Yom HaShoah 2020: Ein neuer Virus belebt den alten Antisemitismus

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Zeremonie in der
Zeremonie in der "Ohel Yizkor" (Halle des Gedenkens) in Yad Vashem, anlässlich des Holocaust-Gedenktages der Märtyrer und Helden des Holocaust (Yom Haschua) am 2. Mai 2019. Foto Esty Dziubov/TPS
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Man stelle sich vor, die Covid-19-Pandemie bricht im Jahr 2020 aus und Juden haben keinen eigenen Staat. Antisemiten aller Art und ihre lautstarken sowie schweigenden Begleiter würden über die modernen Medien Theorien entwickeln und verbreiten, die alles, was seit dem Mittelalter geschrieben und erzählt worden ist, in den Schatten gestellt hätte.

Man will sich nicht ausmalen, was in den verschiedenen Ländern Europas oder sonstwo unternommen worden wäre, um den angeblich Schuldigen zu benennen und ihn zu bestrafen. Dieser Kelch ist an der Welt vorüber gegangen. Denn zum Glück gibt es Israel und selten war dieser Staat notwendiger und unverzichtbarer – für Juden und Nicht-Juden – als heute am Holocaust-Gedenktag – Yom HaShoa 2020.

Israel ist übrigens nicht wegen des Holocaust gegründet worden. Die faktische Entstehungsphase des modernen Israel beginnt mit dem Untergang des Osmanischen Reiches im 1. Weltkrieg, erfuhr Auftrieb durch die Balfour-Deklaration 1917, durch die Abstimmung des Völkerbundes 1922, durch den Rückzug der Mandatsmacht Grossbritannien und wurde letztendlich durch das Mehrheitsvotum der UN 1947 abgeschlossen. Der Holocaust mag die Abstimmung der Vereinten Nationen befeuert haben. Eine Ursache für die Staatsgründung ist die versuchte Endlösung Nazi-Deutschlands nicht. Juden sind das einzige Volk, das seit 3800 Jahren eine durchgehende dokumentierte Verbindung zu Israel hat. Es begann damals mit Abraham, 600 Jahre später machte sich Moses auf den Weg, 200 Jahre danach kam König David und die Worte der Thora (jüdische Bibel) sind seither im Wesentlichen die Sprache des heutigen Israel. Sie glauben nicht daran? Ihr gutes Recht. Daran zu glauben bedeutet Mut zur Ungewissheit.

Die für Israel heute im Rückblick aussagestärkste Konferenz fand 1938 im französischen Evian statt. US-Präsident Roosevelt versammelte damals im Sommer die Spitzenpolitiker aus 32 Nationen in der Hoffnung, einer von ihnen würde die Tore seines Landes für die bedrohten Juden in Nazi-Deutschland öffnen. Kein einziges Land sprach eine Einladung aus. Robert Lee Frosts Definition von Heimat ist seither Teil der israelischen DNA: wenn Du dorthin gehen musst, wirst Du hereingelassen.

Heute steht Israel Seite an Seite mit den hochentwickelten Ländern, die über eine Spitzen-Medizin-Forschung verfügen und gegen die schlimmste Pandemie seit 100 Jahren kämpfen. Selbst der 93jährige Gross-Ayatollah Naser Makarem Shirazi aus dem Iran verkündet im März: würde Israel einen Impfstoff gegen Corona erfinden, wir würden ihn nutzen. Jahrzehntelange Hasstiraden und angekündigter Vernichtungswillen aus Teheran gegen die „jewish entity“ treten urplötzlich in den Hintergrund. Mehr Lob und Anerkennung geht nicht.

Zum ersten Mal seit der Staatsgründung werden die sechs Fackeln zur Erinnerung an die sechs Millionen ermordeten Juden ohne Publikum angezündet. Das Virus macht die Gedenkstunde in Jerusalem zu einer intimen Veranstaltung mittels Internet in die Wohnzimmer gestreamt, die 2020 zweierlei manifestiert: „never again“ und ebenso wie die Pandemie keine Grenzen kennt, weder geographische noch religiöse, so muss auch dem Antisemitismus  gemeinsam der Kampf angesagt werden. Wenn Freunde in Not sind, darf niemand schweigen. Ohne Wenn und Aber!

Über Godel Rosenberg

Journalist, Autor, High­techunternehmer. Godel Rosenberg war Pressesprecher der CSU und von Franz Josef Strauß, Fernsehjournalist, TV­-Moderator und Repräsen­tant des Daimler­-Konzerns in Israel. Von 2009 bis 2018 war Godel Rosenberg der Repräsentant Bayerns in Israel.

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