UNRWAs mangelnder Realitätsbezug während der COVID-19 Krise

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Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge (UNRWA) in Rafah im Gaza-Streifen. Foto Abed Rahim Khatib / Flash90.
Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge (UNRWA) in Rafah im Gaza-Streifen. Foto Abed Rahim Khatib / Flash90.
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Niemand im Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), scheint zu verstehen, dass sich die in Schwierigkeiten geratene UN-Organisation angesichts der durch COVID-19 verursachten Schäden anpassen muss.

von Simon A. Waldman und Asaf Romirowsky

Das UNRWA verlor keine Zeit  und forderte in einem blitzartigen Aufruf 14 Millionen US-Dollar zur Bekämpfung des Coronavirus. In ihrem Notprogramm kam die Notwendigkeit zum Ausdruck, „das psychosoziale Wohlergehen der Kinder“ durch finanzielle Unterstützung zu fördern sowie das Drucken von „Selbstlernmaterialien“ für „eine wirksame Lernumgebung und die Überwachung des Fortschritts durch Lehrer und Eltern“ zu ermöglichen.

Solche Forderungen, die in einem Notfall wohl kaum unbedingt notwendig sind, erweisen sich als besonders kühn, wenn man bedenkt, dass die wichtigsten internationalen Geldgeber der UNRWA Grossbritannien, die Europäische Union, Deutschland, Frankreich, Japan, die Niederlande und Italien sind. Zusammen finanzieren diese Länder die UNRWA mit 500 Millionen Dollar, sind jedoch aktuell selber verzweifelt damit beschäftigt, die nötigen Gelder aufzutreiben, um die Finanzierung von Krankenhäusern, Ausrüstung und Arbeitskräften zu ermöglichen, damit die COVID-19 Infektionsrate eingedämmt werden kann und mehr Menschen vor dem Tod bewahrt werden.

Die langfristigen wirtschaftlichen Folgen dieser globalen Gesundheitspandemie sind Rezession, Arbeitslosigkeit und Haushaltsdefizit. Grossbritannien, das seine Spende an die UNRWA auf 76 Millionen US Dollar erhöhte, nachdem die Trump-Administration beschlossen hatte, die US-Mittel bereits 2018 einzufrieren, hat 14 Milliarden Pfund für den Nothilfefonds des Landes sowie 30 Milliarden Pfund für zusätzliche Ausgaben bereitgestellt. In der Zwischenzeit sah sich die EU gezwungen , ihren mehrjährigen Billionen Euro schweren Finanzrahmen, den Siebenjahreshaushalt der EU (2021-27), anzupassen, um den neuen Herausforderungen der Zeit nach dem Coronavirus Rechnung zu tragen.

Aber das scheint die UNRWA nicht zu interessieren. Nebst der Forderung nach einem „Notfallfonds“ für das Coronavirus wurden keine Anstrengungen unternommen, um die kürzlich veröffentlichte Budgetforderung für 2020 in Höhe von sage und schreibe 1.4 Milliarden US Dollar anzupassen. Von dieser immensen Summe sollen etwa 60 Prozent für die Zahlung von Gehältern verwendet werden, während ein weiterer grosser Teil an verschwenderische Unternehmen wie Microfinance fliessen. Diese UNRWA-Abteilung sollte eigentlich palästinensische Unternehmen finanzieren, gibt aber stattdessen mehr damit an, wie viel Geld sie ausschüttet, und nicht damit, wie viel Gewinn diese Unternehmen tatsächlich erzielen.

Mit anderen Worten, trotz der Tatsache, dass die Volkswirtschaften von der Pandemie angeschlagen sind und ihre Budgets für die kommenden Jahre neu anpassen müssen, wird der Gürtel für die UNRWA nicht enger geschnallt. Während also die Geberländer Schwierigkeiten haben, ihr Haushaltsbudget auszugleichen, wird die UNRWA weiterhin das Geld der Steuerzahler der Geberländer verwenden, um ihre 5,6 Millionen so genannten Flüchtlinge zu versorgen (ein Anstieg um 100.000 im Vergleich zum Vorjahr), von denen die überwiegende Mehrheit nach der international vereinbarten Definition des Begriffs keine echten Flüchtlinge sind – die UNRWA zählt Kinder, Enkel und sogar Urenkel der ursprünglichen Flüchtlinge von 1948 sowie diejenigen, die die Staatsbürgerschaft anderer Länder angenommen haben, auch als Flüchtlinge.

Palästinensischen Stillstand aufrechterhalten

Das Verhalten der UNRWA während der COVID 19 Krise steht nach wie vor im Einklang mit allem, was die UNRWA in den letzten sieben Jahrzehnten ihrer Tätigkeit praktiziert hat: sie hat bis heute Abhängigkeit geschaffen und einen palästinensischen Stillstand aufrechterhalten.

Wie bei anderen Sozialhilfeempfängern führt die Flüchtlingsideologie zu Wut, Abhängigkeit und „moralischer Verkommenheit“. Die palästinensische Gesellschaft zeigt dies in ihrer Abhängigkeit von der UNRWA und in der Forderung, dass die UNRWA sie weiterhin unterstützt, bis eine politische Lösung nach ihren eigenen Vorstellungen gefunden ist; diese müsste vermutlich sowohl ein „Rückkehrrecht“ (palästinensisch-arabischer Euphemismus für die Zerstörung Israels durch demographische Subversion) als auch Entschädigungen vorsehen.

Genau diese Nullsummen-Haltung ist ein Haupthindernis für den palästinensisch-israelischen Frieden. Die Lehre aus der Flüchtlingskrise im Nahen Osten liegt in der Erkenntnis, dass die Rückführung und Neuansiedlung von Flüchtlingen und der Abbau von abhängig machenden Hilfsinfrastrukturen umso schwieriger wird, je länger die schwierigen Verhandlungen zwischen den gegnerischen Parteien aufgeschoben werden.

Die Förderung des palästinensischen „Rückkehrrechts“ durch den Bildungslehrplan und die politische Agenda der UNRWA, ihr Programm des erweiterten Rechtsschutzes, ihre Rolle als Schattengesundheits- und Aussenministerium, ihre Konkurrenz zur Palästinensischen Autonomiebehörde und vieles mehr zeigen, wie die UNRWA zu einer Organisation geworden ist, die danach strebt, ihre Berechtigung zu erhalten. Oberste Priorität ist in erster Linie ihre eigene Existenz und nicht das Wohlergehen ihrer Schützlinge. Die Frage des Friedens steht kaum noch auf ihrer Tagesordnung.

Die Annahme eines Moralischen Risikos durch die internationale Gemeinschaft, die faktisch der kleinste gemeinsame Nenner der Generalversammlung der Vereinten Nationen ist und wo Geschichten über den bevorstehenden Untergang die Geberstaaten routinemässig erpressen, vervollständigen die Dysfunktion. Die UNRWA hält die internationale Gemeinschaft als Geisel, während die fortgesetzte Existenz der Organisation es der palästinensischen Führung und den arabischen Staaten, in denen die UNRWA tätig ist, erlaubt, die Verantwortung zu umgehen und Israel die Schuld zuzuschieben, während sie gleichzeitig westliche Hilfe in Milliardenhöhe erhält.

Es ist klar, dass die UNRWA ihre Bedürfnisse auch jetzt im Rahmen der globalen Pandemie als grösser und dringender als alle anderen in der Welt bezeichnet. Die Realität sieht jedoch so aus, dass die UNRWA mit wenig Rechenschaftspflicht oder Transparenz arbeitet und wenig dazu beigetragen hat, die langfristigen Aussichten der palästinensischen Bevölkerung zu verbessern oder die Bildung einer Zivilgesellschaft zu fördern, geschweige denn Elemente einer angehenden Demokratisierung einzuführen. Mit anderen Worten: UNRWA ist ein kläglicher Misserfolg.

Angesichts der Notwendigkeit, Budgetzuweisungen für internationale Hilfe in der Welt nach COVID-19 neu zu bewerten, sollten die Geberstaaten ihre Finanzierung der UNRWA ernsthaft überdenken.

Simon A. Waldman ist Associate Fellow der Henry Jackson Society und Research Fellow am King’s College London, wo er zuvor als Dozent tätig war. Asaf Romirowsky ist Exekutivdirektor von Scholars for Peace in the Middle East (SPME), Senior Fellow am BESA-Zentrum und Fellow am Middle East Forum. Übersetzung Audiatur-Online.