„Corona, Shmorona“ ist inzwischen eine gängige Verballhornung unter Israeli, die wenig Lust verspüren aus Protest auf die Strasse zu gehen. Erstens bringt es ausser Entladung von Emotionen nicht allzuviel und zweitens ist das Covid-19-Virus nun mal Teil unseres Lebens geworden, das sich nicht wegdemonstrieren lässt. Und Juden haben in den letzten 3’800 Jahren zwischen Auszug aus Ägypten und dem Einzug ins Gelobte Land Schlimmeres überlebt.
Selbst die letzten 72 Jahre des modernen Israel hatten Tiefphasen, die Hoffnungslosigkeit aufkommen liessen. Vier Mal Opfer von Angriffskriegen, zwei vom Nachbarn erzwungene Libanon-Feldzüge und mehrfache Gaza-Scharmützel begleitet von unablässigem Terror haben den Erfolg Israels höchstens verzögert, aber nie stoppen können. Nichts soll verniedlicht werden, aber Grund zur Übertreibung gibt es sicherlich nicht.
Während die Regierung Netanyahu im Wochenrythmus Shekel-Milliarden an seine Bürger verteilt, um zumindest vorübergehend die 21prozentige Arbeitslosigkeit und den Fast-Totalverlust in der Tourismus-Branche abzufedern, blicken Nüchtern-denkende auf Post-Corona-Zeiten, die kommen werden – niemand weiss allerdings wann. Ein Blick auf Israels Ertragsperle seit zwei Dekaden – die High-Tech-Industrie mit heute über 9000 forschenden Start-up-Firmen – zeigt: der Laden brummt noch. Im ersten Halbjahr 2020 gab es 312 Investitionen, die 5,2 Milliarden US-Dollar ins Land gespült haben (1. Hj 2019 258/3,7 Milliarden US-Dollar). (Quelle: IVC-Meitar, regierungsunabhängig) Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass über die Hälfte der Investitionen im Januar/Februar, also vor Corona abgewickelt wurden. Der Abwärtstrend wird wohl im zweiten Halbjahr 2020 anhalten, aber die Branchen digitale Gesundheitstechnologie, Fintech und allgemeine digitale Dienste florieren in Israel ungebrochen.
In die seit Monaten von Corona bestimmten Negativ-Nachrichten platzte zu Wochenbeginn die „Breaking News“, dass sich der US-amerikanische Energie-Konzern Chevron – immerhin einer der grössten weltweit – mit fünf Milliarden US-Dollar in die Gasfelder vor Israels Küste einkauft. Die in Kalifornien beheimatete Firma mit einem Jahresumsatz von fast 160 Milliarden US-Dollar und insgesmat 45’000 Mitarbeitern hat der US-amerikanischen Bohrfirma Noble Energy alle Aktien für 10,38 US-Dollar pro Stück abgekauft. Wer Aktien (aktueller Kurs neun Euro) der verhältnismässig kleinen Texas-Firma, die in den letzten 10 Jahren vor der Küste Israels drei grosse Gas Funde angebohrt hat, erwerben konnte, bekommt jetzt 0,1191 Chevron-Aktien, die aktuell für 75 Euro gehandelt werden. Wenn alles abgewickelt ist, werden 13 Milliarden US-Dollar geflossen sein.
Zahlen, die Bände sprechen. Investitionen in dieser Grössenordnung sind wohlüberlegt, lange geprüft und sollen sich rechnen. Geld fliesst nur dorthin, wo es sich wohl fühlt, lautet ein altbekannter Börsianer-Spruch, der die Hoffnung auf hohe Renditen umschreibt. Wenn Chevron mit seiner 24. Tochtergesellschaft auf die Gasfelder Israels setzt, bedeutet es auch ein grosses Lob für die Regierung Netanyahu. Dafür gibt es unleugbare Fakten. Der Vielgescholtene hat gemeinsam mit Zypern und Griechenland beharrlich Deals eingefädelt, die zum Ziel haben, Gas nach Europa zu exportieren. Italien hat sein Interesse bekundet, am Bau einer Pipeline mitzuwirken. Osteuropäer wie Ungarn und Tschechien haben sich als potentiele Abnehmer für Israel/Zypern-Gas bereits gemeldet. Nicht zuletzt deshalb, weil sie von Energielieferungen des Ex-Peiniger Russland unabhängig werden wollen.
Mit diesem Grossprojekt will sich Israel auch politisch breiter im Mittelmeerraum aufstellen und sein Corona-Defizit 2020/21 von geschätzten 11 Milliarden US-Dollar (Quelle: Bank of Israel) in den nächsten Jahren zumindest teilweise auffangen. Das „Wallstreet Journal“ bewertete den aktuellen Chevron-Einstieg in Israel immerhin als das grösste Energie-Geschäft weltweit seit Beginn der Corona-Pandemie.
Damit bewahrheitet sich: 2020 ist das Jahr für Investitionen in Israel. Der gelassene, über den Tellerrand hinausblickende Investor bekommt für sein Geld eine grössere Scheibe vom vielversprechenden Innovations-Kuchen als in Vor-Corona-Zeiten. Vorsicht ist allemal geboten und nichts soll verniedlicht werden. Denn nichts ist bekanntlich schwieriger vorauszusagen als die Zukunft.
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