Neue Linkspartei-Vorsitzende, alter Anti-Israel-Aktivismus?

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Symbolbild. Demonstranten der Partei Die Linke. Foto imago images / IPON
Symbolbild. Demonstranten der Partei Die Linke. Foto imago images / IPON
Lesezeit: 11 Minuten

Auch wenn der ursprünglich für Ende Oktober 2020 anberaumte Parteitag der deutschen Linkspartei aufgrund der Corona-Lage auf den Februar 2021 verschoben worden ist, gibt es für den Bundesvorsitz der Partei aktuell immer noch zwei ernstzunehmende Kandidatinnen, die der Spiegel jüngst sogar als die „designierten Parteivorsitzenden“ bezeichnete.

Dabei handelt es sich um Janine Wissler, Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im hessischen Landtag, und Susanne Hennig-Wellsow, Landesvorsitzende der thüringischen Linkspartei sowie deren Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag. Jedoch entzündet sich an diesen beiden Personen bereits erste Kritik.

Wissler war Mitglied in der trotzkistischen Organisation Marx21, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „extremistische Struktur“ in der Linkspartei beobachtet wird. Beachtenswert ist hierbei, dass Wissler erst im Zuge ihrer Kandidatur auf die Kritik an ihrer Marx21-Mitgliedschaft reagierte und diese dann beendete, wie es der Spiegel schreibt.

Hennig-Wellsow hingegen ist eine der Erstunterzeichnerinnen des Gründungsaufrufs „Für eine antikapitalistische Linke“ der innerparteilichen Bundesarbeitsgemeinschaft „Antikapitalistische Linke“ (kurz AKL). Wie auch Marx21 wird die AKL vom deutschen Verfassungsschutz als „extremistische Struktur“ in der Linkspartei beobachtet. Hennig-Wellsow will sich, trotz ihrer Kandidatur für den Bundesvorsitz der Linkspartei und obwohl sie nicht einmal mehr in der AKL aktiv ist, nicht von der AKL distanzieren, wie es der Deutschlandfunk berichtet.

Startschuss für eine neue palästinensische Nakba“

Brisant bleiben die Fälle AKL und Marx21 für Hennig-Wellsow und Wissler auch aufgrund einer anderen Causa: Beide innerparteilichen Strömungen sind bekannt für ihren dezidierten Anti-Israel-Aktivismus.

So veröffentlichten die AKL und der „Bundesarbeitskreis Gerechter Frieden in Nahost der Partei DIE LINKE“ erst im Mai 2020 ein vielsagendes Statement. Hierin behaupten sie, es folge ein „Startschuss für noch intensivere Vertreibungen, für eine neue palästinensische Nakba“. Und schreiben weiter von „Zerstörungen und Vertreibungen der letzten Jahrzehnte sowie den vor allen Augen vollzogenen Raub palästinensischen Landes“ durch Israel.

Jürgen Aust, Mitglied des „Bundessprecher*innen-Rat“ der AKL sowie seinerzeit im Landesvorstand der nordrhein-westfälischen Linkspartei wirkend, reichte für den Reader der Linkspartei mit den Beiträgen zu ihrer Strategiekonferenz vom März 2020 einen Text ein, in dem er eine „von vielen Mitgliedern der Linkspartei nach wie vor hochgehaltene Palästina-Solidarität“ postulierte, jedoch habe

[e]in grosser Teil der Linkspartei […] sich von dieser Solidarität seit langem verabschiedet und verteidigt Arm in Arm mit dem rechten Parteienkartell Israels kriegerische Besatzungspolitik“

Im besagten Reader der Linkspartei mit den Beiträgen zu ihrer Strategiekonferenz heisst es in einem anderen Artikel, den die AKL auch auf ihrer Homepage publizierte, dass man eine „grundsätzliche Solidarität mit dem Widerstand der Palästinenser gegen die israelische Besatzung“ erwarte. Was auch heisst, „die Diffamierung der BDS-Kampagne als antisemitisch ab[zulehnen]“ sowie „das Recht der palästinensischen Zivilgesellschaft und der internationalen Unterstützer[] die BDS-Kampagne durchzuführen“.

Die Solidarität mit der BDS-Kampagne ist auch Marx21 ein Anliegen. In einer FAQ vom Juli 2020 schreibt Marx21, dass „BDS […] sich gegen die Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung durch den israelischen Staat“ wenden und „nicht auf eine Diskriminierung von Jüdinnen und Juden oder Angriffe auf das Judentum“ setzen würde. Der Vorwurf des Antisemitismus in Richtung der BDS käme von „der israelischen Regierung und ihrer Verbündeten“; ferner würde „der Geheimdienst in Israel im Kampf gegen BDS eingesetzt“.

Auch bei der Reinwaschung der Hamas von deren Israel- wie Judenhass spielt Marx21 eineRolle. So heisst es in einem Text vom April 2019, dass die Hamas zwar „durchaus eine religiöse Organisation [sei], aber der nationalistische Anteil überwieg[e]“; zudem zeige sie sich „pragmatisch und zu Kompromissen bereit“. Ihr Ziel sei „die Beendigung der israelischen Besatzung und die Errichtung eines unabhängigen Staates“, weswegen „viele Menschen in Palästina die Hamas“ unterstützen würden und sie „von vielen als Widerstandsbewegung gesehen“ würde. Ein Grund sei, dass Gaza als „Israels Freiluftgefängnis“ fungiere.

Auch würde die Hamas gar nicht antisemitisch sein, denn ihre in diesem Kontext angeführte Gründungscharta enthielte „Passagen, die dem europäischen Antisemitismus entlehnt sind“,jedoch bezöge sich „[d]ie Führung der Hamas […] seitdem nicht mehr auf dieses Gründungsschreiben und lehnte es später sogar ab“.

Wisslers Antizionismus ist unkommentiert geblieben“

Auch Wissler selbst kann sich nicht eindeutig zu Israel bekennen. Im Sommer 2014 hielt Wissler im Rahmen einer Anti-Israel-Demonstration eine Rede über die israelische „Operation Protective Edge“. Diese Operation war seinerzeit gegen die antisemitische Hamas und militante palästinensische Gruppen im Gazastreifen gerichtet. In ihrer Rede behauptete Wissler, die Operation „führt zu weniger Sicherheit in Israel und zu mehr Leid für die Menschen in Palästina“, denn:

Wenn Menschen [in Gaza] alles genommen wird, was sie haben, ihre Angehörigen, ihr Zuhause, ihre Gesundheit, dann bilden Leid und Wut den Nährboden für noch mehr Hass und mehr Terroranschläge. Das schwächt die Hamas nicht, sondern stärkt sie eher noch.“

In zwei Tweets vom Juli 2014 bezüglich dieser Demonstration auf dem Frankfurter Römer gegen besagte israelische Operation (hier und hier zu finden) erklärte Wissler weiter, wie sie sich stattdessen den Umgang mit der Hamas vorstellt:

Wer Hamas schwächen will, muss auf Deeskalation setzen. Im Übrigen ist der Konflikt älter als die Hamas […] den Konflikt militärisch zu lösen [habe] aber auch nicht [funktioniert]. Eine grundsätzliche Einigung ist nötig. Jeder Tote schürt mehr Hass.“

Wissler wird deswegen vom „Bündnis gegen Antisemitismus“ aus Kassel massiv kritisiert. So sei bei Wisslers Wahl zur hessischen Spitzenkandidatin im Jahr 2018 ihr „Antizionismus […] unkommentiert geblieben“. Und das obwohl Wissler sich an nämlicher „von der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen (IRH) organisierten Kundgebung beteiligt und in einer Rede Zeichen der Solidarität nach Gaza gesendet“ habe (siehe oben). Besonders brisant hieran damals:

Auf der Kundgebung wurden u.a. auch die sattsam bekannten Parolen ‚Kindermörder – Israel‘, ‚Terrorist Israel‘ gezeigt.“

Rede anlässlich Kundgebung Frieden und Gerechtigkeit für Gaza und Nahost vom 26. Juli 2014. Foto Screenshot Youtube https://www.youtube.com/watch?v=Myzoa7C8QnE
Wissler anlässlich der Kundgebung “Frieden und Gerechtigkeit für Gaza und Nahost” vom 26. Juli 2014. Foto Screenshot Youtube https://www.youtube.com/watch?v=Myzoa7C8QnE

Justus Wertmüller, Redakteur der ideologiekritischen Zeitschrift Bahamas, warf im April 2018 Wissler im einem Vortrag in Frankfurt vor, dass sie „seit Jahren keine Gelegenheit auslässt, den deutsch-arabischen Mob gegen Israel aufzuwiegeln“. Die ideologiekritische Gruppe Thunder in Paradise aus Frankfurt nennt Wissler in einem Artikel vom September 2018 eine „ausgewiesene Antizionistin, die auf Pro-Gaza-Demos gegen den Judenstaat agitiert“.

Fürsprecherin des internationalen Antisemitismus“

Auch eine Marx21-Genossin Wisslers hat es in sich. Die Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz amtiert dabei nicht nur als Mitglied des Marx21-Koordinierungskreises, sondern entstammt überdies wie Wissler dem hessischen Landesverband der Linkspartei.

Buchholz weigerte sich im Jahr 2010 demonstrativ, nach der Rede des damaligen israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres zum 65. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz im Bundestag aufzustehen, obwohl es parlamentarischer Brauch ist. Im Herbst 2006 äusserte Buchholz anlässlich einer pro-Hisbollah-Demonstration:

Die Dämonisierung der Hizbollah ist Teil der ideologischen Kriegsführung. Die Linke sollte dabei nicht mitmachen.“

In der Vergangenheit glänzte Buchholz bei parteiinternen Abstimmungen darüber, ob die BDS-Bewegung als antisemitisch eingestuft werden soll, gerne auch mit Abwesenheit. Dazu passt, dass Buchholz im Beirat des BDS-nahen Vereins Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V. (kurz DPG) sitzt. Das Jerusalem Center for Public Affairs, ein israelisches Forschungsinstitut, qualifiziert die DPG als linksextrem, islamistisch sowie der Muslimbruderschaft zugehörig.

Das oben bereits erwähnte „Bündnis gegen Antisemitismus“ aus Kassel nannte Buchholz im Mai 2019 eine „Fürsprecherin des internationalen Antisemitismus“, da sie sich „in der Vergangenheit als Fürsprecherin der Hisbollah und [für] die Hamas“ ausgegeben und weiterhin „für die antisemitische Bewegung Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) […] stark“ gemacht habe.

Für den aufgrund der Corona-Lage abgesagten Linkspartei-Parteitag vom Ende Oktober 2020 reichte Buchholz gemeinsam mit dem Bundesvorstand des Linkspartei-Studentenverbandes „DIE LINKE.SDS“, diversen Kreisverbänden und Bundes- wie Landtagsabgeordneten einen Antrag ein, der sich gegen eine „Charakterisierung der BDS-Kampagne als antisemitisch“ ausspricht, denn das „Ziel der BDS-Kampagne“ sei:

Druck auf den Staat Israel auszuüben, die Besatzung zu beenden, die Trennmauer abzubauen, palästinensischen Bürgern Israels volle und gleiche Recht zu gewähren und das von der UN-Generalversammlung beschlossene Recht auf Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge zu respektieren“

Weitere Schande in der langen Liste der antisemitischen Irrfahrten des SDS“

Die innerparteiliche Strömung „Emanzipatorische Linke“, die sich bereits in einem Beschluss gegen die BDS-Kampagne positionierte, kritisierte diese Eingabe von Buchholz und ihren Genossen in einem nachträglich eingereichten Antrag als „solidarisch mit den Zielen des BDS“, die jedoch „grundsätzlich unserem Bundesprogramm zur Anerkennung des Existenzrechts Israels“ widersprächen.

Auch eine Gruppe um die israelsolidarische AG debate – Leipzig (siehe unten) und Michael Neuhaus, einem Sprecher der den Israel-Boykott als antisemitisch ansehenden LinksjugendSolid, stellt sich Buchholz’ Gruppierung entgegen und betont in einem weiteren nachgereichten Antrag vielmehr, dass die Linkspartei die „Kampagne ‚Boycott, Divestment, Sanctions‘ nicht unterstützt“, sich „gegen jede dämonisierende Kampagne stellt“ sowie eine „Beendigung des antihumanistischen Terrorregimes der Hamas“ fordert, denn

[d]ie Hamas begrüsst (und unterstützt) die europäische BDS-Kampagne (da sie von dieser auch profitiert), da diese sanft umsetzt, was die Hamas offen und Brutal in ihrer offiziellen Charta fordert.“

Der israelsolidarische Bundesarbeitskreis Shalom der Linksjugend (kurz BAK Shalom) schrieb bereits im April 2015 davon, dass Buchholz’ und Wisslers Strömung Marx21 „ein Problem mit Israel“ habe und dabei eine „dominierende Gruppierung innerhalb der Linksjugend NRW“ sei. So demonstrierte die Linksjugend NRW erst im Oktober 2019 bei einer Kundgebung unter dem Banner von „Palästina, Kurdistan – Intifada, Serhildan!“ und behauptete im Anschluss: „‚Freiheit für Palästina!‘ […] genau das bedeutet der Begriff ‚Intifada‘“. Die Linksjugend aus Leipzig, der auch der oben genannte Michael Neuhaus angehört, verurteilte im Anschluss „dieses reaktionäre, antisemitische Verhalten der [Linksjugend] Solid NRW“.

Wissler indes ist selbst auch Mitglied im oben bereits angeführten Studentenverband „Die LINKE.SDS“. Der Bundesverband des SDS hielt in einer Stellungnahme vom Juni 2020 „Boykottaufrufe gegen Israel […] in erster Linie [für] eine strategische Frage“ und sah eine „zunehmende Kriminalisierung und Diskreditierung von pro- palästinensischen Gruppen und Bewegungen wie BDS“.

Der Landessprecher der Linksjugend aus Thüringen, Leon M. Walter, forderte in der Folge, „den SDS aus dem Jugendverband [Linksjugend] raus[zu]werfen oder auf[zu]lösen“. AuchLinksjugend-Bundessprecher Michael Neuhaus (siehe oben) spricht vom „Antisemitismus des SDS“ und dass dieser „keine Antisemitismusdefinition hat“.

Im Juli 2020 solidarisierte sich der Münsteraner Ableger des SDS mit der antiisraelischenKundgebung „Nein zur Annexion“ der Gruppe Palästina Antikolonial, die einen „Landraub in Palästina“ reklamierte, und behauptete, dass damit die „Vertreibung von Teilen der palästinensischen Bevölkerung voran[getrieben]“ würde. Ein breites „Bündnis gegen Antisemitismus“ hingegen warf dem Marburger SDS im Sommer 2019 vor, „eine weitere Schande in der langen Liste der antisemitischen Irrfahrten des SDS“ zu sein.

Oh ihr Juden, die Armee des Propheten Mohammed wird zurückkommen“

Auch das Personal von Hennig-Wellsows antikapitalistischer Linke, von der jene sich nicht distanzieren will (siehe oben), spielt eine bedeutsame Rolle beim Anti-Israel-Aktivismus der Linkspartei. So Inge Höger, eine der Bundessprecherinnen der Antikapitalistischen Linken und bis September 2020 amtierende Landeschefin der NRW-Linkspartei. In der Linkspartei-nahen Tageszeitung Neues Deutschland hiess es im Juni 2018 zur Wahl Högers zur Landesvorsitzenden in NRW:

Höger überschritt in ihrer Palästina-Solidarität ein ums andere Mal Grenzen, die auch für viele Menschen, die sich mit dem palästinensischen Kampf solidarisieren, klar sind […] Sollte Inge Höger die Partei länger repräsentieren müssen, müsste die LINKE damit rechnen, dass sie in vielen Medien auf das Thema Antisemitismus von links reduziert wird.“

Mit den Linken-Bundestagsabgeordneten Norman Paech und Annette Groth nahm Höger an der Gaza-Flotille im Jahr 2010 teil. Dabei legten die drei sich mit Islamisten ins Bett, die die Zukunft der Juden so besangen: „Oh ihr Juden […] die Armee des Propheten Mohammed wird zurückkommen – so wie in Khaibar, […] Intifada bis zum Sieg!“. Die Partizipation von Höger, Groth und Paech kritisierte der BAK Shalom scharf, denn „[a]uf dem Schiff befanden sich Islamist_innen, Antisemit_innen und Sexist_innen“. Weiter schrieb der BAK Shalom:

Paech, Höger und Groth [haben zudem] zu keinem Zeitpunkt die Rolle der Hamas kritisiert, geschweige denn überhaupt zur Kenntnis genommen. Eine solche Blauäugigkeit ist für uns vollkommen unverständlich und in keiner Weise nachvollziehbar. Niemand der drei hatte ein tatsächliches Interesse, die Rolle dieser Terrororganisation zu hinterfragen.“

In einem von Annette Groth und Sönke Hundt, einer der offiziellen Bremer AKL-Ansprechpersonen, unterzeichneten „Offenen Brief“ vom Mai 2019 wird der Bundestagsfraktion der Linkspartei ein „Kotau vor der deutschen Staatsraison“ vorgeworfen:

Sie [die Fraktionen der Linkspartei in Berlin und Brüssel, Anm. des Autors] unterwerfen sich so der brutalen 52-jährigen Besatzungspolitik Israels und der nun einsetzenden Annexionspolitik Netanjahus und Trumps und opfern die legitimen und elementarsten Lebensinteressen der PalästinenserInnen […] Wir haben es ganz offensichtlich nicht vermocht, euch von diesem erneuten Kotau vor der deutschen Staatsraison abzuhalten!“

Da verwundert es nicht, dass das Simon Wiesenthal Center im Jahr 2014 Groth und Högergemeinsam mit ihren Parteifreundinnen Heike Hänsel, die ebenfalls den Gründungsaufruf der AKL unterzeichnete, und Claudia Haydt in Folge der sogenannten „Toilettenaffäre“ als „Teil einer grösseren Gruppe von Hardcore-Israel-Gegnern unter den Linken-Abgeordneten“ einstufte.

Ein „antisemitischer Beschluss“ des Parteivorstandes?

Die eben erwähnte AKL-Politikerin Hänsel reichte Ende Juni 2020 mit mehreren Bundestagsabgeordneten der Linksfraktion, darunter auch die Marx21-Protagonistin Christine Buchholz (siehe oben), einen Antrag „Annexion von Teilen des Westjordanlandes verhindern“ in den Bundestag ein.

Hierin schrieben sie, dass sie „das Existenzrecht Israels verteidigen“, was sie aber „nicht hindern [dürfe], Unrecht und Völkerrechtsverletzungen Israels zu benennen und zu verurteilen“.Ausserdem hätten „Palästinenserinnen und Palästinenser […] das gleiche Recht wie Jüdinnen und Juden auf einen eigenen Staat“. Bereits Anfang Juni 2020 beschloss der Parteivorstand der Linkspartei diesbezüglich:

DIE LINKE verurteilt die die Pläne der israelischen Regierung Netanjahu/Gantz, Teile des Westjordanlands zu annektieren […] Für den Fall, dass die israelische Regierung die Annexion beschliesst, setzt sich DIE LINKE dafür ein, das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel, das auf der Osloer Friedensvereinbarung von 1993 beruht, auszusetzen […] Ebenfalls bekräftigt DIE LINKE im Falle einer Annexion ihre Forderung, die militärische Kooperation mit Israel einzustellen.“

Die AG debate, eine proisraelische „Arbeitsgemeinschaft der Partei DIE LINKE. Leipzig“ kritisierte diesen Beschluss in der Folge scharf, da er „sich in Plattitüden der so genannten ‚Israelkritik‘ ergeht“, wobei es „einzig und allein um die Dämonisierung Israels“ ginge. Die AG debatekonstatierte: „Der Beschluss des Parteivorstandes enthält alle drei Punkte [des 3-D-Tests für Antisemitismus, Anm. des Autors] – und kann damit nur als antisemitischer Beschluss bezeichnet werden“. Der israelsolidarische BAK Shalom teilte die Einschätzungen der AG debate und verbreitete sie im Anschluss in sozialen Medien.

Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler, die beiden Kandidatinnen für den Linkenvorsitz mit den besten Chance diesen am Ende auch zu bekleiden, sind als Unterstützerinnen der Antikapitalistischen Linke beziehungsweise Marx21 sowie des Studentenverbandes SDS in den Anti-Israel-Aktivismus der Linkspartei involviert. Wie und ob sie als mögliche Linkenvorsitzende weiterhin Verbindungen zu Anti-Israel-Strömungen innerhalb der Linkspartei pflegen und diese protegieren, verbleibt als eine offene Frage, eben und gerade für den Bundesparteitag im Februar 2021.

Inwieweit und ob sich die „Emanzipatorische Linke“ und der Pro-Israel-Kreis um den Linksjugend-Bundessprecher Michael Neuhaus, mit dem sich auch die proisraelische AG debate und Neuhaus’ Linksjugend Leipzig im Kampf gegen innerparteilichen Antisemitismus solidarisiert, überhaupt mit ihren Anträgen gegen die dezidierten Anti-Israel-Aktivisten der Partei durchsetzen können, ist dabei ebenso völlig offen. Stellt indes aber einen ersten Lackmustest für den Israelkurs des designierten Vorsitzendengespanns Hennig-Wellsow und Wissler dar.

Über Marcus Ermler

Dr. Dr. Marcus Ermler, ist Mathematiker sowie Informatiker und beschäftigt sich in seiner Forschung mit Logik, Graph Rewriting und Topologie. Darüber hinaus publiziert er über Antisemitismus und Antiamerikanismus jeder politischen Färbung.

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