Mehr Frieden: Netanyahu besucht Saudi-Arabien

1
Premierminister Benjamin Netanjahu und Mossad-Chef Yossi Cohen am 2. Oktober 2017. Foto Haim Zach/GPO
Premierminister Benjamin Netanjahu und Mossad-Chef Yossi Cohen am 2. Oktober 2017. Foto Haim Zach/GPO
Lesezeit: 4 Minuten

Die Meldung hat in Ramallah und Gaza sicherlich keine Freudenstürme ausgelöst: Israels Ministerpräsident hat am Sonntag in einem zuerst geheim gehaltenen inzwischen bestätigten Flug nach Saudi-Arabien Kronprinz Mohammed bin Salman getroffen. Damit bewahrheitet sich, was US-Präsident Donald Trump angekündigt hat. Das vierte und wichtigste arabische Land öffnet sich innerhalb von wenigen Monaten für normale Beziehungen mit Israel. Darauf warten Juden, Christen und Muslime im Nahen Osten seit 72 Jahren.

Netanyahus Gulfstream IV Privat-Jet, die ein israelischer Unternehmer gerne zur Verfügung stellte, landete nach einem 50-Minuten Flug von Israels Ben-Gurion-Flughafen nahe Tel Aviv in Neom, im Nordwesten Saudi-Arabiens nahe der jordanischen Grenze. Dieser saudische Flughafen ist erst seit Sommer 2019 in Betrieb. Der Ort des Treffens mit MBS wie der 35jährige saudische Kronzprinz in der internationalen Presse jovial genannt wird, hat durchaus Symbolkraft.

Neom ist ein 500 Milliarden-Projekt der Saudis, die in der Provinz Tabuk – flächenmässig etwa so gross wie Israel – bis 2030 eine Stadt des 21. Jahrhunderts aus dem Wüstensand stampfen wollen, die ausschliesslich mit Sonnen- und Windenergie betrieben wird. Der Name Neom setzt sich aus dem griechischen „Neo“ und dem arabischen „Mustaqbal“ zusammen, was zusammen soviel wie „Neue Zukunft“ bedeutet. MBS hat längst verstanden, dass in nicht allzu weiter Zukunft seine Ölquellen versiegen und die digitale Technologie von Morgen das Überleben seines heute noch ölreichen Landes bestimmen wird. Wer im Nahen Osten könnte dafür ein besserer Partner sein als Israel, das mit aktuell 9000 Start-ups und auch in Coronazeiten fliessenden Auslandsinvestitionen von über 100 Milliarden Dollar in den letzten 10 Jahren zu einem Weltzentrum der digitalen Welt avancierte. Künstliche Intelligenz und Cyber-Sicherheit werden von Tel Aviv aus wesentlich beeinflusst.

Die politische Floskel „Saudi-Arabien unterstützt einen andauernden und umfassenden Friedensvertrag zwischen Palästinensern und Israeli inklusive der Errichtung eines palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967“, die schon im saudischen Friedensplan von 2002 steht, darf bei der Bestätigung des Treffens natürlich nicht fehlen. Man muss aber kein Nahost-Experte sein, um zu erkennen, dass es sich hier um eine politische Formel aus dem Stehsatz der Geschichte handelt.

Kein geringerer als der 71jährige Prinz Bandar bin Sultan Abdul Aziz, ehrwürdiges Mitglied der saudischen Königsfamilie, über zwei Jahrzehnte Botschafter in Washington sagte vor gut einem Monat im Dubai-TV „Al Arabiya“:  “Die palästinensische Angelegenheit mag gerecht sei, aber ihre Fürsprecher sind gescheitert. Die israelische Angelegenheit mag ungerecht sei, aber ihre Fürsprecher sind nachweislich erfolgreich“.

Die saudische Führung hat die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und sowie mit Bahrein wohlwollend begleitet und letztlich grünes Licht gegeben. Dabei fiel auf, dass in Riyads staatskontrollierten Medien auch die 4000jährige Geschichte der Juden und Israels im Nahen Osten hervorgehoben wurde. Sichtweisen, die noch vor kurzem im Königreich tabu waren.

Prinz Bandar vergass in dem 40minütigen TV-Interview nicht zu erwähnen, dass Saudi-Arabien immer zur Stelle war, wenn Palästinenser um Hilfe und Rat baten. „Wir wollten auch keine Gegenleistung. Sie nahmen die Hilfe, aber ignorierten unseren Rat“. In ihrem Kampf hätten sie stets auf die Verliererseite gesetzt, beklagt der saudische Diplomat. Seine Worte waren mit historischen Bildmaterial vom Treffen des Jerusalemer Muftis und frühen palästinensischen Führers Haj Amin al-Husseini unterlegt, der sich 1930 mit Adolf Hitler in Berlin getroffen hat. „Und wir wissen, was mit Hitler und Deutschland damals geschehen ist“, ergänzte er vielsagend.

Wie wichtig das Treffen mit MBS in Neom ist, mag daran zu erkennen sein,  dass Netanyahu selbst eine Sitzung des Corona-Kabinetts kurzfristig verschoben hat, bevor er gegen 17.00 Uhr in Begleitung des Geheimdienstchefs Yossi Cohen, des Vorsitzenden des Sicherheitsrates Meir Ben-Shabat und seines militärischen Beraters Avi Bluth abflog und nach Mitternacht zurückkehrte. Nach längerem Zögern gibt es inzwischen auch von saudischer Seite eine Bestätigung für die Begegnung in Neom und die Militärzensur in Jerusalem hat eine Veröffentlichung in mehreren Medien Israels nicht verhindert. Minister Yoav Gallant, ein enger Vertrauter Netanyahus, bezeichnete den nächtlichen Ausflug übers Rote Meer als „ausserordentliche Leistung“.

Der Friedfertige

Politische Beobachter werten Netanyahus  Besuch in Neom auch als Schaffung von Fakten bevor der neugewählten US-Präsident Joe Biden ins Weisse Haus einzieht.  Er gehörte zum Obama-Team, die das Nuklear-Abkommen zwischen den Fünf Veto-Mächten plus Deutschland mit dem Iran 2015 unterzeichneten. Riyad und Jerusalem sehen Irans Nuklear-Bemühungen als lebensbedrohende Gefahr für ihre Länder und den gesamten Nahen Osten und befürchten, Biden könnte den von Trump 2018 gekündigten Vertrag wiederbeleben.

Israel und Saudi-Arabien verbinden auch wirtschaftliche Interessen. Netanyahus 500-km-Flug entspricht im Roten Meer und auf israelischem Territorium einer möglichen Pipeline-Strecke für Öl und Gas zum israelischen Hafen Ashdod am Mittelmeer. Von dort könnte die für Industrienationen lebenswichtige Energie schnell und kostengünstig unter Umgehung des Nadelöhrs Suez-Kanal nach Europa weitergeleitet werden. Eine Option, die Israel unterstützt durch die Saudis zu einem „global player“ im weltweiten Energie-Geschäft machen würde. Eine Perspektive die Netanyahu und Mohammed Bin Salman zweifellos als wirtschaftlich sexy einschätzen.

Übrigens, der Name Salman, in muslimischen Ländern und in Israel nicht selten als Vor- und Familiennamen anzutreffen, hat Prominente Träger. Seine Bedeutung im beiden Sprachen: der Friedfertige.

Über Godel Rosenberg

Journalist, Autor, High­techunternehmer. Godel Rosenberg war Pressesprecher der CSU und von Franz Josef Strauß, Fernsehjournalist, TV­-Moderator und Repräsen­tant des Daimler­-Konzerns in Israel. Von 2009 bis 2018 war Godel Rosenberg der Repräsentant Bayerns in Israel.

Alle Artikel

1 Kommentar

  1. Zu der Person v bin-Salman möchte ich mich hier nicht äußern.

    Saudi-Arabien hat unendliches Kapital VERSCHLEUDERT im Bemühen,
    mit westlichen Staaten gleichzuziehen
    – die Erfolge benötigen keines weiteren Kommentars!

    Allein etwas Identisches aufzubauen wird die Zukunft SAs NICHT sichern!
    Das erkannte bereits vor Langem bin-Laden und hierin hatte bin-Laden
    mit seinen Aussagen recht.

    Entwicklung ist ein Prozeß und KEIN Hau-Ruck-Verfahren!
    Für eine gute Zukunft von SA wird Israel der hoffnungsvollste Wegbereiter sein
    – das ist von beiden Seiten gut erkannt worden.
    Dennoch sehe ich in der militärischen Zusammenarbeit beider Staaten
    für Israel keinen Vorteil,
    weil ich den zahlreichen Machthabern in SA NICHT vertraue
    – Vertrauen, gar Freundschaft ist nämlich auch etwas, das einer Entwicklung bedarf.

    Israels wichtigstes Handelsprodukt für arabische Nachbarstaaten sollten NICHT
    Rüstungsgüter sein,
    sondern Hilfe zur Selbsthilfe – an erster Stelle Bildung.
    Israel verbündet sich derzeit in SA mit einem Staatssystem,
    das unfähiger nicht sein könnte.

    Die öffentliche Verwaltung in SA ist ein einziger Saustall von Korruption und Unfähigkeit
    – Vetternwirtschaft wohin man blickt!
    JEDES Engagement in ein derartiges Chaos ist vonseiten SAs blanke, sinnlose Prasserei.

    SA benötigt einen Fahrplan, der praktischerweise damit beginnen sollte,
    dass ausgebildete Verwaltungsrechtler aus dem Ausland den Staat neu ordnen.
    Viel Kapital zu besitzen darf NICHT das Ticket zu politischer Macht sein
    – die Chance für SA besteht darin, die Macht neu zu verteilen.

    Über mehrere Generationen hinweg müssen die saudischen Bürger – ALLE Bürger –
    – NICHT zwingend Staatsbürger (!) –
    an einer beispiellosen Bildungsoffensive teilhaben,
    damit ein Grundstock an eigenem Personal geschaffen werden kann.
    Wenn SA damit nicht HEUTE anfängt,
    wird es für SA keine gute Zukunft geben
    – einfachste Bauernweisheit: was man heute nicht sät, das wird …!

    Israel sollte helfen – nicht die unfähige Staatsführung in SA ausnutzen!
    SA sollte sich helfen lassen – militärische Stärke kommt automatisch mit volkswirtschaftlicher Potenz!

Kommentarfunktion ist geschlossen.