Ein Friedensvertrag ist keine Lizenz zur Erpressung

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Zeremonie zur Unterzeichnung des israelisch-jordanischen Friedensvertrags am Arava-Terminal 26. Oktober 1994. Foto Government Press Office (Israel), CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22808120
Zeremonie zur Unterzeichnung des israelisch-jordanischen Friedensvertrags am Arava-Terminal, 26. Oktober 1994. Foto Government Press Office (Israel), CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22808120
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Jahrelang haben Ägypten und Jordanien ihre Friedensverträge mit Israel als Erpressungsinstrument ausgenutzt, um Israel an der Verfolgung seiner sicherheitspolitischen sowie inneren Interessen zu hindern.

von Gershon Hacohen

Während der Ansprache anlässlich ihrer Vereidigungszeremonien erklärten der neue Verteidigungsministers Benny Gantz und Aussenminister Gabi Ashkenazi beide das Festhalten am Weg des Friedens. „Ich bin verpflichtet, alles zu tun, was möglich ist, um politische Regelungen zu fördern und den Frieden anzustreben“, erklärte Gantz, während Aschkenasi äusserte, dass er sich dem Weg des Friedens verpflichtet fühle: «Der Friedensplan von Präsident Trump ist eine historische Chance… Er wird verantwortungsbewusst und in Abstimmung mit den Vereinigten Staaten gefördert werden, wobei die Friedensverträge beibehalten werden.»

Liesse man aktuell den einzigartigen politischen Kontext ausser Acht – die Debatte über das angewandte Souveränitätsrechts Israels auf das Jordantal – würden Gespräche über mögliche Friedensverträge routinemässig und ordnungsgemäss weitergehen. Aber angesichts der Drohungen des jordanischen Königs Abdullah und des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, als Antwort auf israelische Massnahmen und der hinzukommenden israelischen Kontroverse in dieser Angelegenheit sind diese Worte doch bemerkenswert. Sie bedeuten eine Art Versprechen, die israelischen Souveränitätsentscheidungen von der Zustimmung der Region abhängig zu machen.

Es steht ausser Frage, dass das Streben nach Frieden ein würdiges Ziel ist. Das Bild wird jedoch durch die Art und Weise, wie die Friedensverträge zwischen Israel und seinen Nachbarn umgesetzt worden sind, noch komplexer. In der Dynamik, die sich entwickelt hat, hat das Verhalten dieser Nachbarn gegenüber Israel häufig die Logik der Gewährung von „Frieden“ im Tausch gegen Schutz mit sich gebracht.

Erpressungsdynamik

Die Rolle des Haschemitischen Königreichs bei der Geheimhaltung der langen Grenze zu Israel ist lobenswert, und ihr Wert sollte anerkannt werden. Aber wenn Experten für die israelisch-jordanischen Beziehungen empfehlen, Israel solle um des anhaltenden Schweigens an dieser langen Grenze willen von den Schritten Abstand nehmen, die es zur Verwirklichung seiner Sicherheitsinteressen im Jordantal unternehmen muss, damit es nicht die „Errungenschaften des Friedens“ einbüsst, stimmen sie im Wesentlichen dieser Erpressungsdynamik zu. Wer Schutz erhält, sollte auch demjenigen seine Zustimmung geben, der diesen gewährt.

Länder, die in Frieden leben, sollten sich bei ihren Entscheidungen auf jeden Fall gegenseitig berücksichtigen. Aber die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, wie sie in den Friedensverträgen Israels mit Jordanien und Ägypten zum Ausdruck kommt, ist alles andere als symmetrisch. Von Beginn der Friedensverhandlungen mit Ägypten an war die Forderung, dass Israel die Palästinenserfrage lösen müsse, eine wesentliche Bedingung. Und in der Tat erklären hochrangige Beamte im israelischen Aussenministerium und verschiedene Kommentatoren seit langem die abgekühlte Friedensbeziehung mit Ägypten damit, dass Israel dieser Verpflichtung angeblich nicht nachkommt. Und dies, obwohl es Jassir Arafat war, der die Bitte von Präsident Jimmy Carter zurückwies, sich Israel, Ägypten und den USA in die Autonomiegespräche anzuschliessen. Ähnlich verhält es sich mit dem Frieden mit Jordanien.

Die Friedensverträge gaben Jordanien und Ägypten ein Einfluss- und Druckmittel an die Hand, das die Fähigkeit Israels einschränkt, seine Interessen in Jerusalem, im Westjordanland und im Jordantal durchzusetzen. Bereits 1978, als die ägyptisch-israelischen Abkommen von Camp David ausgearbeitet worden waren, warnte der prominente israelische Labour-Politiker Yigal Allon vor der Gefahr, den israelisch-ägyptischen Frieden von Fortschritten im palästinensischen Bereich abhängig zu machen. Er forderte ein Ende jeglicher Interdependenz: „Was wird geschehen, wenn die arabische Seite bei der Errichtung der Autonomie Bedingungen stellt, die Israel nicht akzeptieren kann? Ägypten versucht eindeutig, eine explizite Option für den Ausstieg aus dem Normalisierungsprozess aufrechtzuerhalten.“

Vor dem Friedensvertrag mit Jordanien 1994 leistete Israel viele Jahre lang unschätzbare Hilfe, die das Überleben des haschemitischen Regimes sicherte, von lebenswichtigen Geheimdienstinformationen und diplomatischer Hilfe bis hin zur Abschreckung Syriens vor einer totalen Invasion Jordaniens während der Ereignisse des „Schwarzen Septembers“ 1970. Viele Aspekte dieser verdeckten Hilfe wurden in der Ära des offiziellen Friedens noch intensiver fortgesetzt, zusammen mit beträchtlichen offensichtlichen Vorteilen für Jordanien, wie z.B. die jährliche Bereitstellung von hundert Millionen Kubikmetern Wasser durch Israel. Mit anderen Worten: Wenn der israelisch-jordanische Frieden den Charakter einer „Koexistenz im Austausch gegen Schutz“ angenommen hat, dann nicht wegen seiner asymmetrischen Vorteile für jedes Land. Vielmehr liegt es daran, dass Amman – die bei weitem schwächere der beiden Parteien – ihn als Mittel der Erpressung einsetzt, um Israel an der Verfolgung seiner sicherheitspolitischen und inneren Interessen zu hindern, während die israelischen Regierungsverantwortlichen diesen Zwang auf unerklärliche Weise akzeptiert haben.

Israel steht an einem kritischen geopolitischen Knotenpunkt; die ungehinderte Verfolgung seiner nationalen Interessen wäre nichts weniger als eine Unabhängigkeitserklärung.

Generalmajor (res.) Gershon Hacohen ist leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Begin-Sadat Center for Strategic Studies (BESA). Er diente 42 Jahre lang in der IDF. Eine frühere Version dieses Artikels wurde am 20. Mai in Israel Hayom veröffentlicht. Übersetzung Audiatur-Online.

1 Kommentar

  1. Was seit Jahren zu Denken gibt ist die Ignoranz der Welt, speziell des Westens um den völkerrechtlichen Anspruch des jüdische Volkes auf das Gebiet zwischen Jordan und Mittelmeer, inklusive ganz Jerusalem. Selbst israelische Politiker scheinen diesbezüglich Gedächtnislücken zu haben, denn sie sprechen kaum je von den legalen Rechten Israels. Gerade haben wir der San Remo Resolution des Obersten Rats der Alliierten Mächte von 1920 gedacht, die der Balfour-Deklaration völkerrechtlichen Status verlieh. Eine Annexion der Westbank (Judäa/Samaria) wäre legal. Denn es waren Teile des jüdischen Mandatsgebiets gemäss Völkerbundmandat von 1922. Jordanien hatte diese Gebiete inkl. Ostjerusalem illegal 1948-67 besetzt gehalten.

    Blindheit auch gegenüber dem islamischen Verständnis von Frieden. Die Friedensverträge mit Jordanien und Aegypten bedeuten aus Sicht des Islam nur Waffenstillstand, nicht Frieden. Vor allem kommt dazu, dass Israel auf ehemals muslimischem Territorium liegt, auf Dar al-Islam, das nie von Nicht-Muslimen beherrscht werden darf. Deshalb seit 100 Jahren Kampf gegen die Juden, die Kriege, der Terror, die Ablehnung des UN-Teilungsplans, das Scheitern von Oslo, das Nein zu den grosszügigen israelischen Friedensofferten von 2000 und 2008. Selbst ein sog. Palästinenserstaat würde keineswegs Frieden bringen. Leider lässt sich der Westen von falschen Friedensschalmeien verführen, was an München 1938 erinnert, als Land gegen Frieden letztlich zum Krieg führte. Leider gibt es nur das eine, das bisherige Krisenmanagement weiterzuführen, – nicht befriedigend, voller Probleme, doch leider ohne Alternative.

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