Obamas revisionistisches „Verheissenes Land“

In seinen neuen Memoiren "A Promised Land" führt der ehemalige US-Präsident die Leser in einer Weise in die Irre, die ihren ohnehin schon negativen Blick auf den jüdischen Staat für immer prägen könnte.

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US-Präsident Barack Obama spricht mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu aus dem Oval Office. Montag, 8. Juni 2009. Foto Pete Souza / The Official White House Photostream - P060809PS-0350, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7173483
US-Präsident Barack Obama spricht mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu aus dem Oval Office. Montag, 8. Juni 2009. Foto Pete Souza / The Official White House Photostream - P060809PS-0350, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7173483
Lesezeit: 13 Minuten

Ich habe den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama nie öffentlich kritisiert – weder während meiner Zeit in der Knesset (dem israelischen Parlament, Anm.d.Red.) noch irgendwo anders, obwohl ich mit vielem in seiner Politik nicht einverstanden war.

von Dov Lipman

Ich bin der festen Überzeugung, dass Israelis sich nicht in die amerikanische Politik einmischen oder sie beeinflussen sollten, und ich spreche allen amerikanischen Präsidenten, einschliesslich Obama, regelmässig einen pauschalen Dank für ihre Unterstützung für Israel aus.

Seine Memoiren A Promised Land (Ein verheissenes Land, ISBN 9783328600626) sind jedoch voller historischer Ungenauigkeiten, die es meiner Meinung nach anzusprechen gilt. Seine Erzählung der Geschichte Israels (am Anfang von Kapitel 25) zeigt nicht nur ein fehlerhaftes Verständnis der Region – was sich eindeutig auf seine Politik als Präsident auswirkte -, sondern führt die Leser auf eine Weise in die Irre, die ihre eventuelle schon vorhandene negative Sicht auf den jüdischen Staat für immer prägen wird.

Obama erzählt zum Beispiel, wie die Briten Palästina „besetzten“, als sie die Balfour-Erklärung verabschiedeten, in welcher ein jüdischer Staat gefordert wurde. Aber Grossbritannien als „Besatzer“ zu bezeichnen, lässt eindeutig Zweifel an der Legitimität Grossbritanniens aufkommen, irgendetwas über die Zukunft des Heiligen Landes zu entscheiden, und dem war nicht so.

Es stimmt zwar, dass England 1917, als die Balfour-Erklärung verabschiedet wurde, keine gesetzlichen Rechte in Palästina hatte, aber das änderte sich nur fünf Jahre später. Der Völkerbund, der Vorläufer der Vereinten Nationen, verlieh den Briten in seinem „Mandat für Palästina“ von 1922 Rechtsansprüche auf Palästina, in dem ausdrücklich „die Errichtung eines nationalen Heims für das jüdische Volk in Palästina“ erwähnt wird.

Der Völkerbund stellte ferner fest, dass „damit die historische Verbindung des jüdischen Volkes mit Palästina und die Gründe für die Wiederherstellung seiner nationalen Heimat in diesem Land anerkannt wurden“.

Die vom ehemaligen US-Präsidenten erwähnte Weglassung des international vereinbarten Mandats für die Briten, eine Heimat für die Juden in Palästina zu errichten, verwirrt den Leser, der daraus schliessen wird, dass die Bemühungen um einen jüdischen Staat in Palästina keine Legitimität oder internationale Zustimmung hatten.

„Im Laufe der nächsten 20 Jahre mobilisierten zionistische Führer eine Welle jüdischer Migration nach Palästina“, schreibt Obama weiter und zementiert damit das Bild, dass die Juden plötzlich in Scharen dorthin strömten, nachdem die Briten illegal mit der Gründung eines jüdischen Staates in Palästina begonnen hatten.

Die Wahrheit ist, dass die Juden, die während der 2000 Jahre, in denen die meisten von ihnen aus dem Land vertrieben wurden, eine kontinuierliche Präsenz aufrechterhielten, schon vorher in grosser Zahl nach Palästina gezogen waren. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts kamen deutlich mehr als 100.000 jüdische Einwanderer. Dann in den 1920er Jahren, konnten viele vor dem Antisemitismus in Europa fliehende Juden nur deshalb einen sicheren Zufluchtsort in Palästina finden, weil die Vereinigten Staaten 1924 Quoten für die Einwanderung von Juden nach Amerika eingeführt hatten.

Der historische Kontext

Die Zahl der Einwanderer stieg in den 1930er Jahren noch weiter an, als Adolf Hitler an die Macht kam und mit seiner Herrschaft über Europa begann, während die Welt schwieg.

Der historische Kontext ist wichtig, und als Obama sich entschied, über die Geschichte zu schreiben, hätte er den vollständigen Kontext liefern und die Juden so darstellen sollen, wie sie waren: ein verfolgtes und verzweifeltes Volk, das Sicherheit sucht, und nicht, wie er andeutet, als starke Eroberer, die nach Palästina strömen.

Seine Behauptung, dass die neuen Einwanderer „gut ausgebildete Streitkräfte zur Verteidigung ihrer Siedlungen organisierten“, ist ebenfalls irreführend. Eine zutreffendere Art und Weise, sie zu beschreiben, wäre es gewesen: „Weil die Araber in der Region die jüdischen Gebiete erbarmungslos angriffen, hatten die jüdischen Flüchtlinge keine andere Wahl, als zu den Waffen zu greifen, um sich zu verteidigen“.

Die Erkenntnis, dass die Araber Juden angriffen, bevor es überhaupt einen Staat Israel gab, ist ein wichtiger historischer Kontext für das Verständnis des israelisch-arabischen Konflikts.

A Promised Land erzählt auch, wie die Vereinten Nationen im November 1947 einen Teilungsplan für Palästina verabschiedeten, indem sie das Land in einen jüdischen und einen arabischen Staat teilten, was die „zionistischen Führer“, wie Obama sie nennt, akzeptierten, wogegen aber die „arabischen Palästinenser sowie die umliegenden arabischen Nationen, die gerade aus der Kolonialherrschaft hervorgingen, heftige Einwände erhoben“.

Obamas Verwendung von „zionistischen Führern“ anstelle von „jüdischen Führern“ spielt direkt in das gegenwärtige internationale Klima hinein, in dem es politisch korrekt ist, „antizionistisch“ zu sein, während es inakzeptabel ist, antijüdisch zu sein. (In Wirklichkeit ist der Zionismus die Bewegung für Juden, die in ihrem biblischen und historischen Heimatland leben. Sich dagegen zu stellen, ist also eigentlich Antisemitismus, aber das steht auf einem anderen Blatt).

Die Beschreibung von „arabischen Nationen, die gerade aus der Kolonialherrschaft hervorgingen“ ist ein klarer Versuch, die arabische Ablehnung des UN-Teilungsplans zu rechtfertigen. Diese armen „arabischen Nationen“, die unter der Kolonialisierung ihrer  Länder durch Aussenstehende gelitten haben, konnten einfach nicht akzeptieren, dass eine andere „koloniale“ Entität, die Juden, in die Region eindrang.

Aber die Wahrheit ist, dass mit Ausnahme von Ägypten, das nicht kolonisiert wurde, keines der Nachbarländer, die den Teilungsplan ablehnten, vor dem Ersten Weltkrieg als Staat gegründet worden war. Ja, die Nachkriegsmandate des Völkerbunds übertrugen die Kontrolle in der Region für einige Jahrzehnte an die Briten und Franzosen, aber dies geschah an Stelle des Osmanischen Reichs, welches die Region jahrhundertelang kontrolliert hatte. Folglich ist das Bild von Ländern die aus einer langjährigen Kolonialherrschaft hervorgegangen sind, als subtiler Versuch, ihre Einwände gegen den Teilungsplan zu rechtfertigen, einfach falsch.

Gründungsgeschichte Israels in 2 Sätzen

Obama erzählt die Gründungsgeschichte des Staates Israel in zwei Sätzen, die nichts weniger als regelrechter Geschichtsrevisionismus sind: „Als Grossbritannien sich zurückzog, gerieten die beiden Seiten schnell in einen Krieg. Und nachdem die jüdischen Milizen 1948 den Sieg beanspruchten, wurde der Staat Israel offiziell geboren“.

Wow. Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll. Die beiden Seiten „gerieten nicht in einen Krieg“, als Grossbritannien sich zurückzog; die beiden Seiten hatten jahrzehntelang gekämpft, wobei die Araber – die mehr als ein halbes Jahrhundert lang die Bemühungen um die Errichtung eines jüdischen Staates in der Region ablehnten – die Juden angriffen und die Juden sich selbst verteidigten. Als die Briten dann im Mai 1948 das Gebiet verliessen, trafen die Juden die sehr schwierige Entscheidung, ihre Unabhängigkeit auf der Grundlage des UN-Teilungsplans zu erklären, der das Recht auf einen jüdischen Staat neben einem arabischen Staat gab.

Es gab keine „jüdischen Milizen, die den Sieg beanspruchten“. Es gab eine vereinigte jüdische Armee, welche die Israelischen Verteidigungskräfte formierte, die wusste, dass die umliegenden arabischen Länder in dem Moment, in dem ihre jüdische Führung einen unabhängigen jüdischen Staat ausrufen würde, mit einem Grossangriff beginnen würden, um Israel zu zerstören. Und genau das taten die arabischen Armeen. Der neue Staat Israel wehrte diesen Angriff monatelang ab, bis er 1949 sowohl geschwächt als auch zerbrechlich entstand.

Obamas Perspektive auf die Gründung des Staates Israel hat zweifellos seine Aussenpolitik gegenüber dem jüdischen Staat beeinflusst. Wenn man Israel als eine koloniale Kraft sieht, die das Land aufgrund seiner bewaffneten Milizen besetzt hält, dann wird es als ein Aussenseiter behandelt, der anderen Unrecht zugefügt hat, um sich als Staat zu etablieren. Der ehemalige US-Präsident führt andere in die Irre, dies ebenfalls zu glauben.

Der unaufrichtigste Satz in Obamas Geschichte Israels findet sich in seiner Beschreibung dessen, was in den 30 Jahren nach der Gründung Israels geschah: „In den nächsten drei Jahrzehnten würde Israel sich in einer Reihe von Konflikten mit seinen arabischen Nachbarn engagieren…“.

Was? Ich musste diesen Satz viele Male lesen, weil ich nicht glauben konnte, dass ein Präsident der Vereinigten Staaten so irreführende, trügerische und schädliche Worte über den engen Verbündeten seines Landes schreiben kann.

Sechstagekrieg: Fortsetzung des Revisionismus

Israel „engagierte“ sich in keinerlei Konflikt mit den umliegenden arabischen Ländern. Die arabischen Armeen und ihre Terroristen griffen Israel immer wieder an, und die Israelis kämpften, um sich zu verteidigen.

Diese grundlegende Wahrheit ergibt sich aus der unmittelbaren Geschichte der Kriege im Nahen Osten, an denen Israel beteiligt war. Fakten sind Fakten, und die Falschdarstellung des ehemaligen US-Präsidenten, Israel sei ein Land, das Konflikt statt Frieden suche, ein Land, dass sich bereitwillig in Kriege mit den Arabern eingelassen habe, fügt dem friedenssuchenden Israel Unrecht zu und heizt die anti-israelische Stimmung an.

Obamas Beschreibung des Sechstagekrieges von 1967 setzt diesen Revisionismus fort: „Ein zahlenmässig stark unterlegenes israelisches Militär hat die vereinten Armeen Ägyptens, Jordaniens und Syriens in die Flucht geschlagen. Dabei eroberte Israel von Jordanien die Kontrolle über das Westjordanland und Ostjerusalem, von Ägypten über den Gazastreifen und die Sinai-Halbinsel und von Syrien über die Golanhöhen“.

Hier geht er nicht darauf ein, was zum Krieg führte, als sich all diese arabischen Armeen entlang der Grenzen Israels versammelten und ihre Absicht erklärten, es von der Landkarte zu tilgen. Er schildert weder Israels Bitte an Jordanien, nicht in den Krieg einzutreten, noch beschreibt er, dass Jordanien überhaupt keine Rechtsansprüche auf das Westjordanland hatte, das es 1948 besetzte und 1950 völkerrechtswidrig annektierte.

Vor allem versäumt es Obama, die Bereitschaft Israels zu erwähnen, sich unmittelbar nach dem Krieg aus allen Gebieten zurückzuziehen, die es in seinem Verteidigungskampf im Austausch für den Frieden gewonnen hat. Und in der Folge versäumt er es auch, die „drei Neins“ der Arabischen Liga als Antwort auf dieses Angebot zu erwähnen: kein Frieden mit Israel, keine Anerkennung Israels und keine Verhandlungen mit Israel.

Die Siedlungen

Auch diese Auslassung dient wieder einmal dazu, Israel als den aggressiven Besatzer darzustellen, der den Konflikt und nicht den Frieden sucht.

Der ehemalige US-Präsident fährt mit einer weiteren glatten Unwahrheit fort, die Einblick in seine Politik bezüglich der israelischen Siedlungen im Westjordanland gibt.

Der „Aufstieg der PLO“ (Palästinensische Befreiungsorganisation) sei ein „Ergebnis“ des Sechs-Tage-Krieges, schreibt er. Das lässt den Eindruck entstehen, dass die palästinensische Befreiungsbewegung, einschliesslich ihrer gewalttätigen und mörderischen Angriffe gegen Israelis, nur ein Ergebnis der Übernahme der Kontrolle über das Westjordanland, Ostjerusalem und den Gazastreifen durch Israel war.

Sie verstärkt die Botschaft, dass Frieden zwischen Israel und den Palästinensern herrschen würde, wenn nur Israel diese Gebiete räumen würde. Das ist es, was Politiker in der ganzen Welt dazu anspornt, vorzuschlagen, dass die israelischen Siedlungen in diesen Gebieten das Hindernis für den Frieden in der Region sind.

Aber es gibt einen Fehler in dieser Geschichte und in dieser Logik. Sie ist nicht wahr. Die PLO wurde 1964 gegründet – drei Jahre, bevor Israel eines dieser „besetzten“ Gebiete kontrollierte und drei Jahre, bevor es überhaupt Siedlungen gab.

Was genau hat die palästinensische Befreiungsorganisation zu dieser Zeit befreit? Gibt es eine andere Schlussfolgerung als die Befreiung des jüdischen Staates in seiner Gesamtheit? Welche andere Option könnte es geben?

Aus diesem Grund ruft die «Free Palestine»-Bewegung: „From the river to the sea, Palestine will be free“ (vom Fluss bis zum Meer wird Palästina frei sein). Sie sind gegen die Existenz Israels irgendwo zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer. Sie sehen einen solchen Staat als ein koloniales Unternehmen mit bewaffneten Milizen, die sich das Land anderer aneignen, so wie Obama die Leser glauben lässt, wenn er die Entstehung des Staates beschreibt.

Die falsche Beschreibung des Aufstiegs der PLO nach 1967 dient der Erzählung, dass die „Besatzung“ und die Siedlungen die Ursache des Konflikts seien. Dies hatte zweifellos direkte Auswirkungen auf Obamas Politik, einschliesslich des Stopps des Siedlungsbaus, um Frieden zwischen Israel und den Palästinensern herbeizuführen.

Camp David und die Intifada

Obama beschreibt das gescheiterte Abkommen von Camp David aus dem Jahr 2000, in dem der frühere israelische Premierminister Ehud Barak den Palästinensern mehr als 90 Prozent dessen bot, was sie verlangten. „Arafat verlangte jedoch weitere Zugeständnisse, und die Gespräche scheiterten an Schuldzuweisungen“, schreibt er. Aber die Gespräche sind nicht einfach „gescheitert“. Sechsundsechzig Tage später entfesselte Arafat die Zweite Intifada, in der 1’137 israelische Zivilisten ermordet und 8’341 verstümmelt und verletzt wurden, und zwar durch von Jassir Arafat finanzierte Terroristen, die sich in israelischen Bussen und Cafés in die Luft sprengten.

Verlassen Sie sich in dieser Sache nicht auf mein Wort. Mamduh Nofal, ehemaliger Militärkommandant der Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas, enthüllte nach Camp David: „Arafat hat uns gesagt: Jetzt werden wir kämpfen, also müssen wir bereit sein“.

Darüber hinaus sagte Hamas-Führer Mahmud al-Sahar im September 2010, dass Arafat im Sommer 2000, nachdem er erkannt hatte, dass nicht alle seine Forderungen erfüllt werden würden, Hamas, Fatah und die Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden angewiesen habe, mit dem Angriff auf Israel zu beginnen. Auch Mosab Hassan Yousef, Sohn des Hamas-Gründers Scheich Hassan Yousef, hat bestätigt, dass die Zweite Intifada von Arafat geplant war.

Obama versäumt es nicht nur, die Zweite Intifada eindeutig damit in Verbindung zu bringen, dass Arafat nicht alles erhielt, was die Palästinenser in Camp David verlangten – Forderungen, die übrigens Israel daran gehindert hätten, sich gegen den palästinensischen Terrorismus zu verteidigen -, sondern er scheint auch Israel die Schuld für die Intifada zuzuschieben.

Er beschreibt den Besuch des israelischen Oppositionsführers und späteren Premierministers Ariel Scharon im September 2000 auf dem Tempelberg in Jerusalem als „provokativ“ und als „Streich“, der „Araber von nah und fern erzürnte“.

Doch Obama versäumt es zu erwähnen, dass Scharon dort erst zu Besuch war, nachdem das israelische Innenministerium vom Sicherheitschef der Palästinensischen Autonomiebehörde die Zusicherung erhalten hatte, dass es durch den Besuch zu keinem Aufruhr kommen würde.

Tatsächlich bestätigte Jibril Rajoub, Leiter des Bereichs Präventive Sicherheit im Westjordanland, dass Scharon das sensible Gebiet besuchen könne, solange er keine Moschee betrete oder öffentlich bete, Regeln, an die sich Scharon gehalten hatte.

Noch unglaublicher ist, dass Obama den Tempelberg als „eine der heiligsten Stätten des Islam“ beschreibt, ohne zu erwähnen, dass es die heiligste Stätte des Judentums ist.

Ein ahnungsloser Leser, der mit der Region und dessen Geschichte nicht so vertraut ist, liest dies und kommt zu dem Schluss, dass es einfach falsch war, dass ein jüdischer Führer eine muslimische religiöse Stätte betrat. Andererseits, wenn er oder sie wüsste, dass dies der heiligste Ort für Juden ist, dann würden sie sich eher fragen, warum etwas falsch daran war, dass Scharon dorthin gegangen ist – es sei denn, Obama lässt eben diesen Teil aus, was jemanden zu der Schlussfolgerung veranlasst, dass Scharon im Unrecht war.

Dieses Versäumnis, zusammen mit dem Auslassen von Arafats Plänen für die Intifada unmittelbar nach dem Scheitern der Verhandlungen in Camp David, kann nur zu der Schlussfolgerung führen, dass Israel für das fünfjährige Blutvergiessen während der Zweiten Intifada verantwortlich war.

Gaza und die Hamas

Die Geschichtsstunde Obamas geht mit den Spannungen zwischen Israel und Gaza weiter. Bezeichnenderweise erwähnt er den israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen im Jahr 2005 nicht, als Israel alle seine Truppen aus dem Streifen abzog und gleichzeitig 9’000 jüdische Bürger zwang, ihre Häuser zu verlassen.

Jeder, der die Schilderung der Kriege zwischen Israel und der Hamas vom US-Präsident liest, wird nie wissen, dass Israel Gaza nicht mehr „besetzt“ hält und dass die Palästinenser dort seit 15 Jahren die Freiheit hätten, einen wunderbaren „israelfreien“ palästinensischen Staat aufzubauen. Diese Unterlassung ist eklatant.

Letztlich dienen Obamas irreführende Worte, die Israels Reaktion auf den Raketenbeschuss seiner Zivilbevölkerung durch die Hamas beschreiben, nur dazu, weltweit anti-israelische Stimmungen zu entfachen und zu schüren. Er schreibt, die Reaktion Israels sei gewesen, dass „Apache-Hubschrauber ganze Stadtviertel in Gaza dem Erdboden gleichmachen“.

Was meint er mit „ganze Stadtviertel dem Erdboden gleichmachen“, ausser dass Israel wahllos Stadtviertel im Gazastreifen bombardiert und dabei vorsätzlich unschuldige Menschen ermordet habe? Und welches menschliche Wesen auf der Erde würde sich nicht aufregen und Israel für solch unmenschliche Aktivitäten verurteilen?

Das Problem ist, dass es nicht stimmt. Denn Israel zielt auf Terroristenführer und deren Raketen, die sie auf israelische Städte abfeuern. Tragischerweise benutzt die Hamas unschuldige Palästinenser als menschliche Schutzschilde, indem sie sich hinter ihnen in zivilen Stadtvierteln verstecken und von dort, sowie von Krankenhäusern und Moscheen aus, Raketen auf Israel abfeuern.

Israel tut sein Bestes, um keine unschuldigen Menschen zu töten, es wirft sogar Flugblätter ab, in denen ein bevorstehender Luftangriff angekündigt wird, und sagt Missionen zur Zerstörung von Raketenwerfern oder zur Tötung von Terroristenführern ab, wenn sich zu viele Zivilisten in dem Gebiet aufhalten. Israel führt ganz sicher keine Vergeltungsangriffe durch, die ganze Stadtviertel ziellos „dem Erdboden gleichmachen“.

Ich habe kein Problem mit Kritik an Israel. Wir können die Fragen in intellektuell anständigen Diskussionen debattieren, und am Ende müssen wir uns vielleicht darauf einigen, über die Politik Israels nicht einer Meinung zu sein. Aber niemand sollte ein Buch hinnehmen, das voller historischer Ungenauigkeiten ist, welche arglose und unkundige Leser unweigerlich zu falschen Schlussfolgerungen verleiten. Ein solch verheerendes Buch hat Auswirkungen und Konsequenzen für das reale Leben.

Es ist schrecklich enttäuschend. Von Barack Obama, Amerikas 44. Präsident, hätte ich eigentlich Wahrheit, Genauigkeit und Fairness erwartet. Aber die Unwahrheiten und Ungenauigkeiten in diesen Memoiren nähren nur die Theorie, dass Obama in Wirklichkeit anti-israelisch war. Jetzt versucht er durch A Promised Land, andere davon zu überzeugen, sich ihm anzuschliessen.

Dov Lipman war Mitglied der 19. Knesset. Er hat einen Master-Abschluss der Johns Hopkins University und ist Autor von sieben Büchern über Israel und das Judentum. Auf Englisch zuerst erschienen bei Jewish News Syndicate (JNS). Übersetzung Audiatur-Online.

1 Kommentar

  1. So viele Versäumnisse, Lügen, falsche Darstellungen etc. habe ich nicht einmal von Barack Obama erwartet. Sehr überrascht bin ich trotzdem nicht, wenn ich seine Politik Israel gegenüber bedenke. Viel mehr wundert es mich, dass er nicht bedachte, dass es viele Menschen gibt,
    die sich in der NO-Geschichte auskennen und sich vielleicht die Mühe
    nehmen, seine Unwahrheiten ans Licht zu bringen.
    lg
    caruso

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