenser

Die Bundesregierung sollte also den Bock zum Gärtner machen. Die beiden Terroristen machten klar, dass die PLO weder aufhören würde, Israelis zu ermorden noch RAF-Terroristen auszuliefern. Die PLO verlangte, dass die Bundesregierung Jassir Arafat und die PLO politisch unterstützen solle. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung würde sich mit dem Terror gegen Israel einverstanden erklären und die PLO dabei sogar unterstützen, bekäme aber im Gegenzug nichts. Mit so einem Ansinnen waren sie bei der Bundesregierung genau an der richtigen Adresse.

Bei sehr vielen der von Leemhuis zitierten Akten aus dem Auswärtigen Amt merkt man, wie sich die deutschen Diplomaten geradezu mit den PLO-Terroristen identifizieren: Etwa, wenn einer von ihnen sagt, dass Deutsche und Palästinenser ja „beide“ die Erfahrung des „Flüchtlings“-Daseins gemacht hätten; oder wenn die PLO als „Befreiungsorganisation“ oder gar als „Widerstand“ bezeichnet wird. Ministerialdirigent Jesser schreibt 1975:

„Der Vorwurf des Terrorismus gegen die PLO führt nicht weiter.“ 

Es werde aus ihr 

„über kurz oder lang eine palästinensische Exilregierung und aus dieser die etablierte Regierung eines arabischen Teils Palästinas erwachsen. Alle Befreiungsorganisationen in der Dritten Welt sind diesen Weg gegangen.“

Befreiungsorganisationen! Das war, wohlgemerkt, wenige Monate, nachdem die zur PLO gehörende DFLP in einer Schule im nordisraelischen Ma’alot 1974 über hundert Schüler und Lehrer als Geiseln genommen und 31 Menschen, darunter 21 Schüler, ermordet hatte. Dieser Terrorismus hat sich für die PLO ausgezahlt, weil es – wie Leemhuis‘ Buch zeigt –  im Auswärtigen Amt wie auch in anderen Aussenministerien in Westeuropa viele gab, die mit den Terroristen sympathisierten und nur zu bereitwillig waren, sie zu unterstützen. Leemhuis‘ Buch ist so wichtig, weil es zu der Geschichte dieser Kollaboration, die damals schon anhand von öffentlichen Quellen studiert werden konnte, jene Dokumente aus dem Auswärtigen Amt liefert, die den schrecklichsten Verdacht bestätigen.

Den ersten Teil dieses Beitrages finden Sie hier. Zuerst erschienen am 11. Februar 2021 auf Die Achse des Guten.

Remko Leemhuis: „Ich muss deshalb von jeder zusätzlichen Aktion für Israel abraten.“ Das Auswärtige Amt und Israel zwischen 1967 und 1979. LIT Verlag, 474 Seiten, 44,90

Über Stefan Frank

Stefan Frank ist freischaffender Publizist und lebt an der deutschen Nordseeküste. Er schreibt regelmässig über Antisemitismus und andere gesellschaftspolitische Themen, u.a. für die „Achse des Guten“, „Factum“, das Gatestone Institute, die „Jüdische Rundschau“ und „Lizas Welt“. Zwischen 2007 und 2012 veröffentlichte er drei Bücher über die Finanz- und Schuldenkrise, zuletzt "Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos."

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