Die Einheit 910 der Hisbollah, die External Security Organization (ESO), fungiert als strategischer Arm der Hisbollah und des Iran. Ihr Zweck ist es, als Abschreckung gegen den Westen und insbesondere gegen Israel zu dienen.
von Danny Citrinowicz
Die Einheit besteht aus einer kleinen Gruppe von Agenten (hauptsächlich libanesische Schiiten, deren Familien nicht aus dem Libanon stammen), von denen einige authentische ausländische Ausweispapiere besitzen, die es ihnen ermöglichen, unter dem Deckmantel von Touristen oder Geschäftsleuten durch die Welt zu reisen.
Die Einheit 910 verfügt nachweislich über eine terroristische Infrastruktur an verschiedenen Schauplätzen auf der ganzen Welt und hat Terroranschläge gegen israelische, amerikanische und jüdische Ziele verübt bzw. beabsichtigt, diese durchzuführen. Angesichts der Infrastruktur, die sie in verschiedenen Ländern auf der ganzen Welt aufgebaut hat, scheint die Hisbollah in der Lage zu sein, fast überall auf der Welt Terroranschläge durchzuführen, und die Verankerung der Organisation ist auf vielen Kontinenten offensichtlich, wo terroristische Aktivitäten oder Komplotte der Hisbollah aufgedeckt wurden.
In den letzten Jahren haben die Einheiten jedoch zahlreiche Misserfolge erlitten. Weltweit wurden mehrere Agenten verhaftet, nachdem der staatliche Geheimdienst ihre Verbindung zur Hisbollah aufgedeckt und den operativen Mechanismus der Einheit offengelegt hatte. Diese Enthüllungen zeigen die einzigartige Arbeitsweise der 910-Zellen und -Agenten: von Tarnmanövern über Methoden der Kommunikation und des Transfers von operativem Material bis hin zur Verwendung falscher Identitäten.
Aktivitäten in Europa
Die Einheit 910 war in der Lage, zahlreiche Anschläge in ganz Europa zu verüben – hauptsächlich auf jüdische und israelische Ziele -, weil die Gruppe über eine gut etablierte Infrastruktur und hochentwickelte Ressourcen in Europa verfügt. Es wird geschätzt, dass die Hisbollah allein in Deutschland über 1.000 Agenten hat, die im Dienste ihrer organisatorischen Interessen stehen.
Um ihre Aktivitäten zu erleichtern, knüpft die Einheit Verbindungen zu Protagonisten, die die Hisbollah unterstützen und sich dauerhaft im Ausland aufhalten, und nutzt diese Agenten für logistische und operative Zwecke. Die meisten dieser lokalen Vermittler stammen aus libanesischen Familien, die vor Jahren aus dem Libanon ausgewandert sind, während andere Einheimische sind, die zum Islam oder zum schiitischen Islam konvertiert und bereit sind, zum «Freiheitskampf» beizutragen, während sie die Risiken in Kauf nehmen, die mit der Unterstützung einer terroristischen Organisation einhergehen.
Viele Agenten der Einheit 910 nutzen ihre doppelte Staatsbürgerschaft, um die Welt zu bereisen und im Namen der Einheit zu agieren. Mohamad Hassan El-Husseini – der Hisbollah-Selbstmordattentäter, der im Juli 2012 Sprengstoff in einem Bus mit israelischen Touristen in Burgas, Bulgarien, zündete und so sechs Menschen tötete – besass die doppelte libanesisch-französische Staatsbürgerschaft. Auch Hussein Bassam Abdallah – der Hisbollah-Aktivist, der in Zypern mit 8,2 Tonnen Ammoniumnitrat in seinem Haus verhaftet wurde – hatte die libanesisch-kanadische Staatsbürgerschaft.
Angesichts der jüngsten Misserfolge und Enthüllungen der Einheit 910 ist es möglich, dass die Hisbollah und der Iran versuchen werden, «das Rad neu zu erfinden» und nach anderen Operationsmethoden zu suchen, die es ihnen erlauben würden, in Europa und an anderen Orten frei zu operieren. Die naheliegendsten Kandidaten, die den derzeitigen Mechanismus unterstützen oder ersetzen könnten, sind Absolventen der Al-Mustafa-Universität.
Warum Al-Mustafa?
Die Al-Mustafa-Universität wurde 2007 von Irans derzeitigem Obersten Führer, Grossayatollah Ali Khamenei, gegründet, der ihre Aktivitäten leitet und die höchste Autorität der Schule ist. Im Jahr 2016 hat der Iran 74 Millionen Dollar für Al-Mustafa bereitgestellt. Neben der staatlichen Finanzierung erhält die Universität Geld von Khamaneis persönlichem Büro und einem Netzwerk von Geschäfts- und Wohltätigkeitsorganisationen. Der derzeitige Präsident von Al-Mustafa, Ayatollah Ali Abbasi, ist ein Hardliner aus dem inneren Kreis von Khamenei, der immer wieder zum bewaffneten Kampf mit Israel aufruft.
Die Al-Mustafa-Universität bildet Kleriker auf der ganzen Welt aus, um den «Khomenismus» in ihren Heimatländern zu verbreiten. Die Universität rühmt sich einer Präsenz in über 30 afrikanischen Ländern und behauptet, 5.000 afrikanische Studenten in ihren verschiedenen Programmen auf dem Kontinent immatrikuliert zu haben, darunter 2.000, die im Iran studieren und mehrmals im Jahr zu Missionszwecken nach Hause zurückkehren.
Al-Mustafa betreibt auch mehrere Niederlassungen in europäischen Ländern, vor allem das Islamic College of London. Absolventen von Al-Mustafa, wie der italienische Geistliche Abbas DiPalma, haben in ihren Heimatländern iranische Kulturzentren wie das Imam Mahdi Center in Rom gegründet. Al-Mustafa hat auch libanesische Geistliche als Missionare nach Lateinamerika entsandt, wo sie versuchen, bei den ausländischen Gemeinden Fuss zu fassen und unter der lokalen Bevölkerung zu missionieren.
Darüber hinaus gibt es Berichte über Al-Mustafa-Studenten – insbesondere aus Afghanistan und Pakistan – die sich den vom Iran unterstützten Milizen anschliessen, die in Syrien kämpfen, um das Regime von Bashar Al-Assad zu stützen. Die Universität bietet den Studenten grosszügige Stipendien an, die sie ermutigen sollen, im Iran oder in einer der Dutzenden weltweiten Niederlassungen der Universität zu studieren – hauptsächlich in Afrika, Südamerika, Asien und Europa. Online-Kurse für diejenigen, die nicht physisch teilnehmen können, werden ebenfalls angeboten.
Aufgrund ihrer Loyalität gegenüber dem Iran (aufgrund des Indoktrinationsprozesses, den sie an der Universität durchlaufen) werden diese Absolventen zunehmend für die Aufnahme in operative Einheiten der Hisbollah in Betracht gezogen. Viele dieser Absolventen haben auch Kampferfahrung in Syrien und im Irak, was ihre Attraktivität noch erhöht.
Die US-Regierung sanktionierte kürzlich die Universität und beschuldigte sie, «eine Rekrutierungsplattform der IRGC-QF (Quds-Einheit, Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden, Anm.d.Red) für nachrichtendienstliche Spionage und Operationen zu sein, einschliesslich der Rekrutierung für IRGC-QF-geführte ausländische Milizen, die im Auftrag des Regimes von Bashar Al-Assad in Syrien kämpfen.»
Das US-Finanzministerium beschuldigte die Quds Force, die Al-Mustafa International University als „Tarnung“ benutzt zu haben, um Afghanen für die auf der schwarzen Liste stehende Fatemiyoun-Brigade zu rekrutieren – eine pro-iranische Miliz, die in Syrien gekämpft hat. Darüber hinaus soll die Quds Force auch den Al-Mustafa-Campus in Qom «als Rekrutierungsbasis» für pakistanische Studenten genutzt haben, um sich der auf der schwarzen Liste stehenden Zainabiyoun-Brigade anzuschliessen – einer Miliz, die aus pakistanischen Schiiten besteht.
Angesichts der zunehmenden Schwierigkeit des Irans und der Hisbollah, überall auf der Welt Terrorzellen aufzubauen, wird es immer wahrscheinlicher, dass diese Absolventen ein Ziel für die Rekrutierung durch den Iran und die Hisbollah werden.
Ähnlich dem Modell des Islamischen Staates (IS), bei dem europäische Bürger, die von extremistischen Klerikern indoktriniert wurden, zum Kampf im Irak und in Syrien gelockt wurden, können der Iran und die Hisbollah diese «gehirngewaschenen» Hochschulabsolventen leicht rekrutieren – insbesondere diejenigen, die Universitäten im Iran, Irak und Syrien besucht und Kampferfahrung gesammelt haben – und sie zurück nach Europa schicken, um Teil der Infrastruktur der Einheit 910 zu werden.
Abgesehen von diesen Voraussetzungen haben diese Absolventen mehrere zusätzliche Vorteile. Erstens kennen sie die Kultur und Sprache ihrer Heimatländer, was ihnen hilft, sich zu integrieren. Zweitens haben sie eine legale Identität und einen Reisepass, der ihnen Bewegungsfreiheit gibt. Drittens haben sie Verwandte und Freunde, die sie bei ihren Aktivitäten unterstützen können. Und schliesslich haben sie ideologische und finanzielle Unterstützung von engagierten religiösen Zentren in ihren Heimatländern, von denen bekannt ist, dass sie Verbindungen zu Hisbollah-Elementen im Libanon und anderen Orten haben.
Schlussfolgerung
Um den Einsatz dieser Absolventen durch operative Einheiten der Hisbollah und des Irans aufzudecken, ist es zwingend notwendig:
- Die Überwachung von Studenten, die in Qom studiert haben, nach ihrer Rückkehr aus dem Studium zu verstärken.
- Verstärkte Überwachung von schiitischen Flüchtlingen, die Absolventen der Al-Mustafa-Universität sind (vor allem, wenn sie Kampferfahrung in Syrien oder im Irak haben) und in Europa leben wollen.
- Verstärkte Überwachung der lokalen Al-Mustafa-Zweigstellen auf dem ganzen Kontinent, um Aufwiegelung zu verhindern, die zur Rekrutierung möglicher Agenten in den betreffenden Ländern genutzt wird.
- Analyse jeglicher Kommunikation der Universität mit ihren Anhängern in Europa, um Versuche zu überwachen, Mitglieder für die Hisbollah zu rekrutieren.
Danny Citrinowicz ist Senior Research Fellow am Abba-Eban-Institut für internationale Diplomatie in Israel. Auf Englisch zuerst erschienen bei European Eye on Radicalization. Übersetzung Audiatur Online.