Iran – Fünf Atombomben für 100 Millionen Dollar

TEIL I: TEHERANS GEHEIME BOMBENFORSCHUNG PROVOZIERT DEN WIDERSTAND DER IAEO

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Eine Demonstration der Ghaqr-F-Rakete
Eine Demonstration der Ghaqr-F-Rakete im Iran zum Jahrestag der islamischen Revolution - 11. Februar 2018. Foto Mohsen Ataei - http://www.farsnews.com/imgrep.php?nn=13961122001167, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=66417931
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Dieser Artikel listet erstmals in deutscher Sprache all die Beweise für ein heimliches – 2003 keineswegs beendetes – Atomwaffenprogramm Teherans auf; Beweise, die auf Dokumenten des „Nukleararchivs“ in Teheran basieren. Hier geht es zum zweiten Teil.

Im März 2020 konzentrierte sich alle Aufmerksamkeit auf das Corona-Virus. Auch deshalb blieb der Iran-Alarm, den die IAEA auslöste, unbemerkt. Die in Wien ansässige Internationale Atomenergie-Organisation ist eine Behörde der Vereinten Nationen, deren Kontrolleure durch Vor-Ort-Inspektionen überprüfen, ob sich die Unterzeichnerstaaten des Atomwaffensperrvertrags (NPT = Non-Proliferation Treaty) an dessen Bestimmungen halten.

Nur wenn sich die IAEO von der Nicht-Existenz undeklarierter Atomprojekte überzeugen kann, gilt ein Staat als „sauber“. In der Regel stellt die Agentur in langatmigen Routineberichten dieses Gütesiegel aus.

Doch dann die Überraschung! In ihrem Bericht NPT Safeguards Agreement with the Islamic Republic kam die Wiener Agentur Anfang März zu dem Schluss, dass sie im Falle Irans „die Nicht-Existenz undeklarierter Nuklearmaterialien und –aktivitäten“ nicht bestätigen kann.[1. https://isis-online.org/uploads/iaea-reports/documents/IAEA_Iran_NPT_March_2020_report.pdf]

In der Tat hatte Teheran den Inspekteuren den Zugang zu zwei verdächtigen Anlagen und die Diskussion über nicht-deklarierte Substanzen verweigert. Deshalb äußerte die UN-Behörde den Verdacht, es könne neben den öffentlichen iranischen Atomaktivitäten ein geheimes Atomprogramm geben.

Riesiges Fragezeichen

Dieser Verdacht trifft den Atomdeal (JCPOA = Joint Comprehensive Plan Of Action), den die Bundesregierung vehement unterstützt, in seinem Kern. Denn dieser Deal zielt darauf ab, die breakout-time, also den Zeitraum, den der Iran für die Gewinnung von Waffenuran für den Bau einer Bombe benötigt, auf mindestens ein Jahr zu strecken. All die dafür angestellten Berechnungen basieren jedoch auf der Hoffnung, dass es keine verdeckten Aktivitäten gibt. Hinter dieser Annahme hat der IAEO-Bericht nun ein riesiges Fragezeichen gesetzt.

Rafael Mariano Grossi, der das Amt des IAEO-Generaldirektors im Dezember 2019 übernahm, besteht darauf, dass die Kontrolleure Zugang zu allen verdächtigen Anlagen erhalten, und erklärte gegenüber Agence France-Presse:

„Die Tatsache, dass wir [nicht-deklarierte Uran-]Spuren gefunden haben, ist sehr bedeutsam“, erklärte er gegenüber. „Das bedeutet, dass es die Möglichkeit nuklearer Aktivitäten und Materialien gibt, die nicht unter internationaler Aufsicht stehen und von denen wir weder ihren Ursprung noch ihre Absicht kennen. Das macht mir Sorgen.“[2. Iran refusing to give answers on 3 undeclared nuclear sites, UN watchdog says, in: Times of Israel, 3. März 2020.]

Sollte der Iran nicht nachgeben, „werden wir auf eine Krise zusteuern.“[3. John Irish, U.N.‘s nuclear chief to Iran: Cooperate or face new crisis, in: World News (Reuters), 3. März 2020.] Die IAEO wäre in diesem Fall verpflichtet, die iranische NPT-Verletzung dem UN-Sicherheitsrat zu melden. Zu einem solchen Schritt war es zuletzt 2006 gekommen; UN-gestützte Iran-Sanktionen waren die Folge.

Die neue Haltung der IAEO hat nicht nur mit dem Wechsel an ihrer Spitze zu tun. Noch wichtiger waren die Entdeckungen aus dem Teheraner Nukleararchiv, die das Doppelspiel der Mullahs entlarvten.

Zur Erinnerung: Ende Januar 2018 gelang es dem israelischen Geheimdienst in einer spektakulären Nacht-und Nebelaktion 55.000 Seiten Text und 55.000 Dateien auf 183 CDs aus einem Nukleararchiv zu entwenden und nach Israel zu überführen. Zwei Jahre zuvor hatte die iranische Führung dieses Archiv in einer unauffälligen Halle inmitten Teherans untergebracht. Zwar konnte der Mossad nur 20 Prozent des Gesamtarchivs sicherstellen, doch war das, was dort fand, hochbrisant.

Vom „AMAD“-Plan…

Die Archivunterlagen beweisen, dass das Regime in den späten 1990er Jahren den Entschluss fasste, bis Ende März 2003 die Infrastruktur für den Bau von Atomwaffen bereitzustellen.

Mit der Leitung dieses Programms wurde 1998 der „Oberste Rat für fortgeschrittene Technologien“ beauftragt, dem nicht nur der damalige iranische Präsident Mohammed Khatami angehörte, sondern auch Hassan Rohani als Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats, Verteidigungsminister Ali Shamkhani sowie der Chef der iranischen Atomenergiekommission, Gholemreza Aghazadeh.

Drei von ihnen gehören auch heute noch zur Top-Elite des Regimes: Aghazadeh ist derzeit Mitglied im Beraterstab des Revolutionsführers, Rohani ist Irans Präsident und Shamkhani der gegenwärtige Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats.

Um die Jahrhundertwende billigte dieser „Oberste Rat für fortgeschrittene Technologien“ einen Kostenplan in Höhe von 100 Millionen Dollar (206 Milliarde Rial), der in Position 11 die „Herstellung von fünf Sprengkörpern, ihre Tests und die dazugehörigen Messungen“ vorsah.[4. David Albright, Olli Heinonen, and Andrea Stricker, The Plan: Iran’s Nuclear Archive Shows it Originally Planned to Build Five Nuclear Weapons by mid-2003, Institute For Science And International Security (ISIS), and Foundation for Defense of Democracies (FDD), November 20, 2018, S. 5f.]

Die Dokumente aus Teheran belegen, dass das Atomwaffenprogramm in all seinen Teilschritten – Urananreicherung, Uranmetall-Produktion, Zündungsversuche, Auswahl des Atomtestgeländes – erheblich weiter fortgeschritten war, als von westlichen Geheimdiensten vermutet; ich gehe weiter unten auf Einzelheiten ein.

… zum SPND-Programm

Zudem belegen die Dokumente, dass das AMAD-Programm Ende 2003 nicht, wie bislang angenommen, beendet, sondern in neuer Gestalt fortgesetzt wurde. „Die Arbeit wird in zwei Teile gesplittet“, heißt es in der einschlägigen Anweisung des iranischen Verteidigungsministeriums, und zwar in einen „verdeckten (geheime Strukturen und Ziele)“ und einen „offenen Teil (reguläre Struktur).“[5. David Albright, Olli Heinonen, and Andrea Stricker, Breaking Up and Reorienting Iran’s Nuclear Weapons Program, in: ISIS-Report, October 29, 2018, S. 7.]

Hintergrund dieser Entscheidung war die Tatsache, dass 2003 die bis dahin geheim gehaltenen Atomanlagen in Arak und Natanz aufgeflogen waren und Diktator Saddam Hussein nach dem Irak-Einmarsch der USA gestürzt worden war. Da wollte man auf Nummer sicher gehen: Das Atomwaffenprogramm sollte äußerlich wie beendet erscheinen. Tatsächlich änderte man aber lediglich seine Struktur und teilte es in einen öffentlichen und einen geheimen Bereich.

So kam es, dass sich führende iranische Atomwaffenforscher zwischen dem 30. August und dem 7. September 2003 tagtäglich trafen, um zu besprechen, wie die Welt optimal getäuscht werden kann. Hier Auszüge aus den Sitzungsprotokollen:

Dr. Fereidoun Abbasi-Davani: Wir sollten zwischen ,offenen‘ und ,verdeckten‘ Aktivitäten unterscheiden.

Dr. Majid: Offene Aktivitäten sind solche, für die man erklären könne, dass sie Teil eines anderen Programms seien und nicht Bestandteil des [Atomwaffen-]Projekts, sodass man für sie eine Entschuldigung haben würde.

Dr. Masoud: Neutronen-Forschung kann nicht als ,offen‘ betrachtet werden und muss verdeckt sein. Wir können solche Aktivitäten nicht als defensiv rechtfertigen. Neutronen-Aktivitäten sind heikel; wir haben für sie keine Erklärung.[6. Ebd., S. 5.]

Der AMAD-Plan wurde noch im selben Jahr durch ein neues Atomwaffenprogramm mit der Bezeichnung SPND ersetzt. SPND ist die persische Abkürzung für „Organisation für Verteidigungsinnovation und –forschung“. Diese Organisation war oder ist seitdem für die militärische Atomentwicklung verantwortlich.

Nach israelischen Schätzungen wechselten 70 Prozent der AMAD-Mitarbeiter in das SPND-Programm, darunter auch der Leiter des Atomwaffenprogramms, Mohsen Fakrizadeh. Das Post-AMAD-Programm umfasste u.a. die Vorbereitung auf einen Nukleartest und die Anpassung der Atombombe an die Shahab-3-Trägerrakete.

Aktuelle Relevanz

Schon die Existenz des Archivs beweist, dass sich Iran weiter als Atommacht auf Abruf versteht. Es bewahrt sein früher erworbenes Know-How sorgfältig auf, um sich den Weg zur Bombe offen zu halten. Doch damit nicht genug.

Erstens wurden oder werden hier zentrale Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrags eklatant verletzt. Das Regime nutzte oder nutzt den Vertrauensvorschuss, der mit der Mitgliedschaft in diesem Vertrag verbunden ist, um dessen Bestimmungen heimlich und kontinuierlich zu brechen; sei es manifest durch akute Arbeiten an der Bombe, sei es latent, indem die für die Waffenforschung benötigten Instrumente in Einsatzbereitschaft gehalten und Ergebnisse dieser Forschung sorgfältig archiviert werden.

Zweitens rücken die Funde aus dem Nukleararchiv das iranische Raketenprogramm in ein neues Licht. Sie bestätigen schwarz auf weiß, was bereits zu vermuten war: Dass die Raketenentwicklung mit der Atomwaffenentwicklung untrennbar verbunden ist.

Drittens wirft das Nukleararchiv gleich mehrere Schatten auf den Atomdeal mit Iran. In dessen Präambel beteuert das Regime, dass es „unter keinen Umständen jemals nach Atomwaffen streben oder sie entwickeln oder erwerben wird.“ Die neuen Belege sprechen diesem Gelöbnis Hohn. Zudem verstößt Teheran gegen Artikel 14 des JCPOA. Darin verspricht der Iran gegenüber der Atombehörde IAEO „alle vergangenen und gegenwärtigen Problembereiche seines Atomprogramms anzusprechen“, was aber niemals geschah.

Gleichzeitig beschädigen die Archiv-Funde den Atomdeal in seiner Substanz. Denn es gibt keinen Grund für die Annahme, geschweige denn für die Gewissheit, dass das Regime seine verdeckten Arbeiten eingestellt hat. So wurde bis heute keines der für die Atomwaffenentwicklung geschaffenen Instrumente nachvollziehbar – also z.B. in Anwesenheit von IAEO-Inspektoren – zerstört.

Geheimes Nukleardepot

Es war Israels Premier Benjamin Netanjahu, der im September 2018 auch die Existenz eines geheimen Nukleardepots im Teheraner Stadtteil Turquz Abad öffentlich machte. Der Hinweis darauf war in den Unterlagen des Nukleararchivs enthalten. Satellitenbilder beweisen, dass das Regime unverzüglich damit begann, die Lagerstätte in Turquz Abad aufzulösen und Beweismaterialien zu vernichten.[7. David Albright, Olli Heinonen, Frank Pabian, and Andrea Stricker, Revealed: Emptying of the Iranian „Atomic Warehouse“ at Turquz Abad, ISIS-Report, November 29, 2018.]

Als IAEO-Inspektoren im Februar 2019 den Standort erstmals aufsuchen, waren sämtliche Container verschwunden. Dennoch stießen sie dort auf Uranpartikel, die mit keiner er bekannten Atomanlagen Irans kompatibel waren: Dies war ein weiterer Beweis, dass geheime Atomeinrichtungen existieren.

Von nun begann die IAEO auch alle übrigen Informationen aus dem Nukleararchiv ernst zu nehmen.[8. David M. Halbfinger and Richard Pérez-Pena, Pompeo and Netanyahu Push to Scrap Iran Nuclear Pact, in: New York Times, November 7, 2019.] Im März 2020 schlug die Agentur ihren von der Welt fast vollständig ignorierten Alarm.

Auf Deutsch zuerst erschienen bei Mena-Watch.com

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Über Matthias Küntzel

Matthias Küntzel ist ein deutscher Politikwissenschaftler, Historiker und Publizist. Im Herbst 2019 erschien im „Hentrich & Hentrich“ Verlag (Leipzig-Berlin) sein Buch: "Nazis und der Nahe Osten. Wie der islamische Antisemitismus entstand."

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1 Kommentar

  1. Ich hoffe und glaube das der Iran die Bombe schon hat, eventuell mit Nordkorea zusammen entwickelt und getestet.

    Uran gibt es genug im Iran, eine Uranbombe ist relativ einfach herzustellen.

    Sie müssen sie wahrscheinlich noch kleiner bauen um sie auf die Raketen zu setzen.

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