Kein Land wird in Gremien der Vereinten Nationen so oft verurteilt wie Israel – und das mit riesengrossem Abstand. Menschenrechtsrat, Unesco, WHO, Frauenrechtskommission, Generalversammlung – sie alle warten regelmässig mit den immer gleichen Verurteilungen des jüdischen Staates auf. An dieser Obsession beteiligen sich allerdings nicht nur die Autokratien, Despotien und Diktaturen, sondern auch Demokratien. Eine zahlengesättigte Bilanz der Schande aus den Jahren 2015 bis 2019.
Als der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen Ende Juni zusammentrat, um seine jährliche Hauptsitzung fortzuführen, die im März wegen der Corona-Pandemie unterbrochen worden war, ergab sich am Ende das gewohnte Bild: Von den acht Resolutionen, in denen jeweils ein einzelnes Land verurteilt wurde, richteten sich gleich fünf gegen Israel. Die übrigen drei entfielen auf den Iran, Syrien und Nordkorea. Einmal mehr wurde der jüdische Staat als der mit Abstand schlimmste Menschenrechtsverletzer der Welt dargestellt, demgegenüber diesbezüglich alle anderen Länder verblassen. Vorgeworfen wird Israel unter anderem, in den sogenannten palästinensischen Gebieten und auf den Golanhöhen gegen internationales Recht zu verstossen, exzessiv Gewalt anzuwenden und das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung zu beeinträchtigen.
Zu diesen Resolutionen gegen den jüdischen Staat kommt es auf den Sitzungen des Rates regelmässig, kein Land wird häufiger verurteilt:* 85-mal war das zwischen 2006, dem Gründungsjahr des Menschenrechtsrates, und 2019 der Fall. Weit abgeschlagen folgt Syrien – eine Diktatur, in der ein brutales Regime seit Jahren einen blutigen Krieg führt, dem bereits Hunderttausende zum Opfer gefallen sind – mit 32 Verurteilungen. Dahinter liegen Myanmar (22), Nordkorea (12), der Iran und Eritrea (je 9). Staaten wie Saudi-Arabien, Pakistan, die Türkei und der Sudan sind bislang ungeschoren davongekommen. Mehr als die Hälfte der derzeitigen Mitglieder des Menschenrechtsrates sind keine Demokratien.
Menschenrechtsrat: Nur Israel mit eigenem Tagesordnungspunkt
Seit jeher simulieren die Autokratien und Despotien in diesem Gremium menschenrechtliches Engagement, indem sie gegen Israel stimmen. Dabei werden sie von den demokratischen Staaten allerdings häufig unterstützt; die Mehrheiten bei den betreffenden Abstimmungen sind oft klar. Israel ist auch das einzige Land, dem auf ausnahmslos jeder Sitzung des Rates ein eigener, fester Tagesordnungspunkt gewidmet ist, während über die menschenrechtlichen Angelegenheiten anderer Länder in der Generaldebatte gesprochen wird. Auch bei den 28 Dringlichkeitssitzungen des Rates liegt der jüdische Staat vorne: Achtmal wurde auf Initiative arabischer Staaten seinetwegen eine solche Sitzung einberufen; fünfmal ging es um Syrien, zweimal um Myanmar. Gleiches gilt für die Untersuchungskommissionen: Acht davon waren mit Israel befasst, je zwei mit Syrien, Myanmar und Libyen, eine mit Nordkorea.
Die Schweiz war zuletzt 2018 Mitglied des Menschenrechtsrates. In jenem Jahr gab es sechs Resolutionen gegen Israel, fünf davon wurden auch in den Jahren zuvor und im Jahr danach zu den identischen Themen mit sehr ähnlichem Wortlaut eingebracht und mit Mehrheit verabschiedet. Von den sechs im vorvergangenen Jahr gegen den jüdischen Staat gerichteten Verurteilungen stimmte die Schweiz vieren zu und enthielt sich bei den restlichen beiden. In den Jahren 2016 und 2017 schloss sie sich ebenfalls vier antiisraelischen Resolutionen an und enthielt sich jeweils bei der Abstimmung über die Vorlage zum Thema «Menschenrechte im [von Israel] besetzten syrischen Golan».
Unesco: Antiisraelische Geschichtsklitterungen
In der Unesco ist das Zahlenverhältnis noch extremer. Zwischen 2015 und 2019 gab es insgesamt 26 Resolutionen, in denen jeweils ein einzelnes Land verurteilt wurde. Ausnahmslos alle richteten sich gegen Israel, keine einzige gegen eine anderen Staat. In den Jahren 2009 bis 2014 lag dieser Wert bei 46 von 47 Resolutionen. In den Beschlusstexten wird beispielsweise jede historische und gegenwärtige jüdische Beziehung zu Jerusalem und insbesondere zum dortigen Tempelberg rundweg ignoriert und ausschliesslich die Bedeutung des «Haram al-Scharif» – das ist der arabische Name für den Tempelberg – für den Islam hervorgehoben. Israel wird als «Besatzungsmacht» in ganz Jerusalem bezeichnet und insbesondere für seine archäologischen Grabungsarbeiten in der Altstadt angegriffen.
Alles, was der jüdische Staat in der Stadt unternimmt, ja, faktisch sogar seine schiere Präsenz wird als unrechtmässig und ungültig bezeichnet. Im April 2016 verabschiedete die Unesco sogar einen Beschluss, in dem Israel für das «Platzieren gefälschter jüdischer Gräber» auf muslimischen Friedhöfen in Jerusalem verurteilt wurde. Eine besonders absurde Entscheidung, die deutlich macht, in welchem Ausmass der Antisemitismus als Antrieb für derartige Resolutionen fungiert: Juden, so insinuiert dieser Beschluss, täuschen, tricksen und betrügen noch über den Tod hinaus, und ihre Landnahme erstreckt sich sogar auf die Friedhöfe der Muslime. Man muss es so deutlich festhalten: Immer wieder erklärt die Unesco unumstössliche, unleugbare historische Tatsachen einfach per Mehrheitsbeschluss für inexistent und ersetzt sie durch Geschichtsklitterungen. Zugespitzt formuliert könnte man sagen, dass sie den Antisemitismus als Weltkulturerbe adelt.
WHO: Nur Israel wird verurteilt
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in den vergangenen Jahren immer nur Israel in Resolutionen explizit verurteilt. Fünfmal wurde zwischen 2015 und 2019 auf den Jahresversammlungen jeweils eine Beschlussvorlage mit dem Titel «Health conditions in the occupied Palestinian territory, including east Jerusalem, and in the occupied Syrian Golan» eingebracht, zuletzt von einer 29 Staaten umfassenden Allianz, zu der unter anderem der Irak, Kuwait, der Libanon, Pakistan, Katar, Saudi-Arabien und der Jemen gehörten. Fünfmal wurde sie angenommen. In diesen Resolutionen wird Israel als weltweit einziges Land dafür gebrandmarkt, die geistige und die körperliche Gesundheit von Menschen sowie die Umwelt zu schädigen. Nicht etwa Syrien oder Russland wegen der Bombardierung syrischer Krankenhäuser, auch nicht beispielsweise der Jemen, wo fast 20 Millionen Menschen der Zugang zu Nahrung und Wasser verweigert wird. Nein, Israel – und nur Israel.
Der Tenor der Verurteilungen lautet stets: Der jüdische Staat macht die Menschen in den «besetzten Gebieten» krank, versagt ihnen notwendige medizinische Hilfe und vergiftet die Umwelt. Dadurch, dass ihm als einzigem Land auf den WHO-Versammlungen eine eigene Entschliessung gewidmet wurde, erhielt er zudem eine Sonderstellung – seine vermeintlichen Verstösse erschienen so als aussergewöhnlich gravierend. Hillel Neuer, der Geschäftsführer der Organisation UN Watch, kritisierte das in Stellungnahmen scharf und hob hervor, dass «jeder, der jemals in einem israelischen Krankenhaus oder einer Klinik war, [weiss,] dass Israel eine Gesundheitsversorgung von Weltklasse [auch] für Tausende von palästinensischen Arabern und Syrern bietet, die vor Assad fliehen».
Dennoch votieren nicht nur die arabischen Länder und andere autokratische oder diktatorische Regime für diese Resolutionen, sondern auch zahlreiche Demokratien. Die Schweiz beispielsweise stimmte von 2015 bis 2019 jedes Mal mit «Ja» und beteiligte sich so an der Dämonisierung und Delegitimierung Israels auch in der WHO. Die Mehrheiten sind stets gross, 2019 etwa gab es für den Resolutionsentwurf 96 Ja-Stimmen bei nur 11 Nein-Stimmen – darunter die der USA, Grossbritanniens, Australiens, Kanadas, Guatemalas und Israels sowie erstmals die von Deutschland – und 21 Enthaltungen.
Israel als grösster Frauenrechtsverletzer der Welt?
Bei den Vereinten Nationen gibt es zudem seit 1946 eine Fachkommission für die rechtliche Stellung der Frau, die United Nations Commission on the Status of Women. Sie gehört zum Wirtschafts- und Sozialrat der Uno, einem der sechs UN-Hauptorgane. Die Kommission hat sich die Geschlechtergerechtigkeit zum Ziel gesetzt, sie tritt für die universellen Rechte von Frauen ein und beobachtet, wie sich die diesbezügliche Lage in der Welt entwickelt. Einmal im Jahr tritt das derzeit 45 Mitglieder umfassende Gremium im UN-Hauptquartier in New York zusammen, um den Stand der Dinge zu resümieren, politische Schritte zu beraten, Resolutionen zu verabschieden und Programme zu beschliessen. Es ist die höchste und wichtigste Einrichtung der Vereinten Nationen, was Frauenrechte betrifft.
Man könnte annehmen, dass in den Resolutionen beispielsweise der Sudan kritisiert wird, wo 88 Prozent der Frauen unter 50 Jahren eine Genitalverstümmelung über sich ergehen lassen mussten und wo das Mindestalter für eine Heirat von Mädchen bei zehn Jahren liegt. Oder Saudi-Arabien, wo Frauen physisch bestraft werden, wenn sie nicht die vorgeschriebene Kleidung tragen, und wo sie bis vor kurzem nicht einmal Auto fahren durften. Oder der Iran, wo Frauen wegen eines Seitensprungs zu Tode gesteinigt werden können, keinem Gericht vorstehen dürfen, einem rigiden Kopftuchzwang zu folgen haben und das Einverständnis ihres Mannes benötigen, um ausserhalb ihrer Wohnung zu arbeiten. Oder eines jener zahlreichen Länder, in denen «Ehrenmorde», Frauenhandel, Zwangsprostitution und die gesamte Palette der Vorenthaltung politischer, individueller und sozialer Rechte für Frauen an der Tagesordnung sind.
Doch der einzige Staat, der in Beschlüssen der Frauenrechtskommission zwischen 2015 und 2018 mit jeweils deutlicher Mehrheit verurteilt wurde, ist der jüdische. Und das nicht, weil die Lage der israelischen Frauen ganz besonders beklagenswert wäre. Vielmehr heisst es etwa in der Resolution des Jahres 2018, man sei «tief besorgt» über «die ernste Lage der palästinensischen Frauen in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschliesslich Ost-Jerusalem», die eine «Folge der schweren Auswirkungen der anhaltenden illegalen israelischen Besetzung und all ihrer Erscheinungsformen» sei. »Die israelische Besatzung«, so wird im Beschluss weiter ausgeführt, «bleibt das Haupthindernis für palästinensische Frauen, was ihre Fortschritte, ihre Eigenständigkeit und ihre Integration in die Entwicklung ihrer Gesellschaft betrifft».
Nicht die Hamas, die Fatah und der Islamische Jihad sollen also für die miserable Situation von Frauen in den sogenannten palästinensischen Gebieten verantwortlich sein, sondern Israel. Auch in diesem Gremium sind die unfreien Länder in der Mehrheit und stimmen in der Regel geschlossen gegen den jüdischen Staat. Doch auch von den Demokratien können sich nur wenige zu einer Ablehnung durchringen; 2017 zum Beispiel gab es nur ein Nein-Votum – das von Israel selbst. Ein Jahr später stimmten neben Israel drei weitere Länder dagegen, nämlich Grossbritannien, Kanada und Guatemala. Der Grossteil der demokratischen Staaten enthält sich der Stimme, so wie die Schweiz zwischen 2015 und 2017 (im Jahr darauf schied sie turnusmässig aus der Kommission aus). 2018 wollten beispielsweise Belgien, Estland, Irland, Norwegen, Südkorea und Spanien nicht gegen den Resolutionsentwurf votieren.
Generalversammlung: Dauertribunal gegen den jüdischen Staat
Und dann ist da ja noch die Generalversammlung der Vereinten Nationen, die jedes Mal zu einem regelrechten Tribunal gegen Israel wird. Von 2015 bis 2019 wurde der jüdische Staat sage und schreibe 101-mal in Resolutionen verurteilt – und damit häufiger als alle anderen Länder der Welt zusammen. Russland kam in diesem Zeitraum auf lediglich 10 Verurteilungen, Syrien auf 7, die USA auf 6, Nordkorea auf 5, der Iran auf 4 und Myanmar auf 3. Die Zustimmungsquote der Schweiz beläuft sich bei den gegen Israel gerichteten Resolutionen auf 79 Prozent, die übrigen 21 Prozent sind Enthaltungen. Ein schweizerisches Nein gab es in diesen Jahren nicht. Zum Vergleich: Deutschland stimmte bei 74 Prozent der antiisraelischen Beschlüsse mit «Ja» und bei einem Prozent mit «Nein»; in 25 Prozent der Fälle enthielt es sich.
Es sind aber nicht nur die blossen Zahlen, durch die Israel als übelster Schurkenstaat der Welt dämonisiert wird, wie UN Watch zu Recht kritisiert: «Was die UN-Resolutionen zu Israel von praktisch allen anderen länderspezifischen Resolutionen unterscheidet, ist, dass sie mit politischer Übertreibung, selektiver Berichterstattung und der systematischen Unterdrückung aller gegensätzlichen Fakten durchsetzt sind, die als Hintergrundinformation oder im Kontext einen Ausgleich schaffen könnten.» Im Gegensatz dazu neigten Resolutionen zu anderen Ländern dazu, diplomatisch zu sein und oft auch Lob zu enthalten: «Selbst Resolutionen des Menschenrechtsrates zu Gräueltaten im Sudan – zu einer Zeit, als sein inzwischen ehemaliger Präsident Omar al-Bashir vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Völkermordes gesucht wurde – fanden immer wieder auch lobende Worte zu Khartum und forderten internationale Hilfsgelder für die sudanesische Regierung», so UN Watch weiter.
Gewiss: Die Resolutionen der Generalversammlung sind, wie auch die Beschlüsse des Menschenrechtsrates, der WHO, der Unesco oder der Frauenrechtskommission, nicht rechtlich bindend. Trotzdem entfalten sie eine politische Wirkung, indem sie das Bild Israels massgeblich prägen und auf der diplomatischen Ebene zu einer Delegitimierung des jüdischen Staates beitragen. Kein anderes Land der Welt wird in den Gremien der Uno auch nur annähernd so häufig an den Pranger gestellt und verurteilt. Dass dabei Massstäbe angelegt werden, die man bei keinem anderen Staat geltend macht, könnte offensichtlicher nicht sein. Wenn aber der einzige jüdische Staat auf dem Planeten dermassen verteufelt und de facto aus der Weltgemeinschaft ausgesondert wird, handelt es sich um Antisemitismus – auch dann, wenn es unter dem Dach der renommierten Uno geschieht. Dafür, dass sich an dieser Obsession immer wieder auch die Demokratien beteiligen, gibt es keinen einzigen vernünftigen Grund. Im Gegenteil: Es ist eine Schande.
* Sämtliche Zahlen und Fakten in diesem Text sind den Datenbanken der Vereinten Nationen und von UN Watch entnommen worden.
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Ich binJude aus der Schweiz. Lebe heute in Bayern. Die schweiz ist sehr stark antisemitisch ausgerichtet. Habe dies selber auch erlebt. In der Regierung gibt es Leute die offen gegen Juden sind und sprechen und dies wird in keinster weise unterbunden.Daher bin ich nicht überrascht von diesem Bericht.Shabbat Shalom ve AM ISRAEL CHAI
das Abstimmungsverhalten der Schweiz in der UNO passt sehr gut zu den Abweisungen von Juden an ihrer Grenze damals im 2. Weltkrieg. Wie viele haben sie damals in den sicheren Tod geschickt
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