Die Welt ignoriert das Leiden der Jesiden

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Jesidische Kinder in einem Flüchtlingslager in der Autonomen Region Kurdistan. Foto: Wikipedia
Lesezeit: 3 Minuten

Kein Staat ist bereit, einen ersten Schritt zu machen, um ihnen beim Wiederaufbau ihrer zerstörten Dörfer zu helfen, nicht einmal ihre eigene Regierung.

von Dawood Saleh

Am sechsten Jahrestag des Völkermordes an den Jesiden sollten wir der mehr als 12.000 Jesiden gedenken, die am 3. August 2014 von ISIS getötet oder entführt wurden.

Sechs Jahre Leid, Vertreibung, Hunger, Entbehrung und Folter haben die Jesiden durchlebt. In diesen sechs Jahren haben sich einige Jesiden das Leben genommen, und Tausende bleiben für immer verloren. Viele junge jesidischen Männer mussten ihre Familien zurücklassen und bitten, ihr eigenes Leben zu riskieren, um andere in andere Länder in Sicherheit zu schmuggeln.

Einige wenige hatten das seltene Glück, ein kostbares Visum zu bekommen und aus dem Irak auszureisen, wobei sie auch ihre geliebten Familien in Flüchtlingslagern zurücklassen mussten (mich eingeschlossen). Die Mehrheit jedoch schmachtet immer noch in Lagern, untergebracht in verrottenden, nicht feuerfesten Zelten, die sich in nur 30 Sekunden in Asche verwandeln können. Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass kein Lager über ein ausreichendes Wasserreservoir oder schnellen Zugang zu Feuerwehrfahrzeugen verfügt. Aus diesem Grund haben zu viele Menschen durch Feuer ihr Leben verloren.

Zu viele leiden auch an PTBS, weil sie das Trauma des Völkermordes durchlebt haben und keinen Zugang zu einer angemessenen psychiatrischen Versorgung haben. Selbstmord ist in den Lagern und Dörfern keine Seltenheit.

Viel zu viele jesdische Kinder sind zu Waisen geworden und haben niemanden, der sich um sie kümmert. Zu viele Mütter haben sechs Jahre lang um ihre entführten Kinder geweint und warten immer noch auf Antworten. Noch immer werden junge jesidische Kinder gelegentlich von ISIS entführt.

Seit das Ende des ISIS-Kalifats verkündet wurde, glaubt die Welt, dass ISIS selbst nicht mehr existierte. Dies entspricht nicht Wahrheit, denn es gibt immer noch über 30.000 ISIS-Mitglieder, von denen einige aktiv sind und immer noch rekrutieren, während andere sich in Schläferzellen bereithalten. Viele ISIS-Mitglieder halt sich in den Hügeln versteckt, kommen in der Nacht herunter, um Schaden anzurichten, und kehren dann vor der Dämmerung zurück.

Und doch ignoriert die Welt die Leiden der Jesiden. Kein Staat ist bereit, einen ersten Schritt zu machen, um ihnen beim Wiederaufbau ihrer zerstörten Dörfer zu helfen, nicht einmal ihre eigenen Regierungen!

Jedes Jahr schäme ich mich, Teil dieser hässlichen Welt zu sein, in der Menschlichkeit nur noch ein Wort ist; einer Welt, in der alles zu politisch geworden ist und die einzigen Interessen Gier und Macht sind. Die Regierungen spielen mit unserem eigenen Leben.

Mein Volk und ich werden uns immer dafür schämen, wie die Welt uns zu Opfern von ISIS-Terroristen gemacht hat, ohne dass es Gerechtigkeit gibt dafür. Es gibt nur einen winzigen Hoffnungsschimmer in dieser Welt, der von Dunkelheit, Wahnsinn und Chaos verdeckt ist.

Wir glauben immer noch, dass die Hoffnung siegen und unser Leiden ein Ende haben wird. Wir hoffen, dass die Welt aus diesem Chaos erwacht und allen Überlebenden des Völkermords, einschließlich meines Volkes, der Jesiden, Gerechtigkeit widerfährt.

Wir hatten gehofft, dass sich die Geschichte mit solchen Gräueltaten nicht wiederholen würde. Doch für die Jesiden hat sich der Völkermord 74 Mal wiederholt. Wir hatten gehofft, die Welt hätte ihre Lektion aus dem Holocaust gelernt, aber die Realität ist weit davon entfernt.

Es ist sechs Jahre her, und die Mehrheit der Jesiden lebt immer noch in Zelten; sechs Jahre, und die Heimat der Jesideist immer noch unbewohnbar, da sie zu 80% zerstört ist; sechs Jahre, und immer noch werden 2.500 Frauen und Kinder von ISIS gefangen gehalten; sechs Jahre, und die Jesiden versuchen immer noch zu herauszufinden, wie es weitergehen soll.

Es gibt keine Hilfe von irgendeiner Regierung. Die Jesiden sind vollständig von Nicht-Jesiden umgeben, die sie jeden Augenblick angreifen wollen. Und das, während sie noch immer von ISIS gejagt werden.

Der Schriftsteller ist der Autor von Walking Alone und ein Überlebender des Genozids der Yazidi. Zuerst erschienen auf Englisch bei der Jerusalem Post.

1 Kommentar

  1. Wer die Jesiden wirklich beschützt hat, waren die YPG-Kämpfer. Ohne die wäre alles noch viel schlimmer.
    Hilfe an die YPG weäre auch Hilfe für die Jesiden. Na, Israel?

    Aber man will halt unter keinen Umständen irgendwelche Linken stärken. Dann lieber das jetzige Schlammassel.

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