Antisemitismus: SRF und die Netiquette

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Foto Megalesius, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=37531287
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Lesezeit: 5 Minuten

UPDATE 14. Juli 2020: SRF hat die Kommentare nach dem Erscheinen dieses Artikels entfernt und unter anderem mitgeteilt: “SRF hat die von Ihnen erwähnten Kommentare umgehend gesichtet. Sie verstossen gegen die Netiquette von SRF und hätten nicht freigeschaltet werden dürfen. Aus diesem Grund wurden diese Kommentare nun gelöscht. SRF klärt intern, wie es zur Publikation kommen konnte, um solchen Fehlern in Zukunft vorzubeugen.”

Das Schweizer Radio und Fernsehen SRF steht, laut eigener Aussage, mit seinen sechs Radioprogrammen, drei TV-Sendern und zahlreichen Multimedia Angeboten im „Dienst der Öffentlichkeit“. Des Weiteren soll die freie Meinungsbildung mittels „sachgerechten Informationen“ gefördert werden. Sucht man nach den journalistischen Standards des Medienhauses, so findet man Aussagen wie: „Wir fördern die Meinungsvielfalt und den Austausch zwischen Interessengruppen. So garantieren wir, dass die politische Diskussion demokratisch bleibt.“ In den Netiquette und User Generated Content (UGC) Erklärungen des SRF heisst es unter anderem: “Ausdrücklich nicht toleriert sind: Diskriminierung aller Art wie beispielsweise aufgrund von Religion, Nationalität, Hautfarbe, sexueller Orientierung, politischer Gesinnung, Alter oder Geschlecht.“

Bei all diesen professionellen und vor allem noblen Intentionen stellt sich jedoch die Frage, wie es sein kann, dass antisemitische Kommentare unter einem Online Artikel von SRF toleriert werden und man sie schlichtweg unkommentiert dastehen lässt.

In der täglich ausgestrahlten Radiosendung “Echo der Zeit” vom 24. Juni 2020, wurde ein Beitrag von Susanne Brunner mit dem Titel „Netanjahu riskiert massive Spannungen in der Region“ gesendet. Unter dem Beitrag, auf der Website des SRF, sind mehrere Kommentare zu finden, die uralte antisemitische Stereotype befeuern, wie z.B. dass Juden oder Jüdinnen zu viel Einfluss auf das Weltgeschehen haben und das sogenannte Finanzjudentum die Welt beherrscht. So schreibt ein K.S. am 27. Juni 2020: „…ohne die Stimmen der Juden in den USA kann keiner Präsident werden. [… ] die Juden haben in den USA sehr grossen Einfluss auch in finanzieller Hinsicht!“ Diese Aussagen suggerieren, dass es eine mächtige jüdische Lobby in den USA gibt, die im Hintergrund als Strippenzieher die Politik lenkt und über einen grossen finanziellen Reichtum verfügt. Was wie eine billige Wiederauflage der Protokolle der Weisen von Zion anmuten mag, scheint heute leider wieder en vogue zu sein, insbesondere in Bezug auf Online Kommentare in den Weiten des Internets und auf Social Media. Eine Mehrheit der Leser gab dem Beitrag jedenfalls ihre Zustimmung.

Screenshot SRF.ch

Wer nun hofft, dass dieser Kommentar nur ein Einzelfall war, der werde sogleich eines Besseren belehrt, denn Rudolf K. pflichtete seinem Vorredner nicht nur bei, sondern fügt noch am selben Tag hinzu: „Herr S., Beweise kann ich Ihnen keine vorlegen. Ich weiss aber, dass die jüdischen Organisationen in New York das ziemlich offen sagen und damit kokettieren, dass die amerikanische Regierung von ihnen abhängig sei.“ Hierbei gibt er zwar offen zu, dass die Aussagen seines Vorredners jeglicher Substanz entbehren, fügt aber problemlos eine weiter Behauptung an, für die er keinerlei Nachweis erbringt, nämlich, dass die betroffenen jüdischen Organisationen von sich selber behaupten würden, die amerikanische Politik zu steuern. Die Mehrheit der Leser stimmt auch diesem Kommentator zu.

Screenshot SRF.ch

Ein anderer Leser, Kurt L., bedient sich hingegen der gern verwendeten antizionistischen Spielart des Antisemitismus und erntet für seinen Kommentar, mit 56 Zustimmung und lediglich 17 Ablehnungen, den grössten Beifall. Die folgende Aussage postete er am 27. Juni 2020: „Israel darf auch im amerikanischen Wahlkampf mitmischen und Lobbyismus betreiben, was sonst als Wahleinmischung ausgelegt wird. Als Krönung erhält Israel nicht unerhebliche Fördergelder und Rüstungssubventionen, da schliesst sich der Kreis.“ Der einzige Jüdische Staat der Welt wird hierbei als Synonym für den „jüdischen Unruhestifter, Strippenzieher und Kriegstreiber“ an sich verwendet.

Screenshot SRF.ch

Betrachtet man nun noch einmal die Netiquette des SRF und wendet sie auf die jeweiligen Kommentare an, wird schnell klar – hier sollte das Medienhaus aktiv werden und eingreifen. Doch offenbar scheint es einigen Medien schwer zu fallen, Antisemitismus in Form von Antizionismus zu erkennen. In der offiziellen Antisemitismus Definition der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (IHRA), welche die Europäische Union bereits vor einiger Zeit übernommen hat, heisst es beispielsweise, dass das Nutzen von antisemitischen Bildern und Symbolen, um den Staat Israel/die Israelis darzustellen, antisemitisch ist. Es handelt sich ebenfalls um Antisemitismus, wenn Juden als Kollektiv für die Handlungen Israels verantwortlich gemacht werden.

Keine Antwort vom SRF

Doch auch mit dem Erkennen von einfachen, uralten antisemitischen Stereoptypen, für die man im 21. Jahrhundert nun wahrhaftig kein Handbuch mehr zur Identifizierung benötigen sollte, scheint das Schweizer Fernsehen seine Probleme zu haben. Audiatur-Online bat das Medienhaus am 6. Juli 2020 um eine Stellungnahme. Bis heute (13. Juli 2020 09:00) bekamen wir von den Verantwortlichen beim SRF jedoch keine Rückantwort und auch die antisemitischen Äusserungen sind nach wie vor unter dem Beitrag zu finden.

Was für ein Licht wirft dies auf das Schweizer Radio und Fernsehen? Das Medienhaus sagt über sich selbst: „Wir stehen für Glaubwürdigkeit, Kompetenz und Professionalität. Wir gewichten Relevanz höher als kurzfristige Aufmerksamkeit. Wir lernen aus Fehlern.“ Es zeugt jedenfalls nicht von Professionalität, wenn man seine Statuten nicht allzu Ernst nimmt und seine Werte nur auf dem Papier vertritt. Auch aus Fehlern scheint man nicht zu lernen, da nach dem erfolgten Hinweis auf die antisemitischen Kommentare keinerlei Anstrengungen unternommen wurden und sie stattdessen weiterhin unkommentiert online für jeden zugänglich sind. Doch das Schweigen scheint, wie bereits erwähnt, gerade Hochkonjunktur zu haben, wenn Antisemitismus wieder laut wird. Gerade das SRF, welches Berichte wie „Antisemitismus in der Schweiz – Schweizer Juden fühlen sich zunehmend diskriminiert“ (dessen über 100 Kommentare einen weiteren Artikel nach sich ziehen könnten) veröffentlicht, sollte wachsamer mit den Kommentaren auf seiner Seite umgehen. Denn auch die edelsten Statuten sind nur Schall und Rauch, wenn sie, aus welchen Gründen auch immer, nicht angewendet werden. Eine Antwort kann hierbei nur das SRF geben und antworten sollte es vor allem auch den antisemitisch angehauchten Kommentatoren, denn laut eigener Aussage will das Medienhaus schlussendlich garantieren, “dass die politische Diskussion demokratisch bleibt.” Mittels Stillschweigen wird das Schweizer Radio und Fernsehen SRF diesen Leitsatz jedenfalls nicht umsetzen können.

1 Kommentar

  1. Wie in einem vorherigen Kommentar geschrieben ist die Schweiz sehr stark antisemitisch eingestellt.Vor vielen Jahren habe ich eine Kommentatorin der Sendung “Rundschau” auf einen Bericht in dieser Sendung gegen Juden auf der Strasse in Zürich angesprochen,und Sie hat mich nur Ausgelacht. Rundschau ist eine Politische Abendsendung des SRF.Wie gesagt:Man stellt Kommentare ins Netz oder erlaubt es,und anschliessend sagt man,haben wir nicht gesehen oder bemerkt.Doch der Schaden ist unausweichlich gemacht oder auch gewollt.Dies war meiner Meinung nach gewollt.Ich als Jude habe die Schweiz aus diesen Gründen verlassen.Ich benütze auch keine CH-Papiere mehr nur noch israelische.Ich sage auch niemandem dass ich CH-Bürger bin.Shabbat Shalom ve AM ISRAEL CHAI

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