Whistleblower entlarvt Korruption innerhalb der Palästinensischen Autonomiebehörde

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Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas. Foto Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=84764529
Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas. Foto Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=84764529
Lesezeit: 4 Minuten

Auch die Korruption innerhalb der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) beschäftigt derzeit die Menschen in den Palästinensischen Gebieten. Bis vor wenigen Tagen war der „Skandal des Tages“ die mutmassliche Korruption des von der PA zur Unterstützung der Coronavirus Opfer eingerichteten Regierungsfonds. Palästinensische Einwohner behaupteten, dass nur Fatah-Aktivisten aufgrund ihrer Verbindungen zu hohen PA-Beamten von diesem Fonds profitieren konnten. Die Palästinensische Autonomiebehörde bestreitet solche Behauptungen.

von Yoni Ben Menachem

Das heutige Thema der Diskussionen dreht sich jedoch um den neuen Korruptionsfall im Büro des PA-Vorsitzenden Mahmoud Abbas.

Am 11. Juni 2020 veröffentlichten die Nachrichtenagentur „The Palestinian Center for Communications“ und die der Hamas angegliederte Shehab News Agency ein Video von Yasser Jadallah, dem ehemaligen Direktor der politischen Abteilung von Präsident Mahmoud Abbas in der PA. In diesem Video deckt Jadallah die Korruption im Zusammenhang mit dem Diebstahl von Geldern auf, die der PA von internationalen Organisationen zur Verfügung gestellt worden waren. Er beschrieb, wie diese Gelder auf persönliche Konten überwiesen wurden.

Er behauptet ausserdem in dem Video, dass die Gelder im palästinensischen Finanzministerium, die unter der Überschrift „EU-Hilfe und arabische Staaten“ aufgeführt waren, grösstenteils an die palästinensische Präsidentschaft und von dort auf geheime Konten überwiesen wurden, die nur drei Personen bekannt waren: dem Vorsitzenden der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas, seiner Privatsekretärin Frau Intesar Abu Amara und Mahmoud Salameh, dem stellvertretenden Stabschef im Büro des Präsidenten der PA.

Weiter liess er verlauten, dass diese Gelder, sobald sie auf die Konten des Büros des Präsidenten der PA eingehen, plötzlich verschwinden und dann auf Konten mit fiktiven Namen überwiesen werden, darunter auch auf Konten mit den Namen der Enkelkinder von Mahmoud Abbas.

„Wir haben diese Informationen an europäische Abgeordnete weitergegeben“, bekräftigte Jadallah.

Er fügte hinzu, dass Mahmoud Abbas die Meinungen seiner Privatsekretärin Frau Intesar Abu Amara und des stellvertretenden Stabschefs Mahmoud Salameh stark gewichtet, so dass beispielsweise die Sicherheitschefs Majid Faraj und Ziyad Hab al-Rih diesen zunächst schmeicheln müssen, bevor sie Gelder erhalten.

Jadallah sagte, der Vorsitzende der PA habe angeordnet, dass seine Bürounterlagen und Berichte alle sechs Monate vernichtet werden, aber in Wirklichkeit werden sie aus „Sicherheitsgründen“ jeden Tag vernichtet. Er beschuldigte Mahmoud Abbas, Gelder gestohlen zu haben im Bewusstsein, „dass das palästinensische Volk erschöpft und schwach ist.“

Yasser Jadallah verliess Ramallah in Richtung Brüssel und suchte in Belgien politisches Asyl. Er leitete der Europäischen Union und den belgischen Behörden alles Material zu, das er über die Korruption innerhalb der PA zur Verfügung hatte.

Er beschuldigte zudem zwei palästinensische Sicherheitsbeamte, Nizar Al-Haj und Tareq Al-Abidi, ihn verfolgt und versucht zu haben, ihn auf Anweisung von Intesar Abu Amara und Mahmoud Salameh zu ermorden, um ihn an der Aufdeckung der Korruption zu hindern. Jadallah behauptet, er sei zweimal entführt worden, um Druck auf ihn auszuüben, damit er sein Wissen nicht preisgeben würde.

Die PA hat sich eines Kommentars zu dem geposteten Video enthalten und zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine rechtlichen Schritte gegen Yasser Jadallah unternommen.

Quellen der PA bestreiten die Behauptungen von Yasser Jadallah vehement. Fatah-Beamte verkünden, Jadallah versuche aufgrund persönlicher Kränkungen anhand von Lügen mit der PA abzurechnen.

Der Vorsitzende der PA, Mahmoud Abbas, bestreitet alle Behauptungen, er und seine beiden Söhne könnten in Korruption verwickelt sein. Seine Mitarbeiter sagen, es handle sich um fake news, verbreitet von Abbas’ politischen Rivalen und Israel, um den Präsidenten der PA zu diskreditieren.

Vor kurzem hatte Abbas auf einer Konferenz in Ramallah am 19. Dezember 2019 mit dem Titel „Der Krieg gegen die Korruption“ verkündet, das mit der Korruptionsbekämpfung beauftragte palästinensische Büro bearbeite aktuell 460 Korruptionsbeschwerden. Diese Nachricht gebe ihm Grund zur Freude. „Es gibt niemanden, der über dem Gesetz steht oder sich in die Arbeit des Hauptquartiers einmischt“, argumentierte Mahmoud Abbas im Dezember 2019.

Er forderte auch die palästinensischen Bewohner der PA auf, nicht zu zögern und Beschwerden wegen Korruptionsverdachts einzureichen. Der PA-Vorsitzende behauptete weiter, dass die Palästinenser auf dem Weg zur Staatsgründung seien und es daher unbedingt notwendig sei, die Korruption zu bekämpfen und Transparenz zu wahren: „Wir wollen einen Rechtsstaat“, sagte Abbas.

Lange verlorene Glaubwürdigkeit

Die PA und ihr Vorsitzender haben in den Augen der Bewohner der palästinensischen Gebiete schon seit langer Zeit an Glaubwürdigkeit verloren; viele von ihnen vertrauen hochrangigen PA-Funktionären nicht, und Korruptionsgeschichten in der PA-Organisation kursieren auf den palästinensischen Strassen.

Das Video von Yasser Jadallah wurde über WhatsApp verbreitet und stiess auf grosses Interesse. Das Schweigen der Palästinensischen Autonomiebehörde zu diesem Thema verstärkt nur den Verdacht, dass die Nachrichten Substanz haben.

Das Thema Korruption ist einer der Hauptgründe dafür, dass die meisten Bewohner des Westjordanlandes nicht in eine neue Intifada gegen Israel eintreten wollen, vor allem jetzt, wo es um die Frage der „Annexion“ geht.

Sie fühlen sich ausgebeutet und benachteiligt, während die palästinensische Führung das gute Leben geniesst. „Wenn Mahmoud Abbas eine Intifada gegen Israel will, dann soll er seine eigenen zwei Söhne losschicken, um IDF-Soldaten an Checkpoints zu konfrontieren“, sagte mir ein hoher palästinensischer Bildungsbeamter.

Yoni Ben Menachem ist leitender Nahost-Analyst des Jerusalem Center for Public Affairs, ein unabhängiges israelisches Forschungsinstitut für politische und gesellschaftliche Fragen mit Sitz in Jerusalem. Übersetzung Audiatur-Online