Annexion vs. Souveränität: Worte sind entscheidend

Es ist sachlich falsch zu behaupten, dass Israel beabsichtigt, Gebiete zu "annektieren", auf die es einen legitimen Anspruch hat und die niemals Teil eines "Staates Palästina" waren.

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Menschen am Bograschow-Strand in Tel Aviv verfolgen die Militärflugvorführung zum 71. Unabhängigkeitstag Israels am 9. Mai 2019. Foto Hadas Parush/Flash90
Menschen am Bograschow-Strand in Tel Aviv verfolgen die Militärflugvorführung zum 71. Unabhängigkeitstag Israels am 9. Mai 2019. Foto Hadas Parush/Flash90
Lesezeit: 5 Minuten

Worte sind wichtig. Sie beeinflussen die Narrative. Sie beeinflussen die Politik. Und sie prägen die Wahrnehmung der Menschen. Die gegenwärtige Debatte darüber, ob Israels geplantes Handeln in Judäa und Samaria (Westjordanland) – in Übereinstimmung mit dem Plan von US-Präsident Donald Trump „Frieden zu Wohlstand“ – einer „Annexion“ oder der „Anwendung der Souveränität“ gleichkommt, ist ein Paradebeispiel dafür.

von Arsen Ostrovsky und Richard Kemp

Ein Großteil der internationalen Gemeinschaft, der Nichtregierungsorganisationen, die ausländischen Medien und sogar einige Vertreter der jüdischen Gemeinschaft haben diesen Aspekt des Plans als „Annexion“ bezeichnet.

Dies ist zum Teil eine Folge von Naivität und mangelndem Verständnis dafür, was der Begriff „Annexion“ eigentlich bedeutet. Dennoch gibt es Leute, die den Unterschied – und dessen Implikationen – sehr gut kennen und den Begriff benutzen, um eine gefährliche Wahrnehmung zu erzeugen: dass Israel keinen Anspruch auf Judäa und Samaria hat und deshalb nach internationalem Recht eine illegale Handlung begeht.

Im Wesentlichen bedeutet Annexion, dass ein Staat rechtliche Autorität über das Territorium eines anderen Staates ausübt, die durch Gewalt oder einen Angriff, normalerweise während eines Krieges, erworben wurde.

Das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs definiert „die gewaltsame Annexion des Territoriums eines anderen Staates oder eines Teils davon“ als „das schwere Verbrechen der Aggression.“

Die Annexion der Krim durch Russland und die Invasion der Türkei auf Zypern sind Paradebeispiele für solche Fälle.

Die Resolution 242 des UN-Sicherheitsrates, die seit 1967, als Israel im Sechstagekrieg die Kontrolle über Judäa und Samaria wiedererlangte, eine Grundlage für Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern darstellt – hält ausdrücklich die „Unzulässigkeit der Gebietseroberung durch Krieg“ fest.

Die Charta der Vereinten Nationen verbietet auch die gewaltsame Annexion des Territoriums eines anderen Staates. 

Drei entscheidende Punkte

Wer die oben genannten Urteile als Gegenargumente benutzt und argumentiert, Israel würde Teile von Judäa und Samaria „annektieren“, vernachlässigt drei entscheidende Punkte.

Erstens: Alle genannten Rechtsurteile gelten für Gebiete, die durch Gewalt oder in einem Angriffskrieg erworben wurden. Der Sechs-Tage-Krieg jedoch war ein defensiver Kriegsakt, in dem Israel gezwungen war, sich gegen benachbarte arabische Armeen zu verteidigen, welche die Zerstörung des jüdischen Staates anstrebten.

Zweitens gab es 1967 keinen „Staat Palästina“, und eine solche Entität existiert auch heute noch nicht nach internationalem Recht. Daher annektiert Israel nicht das Territorium eines „anderen Staates“ und kann es auch nicht annektieren. 

Drittens, und vielleicht am wichtigsten, negiert all dies die untrennbare Verbindung des jüdischen Volkes mit Judäa und Samaria, welches sowohl historisch als auch unbestreitbar rechtsgeschichtlich mit dem Gebiet verwurzelt ist.

Im April vor hundert Jahren, nach dem Ersten Weltkrieg, versammelten sich die alliierten Mächte in San Remo, Italien, und verabschiedeten eine beispiellose Resolution, in der zum ersten Mal überhaupt die bereits bestehenden historischen Rechte des jüdischen Volkes auf das Land als eindeutige Rechtsansprüche nach dem Völkerrecht verankert wurden. 

Die San-Remo-Resolution, die auf die Balfour Erklärung von 1917 folgte, in der die Errichtung einer nationalen Heimat für das jüdische Volk in Palästina gefordert wurde, bildete 1922 die Grundlage für die Annahme des Mandats für Palästina.

Das Mandat für Palästina, das vom Völkerbund, dem Vorläufer der Vereinten Nationen, verabschiedet worden war, erkannte die „historische Verbindung des jüdischen Volkes mit Palästina“ und die „Gründe für die Wiedererrichtung einer nationalen Heimat in diesem Land“ an.

Sogar in Artikel 80 der UN-Charta wurden die Leitprinzipien der San-Remo-Resolution verankert – ungeachtet der Auflösung des Mandats durch die Feststellung, dass „nichts in diesem Kapitel an sich so ausgelegt werden darf, dass es in irgendeiner Weise die Rechte irgendwelcher Staaten oder Völker oder die Bestimmungen bestehender internationaler Instrumente, denen Mitglieder der Vereinten Nationen jeweils angehören können, verändert.“

Daher wurden auch nach der Verabschiedung des UN-Teilungsplans im Jahr 1947 und seither mit allen nachfolgenden UN-Resolutionen die dem jüdischen Staat in San Remo gewährten gesetzlichen Rechte beibehalten.

Wie also kann man von Gebiets-Annexion reden, wenn doch ein Rechtsanspruch auf dieses Gebiet besteht und es dem Staat bereits zugeteilt wurde?

Tatsächlich ist es sachlich falsch zu behaupten, Israel beabsichtige Teile von Judäa und Samaria zu „annektieren“, zumal Israel auf dieses Gebiet einen legitimen Anspruch hat und dieses Territorium niemals Teil eines „Staates Palästina“ war.

Historischer Präzedenzfall

Genauer ausgedrückt bedeutet dies, dass Israel „die israelische Souveränität ausdehnt“ oder „israelisches Recht anwendet“ auf Teile von Judäa und Samaria. 

Es gibt bereits einen ähnlichen historischen Präzedenzfall. Im Jahr 1981 traf der damalige Premierminister Menachem Begin die Entscheidung, israelisches Recht auf die Golanhöhen anzuwenden – ebenfalls auf ein Gebiet, das der jüdische Staat während des Sechstagekrieges zurückerobert hatte. Damals bestand Begin darauf, dass es sich dabei nicht um eine „Annexion“, sondern um eine „Anwendung des Rechts“ handele, wobei der Golan „einen untrennbaren Teil des Landes [Israels]“ bilde. 

Der Hauptunterschied zwischen jenem Schritt und dem im Friedensplan von Trump dargelegten besteht darin, dass sich die Golanhöhen damals in syrischer Hand befanden, während Judäa und Samaria nie in palästinensischer Hand waren.  

Man kann durchaus über die politischen Vorzüge der von Israel vorgeschlagenen Handlungen in Judäa und Samaria streiten, aber diese als „Annexion“ zu bezeichnen, ist falsch.

In dieser Woche wiederholt sich Israels Sechstagekrieg-Jahrestag zum 53. Mal. Es ist höchste Zeit, dass der jüdische Staat eine längst überfällige Ungerechtigkeit korrigiert und endlich die israelische Souveränität und das israelische Recht auf Judäa und Samaria anwendet.

Arsen Ostrovsky ist internationaler Menschenrechtsanwalt und spezialisiert auf den israelisch-palästinensischen Konflikt. Oberst Richard Kemp CBE ist ehemaliger Kommandeur der britischen Streitkräfte. Auf Englisch zuerst erschienen bei Jewish News Syndicate. Übersetzung Audiatur-Online.

2 Kommentare

  1. Korrekt und präzise ausgedrückt geht es einzig darum, dass in Teilen der israelisch verwalteten Gebieten von Judäa und Shomron das gegenwärtige Militärrecht durch das normale Recht ersetzt wird.

    Das palästinensische Gebiet ist dadurch nicht im Geringsten betroffen.

    Jeder, der diesen israelischen Schritt kritisiert, muss die Frage beantworten, was ihn dazu berechtigt, sich zu diesem juristischen Schritt zu äussern!

    – Welches Völkerrecht bestimmt, welches lokale Recht in einem bestimmten Gebiet anzuwenden ist?

    – Welches Artikel besagt, dass in derartigen Gebieten zwingend das Militärrecht angewendet werden muss?

    – Worauf stützt sich die Behauptung, dass es sich bei diesen Gebieten (die völkerrechtlich korrekt, nämlich gemäss den Verträgen von Oslo, seit über 30 Jahren von Israel verwaltet werden) um „palästinensisches Gebiet“ handelt?

  2. Dem Satz:

    „Daher wurden auch nach der Verabschiedung des UN-Teilungsplans im Jahr 1947 und seither mit allen nachfolgenden UN-Resolutionen die dem jüdischen Staat in San Remo gewährten gesetzlichen Rechte beibehalten.“

    ist wichtig hier beizufügen, dass jener UN-Teilungsplan von 1947 am Nein der Araber gescheitert war, die mir Krieg antworteten. (es war zudem nur ein Vorschlag weil von der UNO Vollversammlung).

    Der Völkerrechtler Sir Elihu Lauterpacht hält in „Jerusalem and the Holy Places“ fest, dass die Entstehung des Staates Israel rechtlich nicht auf dem (gescheiterten) Teilungsplan basiert. Er sieht ihn nur als geschichtliches Element.

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