Die Universitäten in Israel haben einen sehr guten Ruf in Bezug auf ihren hohen Bildungsstandard, ihre Student-Life-Balance, die renommierten Forschungsinstitute und ihre akademischen Mitarbeiter und Professoren.
Regelmässig sind vor allem die beiden bekanntesten Universitäten, die Tel Aviv University und die Hebrew University in Jerusalem, in den obersten Plätzen der weltweiten Rankings der Top Universitäten vertreten. Zahlreiche Almunis finden sich in internationalen Spitzenpositionen in Bereichen wie Forschung, Lehre, Wirtschaft und Politik wieder. Nicht wenige von ihnen zählen zu den Gewinnern von Nobelpreisen und anderen wichtigen Auszeichnungen.
Doch auch andere Hochschulen, wie z. B. die jüngste aller Universitäten in Israel – die Ariel University in Samaria, verdienen eine genauere Betrachtung.
Gegründet wurde die Universität bereits im Jahr 1982, erhielt aber erst im Jahr 2012 den Status einer vollwertigen Forschungseinrichtung und Hochschule. Rund 16’000 Studenten erhalten dort ihre Ausbildung bei den insgesamt 474 Lehrkräften. Jeder Abschluss, egal ob Bachelor, Master, Promotionen oder Habilitationen, kann hierbei an der Ariel University bestritten werden.
Ein erklärtes Ziel der Universität ist es, die Diversität ihre Mitglieder, welche orthodoxe und säkulare Juden, Drusen, Christen, Muslime etc. umfasst, als Brücke zur interkulturelle Verständigung zu nutzen und somit die regionalen und kommunalen Strukturen zu stärken. Eine gemeinsame Zukunft, die von gegenseitigem Respekt und von Zusammenarbeit gekennzeichnet ist, ist hierbei das Ziel. Um dies zu erreichen, wurden zahlreiche Programme ins Leben gerufen. Eines dieser Projekte erleichtert z. B. autistischen Studenten, mittels des sogenannten „Buddy-Programs“, den Einstieg in den Universitären Alltag.
Ebenfalls erwähnenswert ist der Fakt, dass die Ariel University die höchste Studentenzahl an äthiopischen Juden aufweisen kann. Auch für sie gibt es ein spezielles Förderprogramm.
Doch trotz all der vorbildlichen Inklusionsarbeit gibt es immer wieder es harsche internationale Kritik an der Institution. Im Jahr 2018 etwa, sagten sechs von elf Wissenschaftler ihre Teilnahme an einem Physik Workshop ab, da der Standort der Universität ein Problem für sie darstellte. Immer wieder setzen Palästinensische Bildungseinrichtungen und die Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen (BDS) Bewegung ausländische Professoren und andere Persönlichkeiten unter Druck, da sie das Land, auf dem die Universität errichtet wurde, als gestohlenes, palästinensisches Land betrachten und die Universität somit als illegalen Komplex.
Um einen genaueren Einblick in den Alltag und in die Probleme der Universität zu bekommen, sprach ich mit dem Studiendekan der Einrichtung, Professor Shmuel Schacham:
Die Ariel University ist für die fantastische Diversität ihrer Studenten, in Bezug auf ihre Herkunft und ihre sozialen und religiösen Unterschiede, bekannt. Wie können Sie sich dieses Phänomen erklären?
Professor Schacham: Die Universität hat stets darauf Wert gelegt, eine Institution zu sein, in der sich alle Studierenden willkommen fühlen. Wir bemühen uns besonders um offene Beziehungen zwischen den Studenten. Wir erlauben alle politischen und sozialen Aktivitäten als Teil der sogenannten „Zellen“. All diese Aktivitäten finden jedoch nur in Innenräumen und unter Aufsicht des Dekans statt. Trotz einiger Proteste von Gruppen, die z. B. dagegen demonstrieren wollten, funktioniert dies sehr gut. Darüber hinaus investiert die Universität ihre Ressourcen in die Förderung von verschiedenen Sektoren. Wir haben einen wachsenden arabischen Korpus an unserer Universität. Die überwiegende Mehrheit der arabischen Studenten wird Ihnen sagen, dass sie sich auf dem Campus sehr wohl fühlen. Sie haben ihre eigenen Koordinatoren in meinem Büro, die sich um ihre sozialen Aktivitäten kümmern und ihnen beim Lernen helfen. Mit Unterstützung des Hochschulausschusses (CHE) bieten wir Tutoren und Sonderschullehrer sowie andere notwendige akademische Unterstützung an. Ähnliche Sorgfalt gilt Juden äthiopischer Herkunft. Sie haben einen engagierten Koordinator aus ihrer Gemeinde, der ihre akademischen Leistungen verfolgt und dafür sorgt, dass sie auf dem Laufenden bleiben. Es ist äusserst wichtig, eine grosse Anzahl von Studenten äthiopischer Herkunft aufzunehmen. Dies hat grosse Auswirkungen auf ihre Gemeinde. Aber noch wichtiger ist es, alles dafür zu tun, um ihren Erfolg sicher zu stellen, ihnen dabei zu helfen ihren Abschluss zu meistern und anschliessend eine Beschäftigung zu finden. Letztes Jahr haben wir einen neuen Senior-Koordinator für die drusischen Studenten hinzugefügt. Auch ihre Zahl auf dem Campus steigt rapide.
Findet ein Boykott von Seiten verschiedener Gruppen, wie zum Beispiel BDS, auf Grund der Lage der Universität statt und wenn ja, wie schädlich ist er für Ihre Institution?
Der Boykott ist ein äusserst beunruhigendes Thema. In erster Linie betrifft er den Bereich der Forschung, die viele Aspekte der Arbeit abdeckt. Um nur einiges zu nennen: Die grössten amerikanischen und europäischen Forschungsfonds, die Milliarden von Dollar und Euro bereitstellen, boykottieren Ariel. In bestimmten Bereichen lehnen wichtige Zeitschriften die Annahme von Beiträgen unserer Forscher in Gänze ab oder machen es uns zumindest äusserst schwer, diese zu publizieren. Es ist ebenfalls sehr schwierig, eine internationale wissenschaftliche Konferenz in Ariel zu organisieren und wenn eine solche Konferenz tatsächlich stattfindet, rufen „gute Seelen“ die Referenten und Besucher an, die sich eingeschrieben haben, um sie noch vor dem Kommen zu verschrecken und ihre Teilnahme zu verhindern.
Die Ariel University wurde vom EU-Förderprogramm für Forschung und Innovation (Horizont 2020), ausgeschrieben von der Europäischen Kommission, ausgeschlossen. Was sind die Gründe für den Ausschluss und glauben Sie, dass sich ein solches Verhalten in Zukunft ändern könnte?
Wie bereits gesagt, ist der Boykott ist ein äusserst beunruhigendes Thema und erfolgt leider nicht nur von europäischen Institutionen, sondern auch von Seiten Amerikas. Ariel ist u. a. von Fonds wie BIRD ausgeschlossen. Trotz des Versprechens der gegenwärtigen Regierung, diesen Zustand zu ändern, ist bisher noch nichts passiert – Wir warten immer noch.
Denken Sie, dass Ihr Campus aufgrund seiner Vielfalt und seiner Projekte dazu beitragen kann, ein besseres gegenseitiges Verständnis und ein friedlicheres Zusammenleben in der Region zu ermöglichen?
Ich bin sicher, dass unsere Universität einen positiven Effekt auf alle Studenten auf dem Campus und auf seine Mitarbeiter hat. Zusätzlich zu der allgemein positiven Verständigung zwischen arabischen und jüdischen Studenten, haben wir einen speziellen Workshop ins Leben gerufen, der vom Dekanat organisiert wird und „Grenzüberschreitungen“ heisst. Er wird von einem Fakultätsmitglied der Abteilung für Nahoststudien betreut. Die Teilnehmer sind zu 50% arabische und zu 50% jüdische Studenten. Es gibt sogar eine Warteliste für diesen Workshop. Die Teilnehmer beschäftigen sich mit „heiklen“ Themen, äussern sich offen darüber und lernen auf lange Sicht gesehen, die jeweils andere Seite des Dilemmas zu erkennen. Der letzte Teil dieses Workshops beinhaltet den gemeinsamen Gang zum Tempelberg. Jeder Teilnehmer findet dies sehr spannend.
Fürchtet die Universität Ausschreitungen in Bezug auf die aktuellen Annexionspläne, die Teile von Judea und Samaria umfassen?
Annexion – Ich habe keine Angst davor. Sie sind herzlich eingeladen, unsere junge Universität zu besuchen. Ich bin mir sicher, Sie werden beeindruckt sein.
Es bleibt festzuhalten, dass die Ariel University ein beindruckendes Institut der Lehre, Forschung und vor allem der Mitmenschlichkeit ist. Eine jede Institution und ein jedes Land, dass eine Universität boykottiert, weil sie angeblich auf gestohlenem palästinensischen Land erbaut und sich somit u. a. an der Verletzung von internationalem Recht schuldig macht, sollte sich in Grund und Boden schämen, da sie mittels ihrer Ablehnung genau denjenigen schaden, die sie vorgeben zu schützen – den Palästinensern. Es bleibt zu hoffen, dass ein derartiger Boykott mit der Zeit und mit fortschreitender Aufklärungsarbeit in Zukunft ein jähes Ende findet.
Trotz der Treue zu meiner Alma Mater in Tel Aviv, ermutige ich jeden Studenten, der eine gute Ausbildung in einer einzigartigen Landschaft und einer noch bewundernswerteren akademischen Vielfalt geniessen möchte, sich für einen Studiengang an der Ariel University einzuschreiben. Ich bin mir sicher, man wird auch in Zukunft noch viel von ihr hören.
Dass nicht unerhebliche Teile des EU-Apparates einer Art Kumpanei mit dem BDS bezichtigt werden können, verwundert nicht weiter. Doch die Frage warum die Ariel University vom EU-Förderprogramm für Forschung und Innovation ausgeschlossen wurde, ist leider nicht beantwortet worden. Es wäre interessant, unter welchen Vorwänden dies umgesetzt wurde.
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