Über die Debatte um Achille Mbembe

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Foto Stephanie Law / Flickr.com, (CC BY-NC 4.0)
Foto Stephanie Law / Flickr.com, (CC BY-NC 4.0)
Lesezeit: 4 Minuten

Die Debatte um Achille Mbembe, ein aus Kamerun stammender Historiker und Politikwissenschaftler, der sich in seinem Forschungsschwerpunkt primär dem Postkolonialismus zuwendet, will einfach nicht enden. Ihm wird vorgeworfen, antisemitische Äusserungen vorgenommen zu haben, weswegen Proteste laut wurden, denen zufolge er als Eröffnungsredner bei der nunmehr wegen Corona abgesagten Ruhrtriennale ausgeladen werden sollte.

Politische Akteure, wie der Bundestagsabgeordnete Frank Müller-Rosentritt von der FDP und der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, forderten dazu auf, die erst jüngst verabschiedete BDS-Resolution von Seiten des Deutschen Bundestag ernst zu nehmen. Es solle, laut Müller-Rosentritt, dafür gesorgt werden, „dass die Ressourcen, die Steuerzahlerinnen und -zahler uns anvertrauen, nicht der Förderung und Verbreitung antisemitischen Gedankenguts zugutekommen“. Inzwischen haben sich allerdings mehrere Hundert Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler zu Wort gemeldet, die Mbembe nicht nur verteidigen, sondern sogar den Rücktritt des Antisemitismusbeauftragten Felix Klein fordern. Der Forscher sei “rechtsextremen, fremdenfeindlichen und rechtskonservativen Gruppen“ zum Opfer gefallen und die Vorwürfe nicht als Lügen.

Doch was steckt wirklich hinter dem Wissenschaftler der durchaus in seinen Werken wichtige Aspekte des Rassismus anspricht? Mbembe forderte unter anderem in seinem Vorwort zu „Apartheid Israel“ zum Beispiel die „Isolation“ des Jüdischen Staats. Des Weiteren nannte er den Umgang Israels mit den Palästinensern den „grössten moralischen Skandal unserer Zeit“ und klassifizierte ihn als weitaus schlimmer als Apartheid, was, vor allem für einen derart international gefeierten Forscher dieses Themengebiets mehr als einen faden Nachgeschmack hinterlässt. Mit derartigen Aussagen dämonisiert er die einzige Demokratie des Nahen Ostens und klassifiziert sie als schlimmer als arabische Diktatoren, den Islamischen Staat und die Menschenrechtsverletzungen durch etwa China oder Südkorea. Juden hätten, so Mbembe, den Nihilismus von Seiten der Nazis, die sie im Nationalsozialismus verfolgten, verinnerlicht. Er scheint ausser acht zu lassen, dass arabische Israelis, also etwa Muslime, Christen, Bahai und Drusen, die im israelischen Staatsgebiet leben, durchaus, bis auf einige Ausnahmen, über eine israelische Staatsbürgerschaft verfügen und damit die gleichen Rechte geniessen wie jeder andere auch. Ebenfalls scheint Mbembe ausser acht zu lassen, dass in der Knesset, am Obersten Gerichtshof, in der Armee, in den Universitäten etc. ebenfalls arabische Israelis anzutreffen sind, was ipso facto das Gegenteil von einem Apartheidstaat darstellt. Man sollte meinen, dass man einem renommierten Postkolonialismus Forscher nicht erklären müsse, dass Dämonisierung, sowie die Anwendung von Doppel Standards den Antisemitismus in Antizionismus ausmachen.

Des Weiteren stritt Mbembe den Vorwurf ab, nach dem er ein Unterstützer der Israel Boykott Bewegung BDS wäre: „Die Wahrheit ist, dass ich keinerlei Beziehung zum BDS habe. Ich bin in keinerlei politischer Organisation Mitglied.“ Bei genauerer Betrachtung stellte sich diese Behauptung jedoch schnell als unwahr heraus. Es ist dokumentiert, dass Mbembe zum Beispiel vor zwei Jahren im Namen von BDS dafür sorgte, dass Shifra Sagy, eine bekannte israelische Professorin der Psychologie, von einer zu diesem Zeitpunkt stattfindenden Konferenz, auf Grund ihrer Herkunft einfach ausgeladen wurde.

Daniel Bax, seines Zeichens Autor, Journalist und Mitarbeiters beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration, äusserte sich ebenfalls in einem Artikel in der taz zum Fall Mbembe. Darin bagatellisiert er BDS durchgängig, sei deren Organisation doch in Deutschland nicht einmal so gross wie etwa die PEGIDA Bewegung. Ebenfalls beklagt er den Überprüfungsaufwand der betrieben werden müsste, um zu verhindern, dass Gastredner, die mit der BDS Bewegung in Verbindungen stehen, etwa auf Festivals oder in Hochschulen auftreten. Fraglich ist hierbei, was an einem Hintergrundcheck, den jeder Intendant oder Dekan üblicherweise vornimmt bevor er eine Person einstellt oder engagiert, derart unüblich sein soll. Bax führt weiter an:

„Der Deutsche Bundestag hat zudem jeden Boykott – auch von Waren aus den besetzen Gebieten, die nach EU-Recht völkerrechtswidrig sind (!) – unter Antisemitismusverdacht gestellt. Das hat den Spielraum für alle Kritiker der israelischen Politik eingeengt […]“.

Hierbei scheint er zum einen nicht zu verstehen, dass die vielmals wiederholte, aber dennoch nicht richtige Aussage, dass benannte Siedlungen völkerrechtswidrig seien schlichtweg falsch ist und zum anderen, dass es sich eben nicht nur um marginale Kritik an etwa Netanjahu oder politischen Beschlüssen handelt, sondern um eine Stigmatisierung, die mittels der Anwendung von Sharanskys 3D Methode leicht zu enttarnen ist. Die engen Verbindungen von BDS und seinen Unterstützern zu Terrororganisationen wie der Hamas übergeht der Autor schlichtweg bzw. scheinen ihn nicht weiter zu stören.

Antisemitismus ist keine Meinung und von einer Person wie Daniel Bax, der sich in seiner Arbeit gegen Rassismus einsetzt, sollte man eigentlich erwarten, dies zu verstehen. Es ist ein Oxymoron, wenn man sich gegen Rechtspopulismus ausspricht, aber gleichzeitig Staatsgelder für den Auftritt von Personen, die mit einer Organisation in Verbindung stehen, die als antisemitisch eingestuft wird, unter dem Deckmantel der Kunst- und Meinungsfreiheit verteidigt.

Mbembes Aussagen in Bezug auf Israel und die vermeintliche Apartheid im Jüdischen Staat stellen jenes Phänomen klassisch dar und sind unter Herannahme der 3D Methode leicht als das zu identifizieren, was sie in Wirklichkeit sind. Umso mehr wäre zu erwarten, dass sich Personen wie Daniel Bax, die sich gegen Rassismus und Rechtsradikale einsetzen, mit diesem Themengebiet umso analytischer vorgehen würden – Sein Artikel beweist jedoch das Gegenteil.

1 Kommentar

  1. Mbembe lässt nichts ausser Acht, er will nicht wissen. Wüsste er, dann müsste er sein bequem eingerichtetes Weltbild verändern und wer tut sich so etwas gern an? Das gleiche gilt für D. Bax, der mitten Europa aufgewachsen ist, weswegen er eigentlich all diese Sachen – daß in Israel kein Apartheid gibt etc.- wissen müsste. Aber wenn man nicht wissen will, dann weiss man es auch nicht. – Antisemitismus ist kein Rassismus, obwohl er ein Teil davon ist. Antisemitismus ist eine Welterklärung. Zugleich eine erbliche Geisteskrankheit der westlichen Kultur, der mit der in der Beziehung “segensreiche” Arbeit / Wirkung der Kirche aufkam. Nachzulesen bei Hyam Maccoby: Das Pariavolk, das nicht so lange her auf Deutsch erschienen ist. Das gründlichste Buch, das ich kenne, auch für Laien geeignet. Und von einer anderen Warte her bei David Nirenberg: Anti-Judaismus. Eine andere Geschichte des westlichen Denkens. – Erschienen 2015. Das ist schwieriger zu lesen.
    lg
    caruso

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