COVID-19 im vom Regime beherrschten Syrien

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Sednaya in Syrien. Foto High Contrast, CC BY 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10977180
Der Haupteingang des Krankenhauses von Sednaya in Syrien. Foto High Contrast, CC BY 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10977180
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Das Regime von Bashar al-Assad berichtet nach wie vor über unwahrscheinlich niedrige Zahlen von COVID-19-Fällen, während die Beweise für eine gezielte Täuschung zunehmen. Die Anwesenheit von Zehntausenden von durch den Iran unterstützten Milizkämpfern könnte die Verbreitung des Virus eingeleitet und wahrscheinlich beschleunigt haben.

von David Adesnik

Das Regime bestätigte einen ersten Fall von COVID-19 am 22. März, nachdem es wochenlang Berichte über weitere Infektionen bestritten hatte. Am 10. März berichtete eine in Grossbritannien ansässige Menschenrechtsgruppe unter Berufung auf Gespräche mit Ärzten innerhalb Syriens, dass das Virus bereits auf vier Provinzen, über die das Regime eine wirksame Kontrolle ausübt, darunter auch Damaskus, übergegriffen habe. Ärzte des Tishreen-Militärkrankenhauses berichteten Journalisten, dass sie ausländische Milizkämpfer gegen das, was anscheinend COVID-19 war, behandelt hätten.

Darüber hinaus meldeten die pakistanischen Behörden sechs Fälle von Coronavirus bei Bürgern, die gerade aus Syrien zurückgekehrt waren. Die Zeynabiyoun-Brigade, eine der vom Iran unterstützten Milizen, die im Namen Assads kämpfen, besteht hauptsächlich aus pakistanischen Kämpfern. Das US-Finanzministerium hat die Zeynabiyoun im vergangenen Jahr wegen Terrorismus und Menschenrechtsverletzungen sanktioniert.

Bevor das syrische Regime seinen ersten Coronavirus-Fall bestätigte, schloss es die Schulen des Landes und untersagte die meisten Auslandsreisen. In der letzten Märzwoche verhängte Damaskus eine landesweite Ausgangssperre von 18.00 bis 6.00 Uhr und verbot Reisen zwischen den Städten. Ebenfalls in dieser Woche wurden 11 irakische schiitische Pilger nach ihrer Rückkehr aus Syrien positiv getestet. Nach und nach hob das Regime die offizielle Zahl der gemeldeten Fälle an, die schliesslich am 14. April 29 Personen, darunter zwei Tote, erreichte. In der Zwischenzeit sammelten unabhängige Journalisten Berichte über 46 Fälle, von denen sich 35 in Deir Ezzor, einer Provinz mit einer hohen Konzentration iranischer Milizkämpfer, ereigneten.

Um den Informationsfluss über die Pandemie zu kontrollieren, hat der syrische Geheimdienst sein Personal auch in den Krankenhäusern des Landes untergebracht, berichtet ein im Ausland lebender Forscher aus Homs. In Syrien ansässige Ärzte teilten ihm weiter mit, dass sie einen drastischen Anstieg der durch Lungenentzündung bedingten Todesfälle beobachtet haben, von denen viele wahrscheinlich nicht diagnostizierte Fälle von Coronaviren seien. Angesichts seiner begrenzten Kapazität, auf COVID-19 zu testen – es gibt ein einziges Labor in Damaskus, das Proben analysieren kann -, hat das Regime selbst möglicherweise kaum eine Vorstellung davon, wie weit sich das Virus ausgebreitet hat.

Auszug COVID-19 im Grossraum Naher Osten

Land Fälle

Todesfälle

Iran 77’995

4’869

Türkei 69’392

1’518

Israel 12’591

140

Pakistan 6’919

128

Saudi-Arabien 6’380

83

Vereinigte Arabische Emirate 5’365

33

Katar 4’103

7

Ägypten 2’505

183

Algerien 2’160

336

Marokko 2’251

128

Irak 1’415

79

W. Bank und Gaza 374

2

Quelle: Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), 16. April 2020, 16:50 Uhr

Konsequenzen

Das Assad-Regime verdankt sein Überleben weitgehend der militärischen und finanziellen Unterstützung durch den Iran. Würde man zugeben, dass vom Iran unterstützte Kämpfer das Virus mitgebracht und verbreitet haben, wäre dies sowohl für das Assad-Regime als auch für Teheran eine grosse Blamage.

In der ersten Aprilwoche schränkte das Regime nachträglich die Bewegung in und aus dem Stadtviertel Sayyida Zeinab südöstlich von Damaskus ein, in dem vom Iran unterstützte Milizen ihr Hauptquartier unterhalten. Die Behörden versiegelten auch den Sayyida-Zeinab-Schrein, der dem Viertel seinen Namen gibt und jedes Jahr Zehntausende iranischer Pilger anzieht.

Westliche Diplomaten teilten Reuters mit, dass die iranische Fluggesellschaft Mahan Air selbst nach der Aussetzung anderer Flüge weiterhin regelmässig von Teheran nach Damaskus fliegt. Das US-Finanzministerium sanktionierte Mahan Air erstmals 2011 wegen Unterstützung des Terrorismus; die Behörde kam auch zu dem Schluss, dass Mahan durch seine jahrelange Unterstützung des Assad-Regimes zu “Massenverbrechen” in Syrien beigetragen habe.

Die Vorboten eines grösseren Virusausbruchs sind in Syrien deutlich sichtbar, doch die Kontrolle des Regimes über das Gesundheitssystem garantiert, dass Tausende von Fällen vor der Aussenwelt verborgen bleiben könnten. Der oberste UN-Beauftragte für Entwicklungshilfe warnte, dass die wenigen Fälle, die Damaskus zugibt, nur die “Spitze des Eisbergs” darstellen.

Das Regime ist möglicherweise in der Lage, den Anschein eines kleineren Ausbruchs aufrechtzuerhalten, bis die Pandemie die baufälligen Krankenhäuser des Landes überfordert. Eine Studie der London School of Economics ergab, dass das syrische Gesundheitssystem nur über 325 Betten mit Beatmungsgeräten auf Intensivstationen verfügt, wobei etwas mehr als 40 in Gebieten ausserhalb der Kontrolle des Regimes liegen. Ausgehend von der Annahme, dass 5 Prozent der Coronavirus-Patienten ein Beatmungsgerät benötigen, gelangte die Studie zu der Schätzung, dass das System höchstens 6.500 Fälle bewältigen könnte.

Auch wenn eine Katastrophe unmittelbar bevorstehen könnte, ist es auch möglich, dass die Epidemie nur mehrere tausend Menschenleben fordert, eine Zahl die klein genug wäre, um sich in die allgemeine Verwüstung einzufügen, die Assad und seine Verbündeten in Syrien angerichtet haben.

David Adesnik ist Forschungsdirektor und Senior Fellow bei der Foundation for Defense of Democracies, wo er am Center on Military and Political Power (CMPP) der FDD mitarbeitet. Übersetzung Audiatur-Online.