Judenhetze ist kein Fastenopfer

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Ausschnitt des Gemäldes mit dem Titel „Das Martyrium des Hl. Simon von Trient bei der Ausführung eines jüdischen Ritualmords“. Foto Facebook / giovannigasparroart
Ausschnitt des Gemäldes mit dem Titel „Das Martyrium des Hl. Simon von Trient bei der Ausführung eines jüdischen Ritualmords“. Foto Facebook / giovannigasparroart
Lesezeit: 3 Minuten

Für Christen sollte die Fastenzeit eine Zeit der Selbstbetrachtung, der Gewissensprüfung und Umkehr sein. Bei Christen, denen es scheinbar schwerfällt, mit dem Stress umzugehen, der die Menschheit in Form der COVID-19-Krise heimsucht, sieht dies jedoch anders aus.

von Dexter Van Zile

Anstatt ihr Vertrauen in die Fürsorge Gottes zu setzen und ihr Leiden aus der Perspektive der Zeit, die Christus in der Wüste verbrachte, zu interpretieren, benutzen diese Christen die aktuelle Krise als eine Gelegenheit, zu weiterem Judenhass anzustiften.

Der italienische Maler Giovanni Gasparro war das krasseste Beispiel für dieses Phänomen, als er am 25. März 2020 ein Foto eines seiner aktuellen Gemälde mit dem Titel „Das Martyrium des Hl. Simon von Trient bei der Ausführung eines jüdischen Ritualmords“ postete.

Das Gemälde, das zwischen Ende 2019 und Anfang 2020 entstand, ist eine reisserische Darstellung von Juden, die sich anschicken, ein Kind zu ermorden, um an sein Blut zu kommen. Im The Algemeiner schreibt der Autor Ben Cohen, dass das Gemälde einen jüdischen Ritualmordvorwurf darstellt, der von der katholischen Kirche zurückgewiesen wurde. Die Ritualmordlegende von Trient kostete 15 Juden das Leben.

„Gasparros Pinsel betont gezielt die Stereotypen des klassischen Antisemitismus: grosse Hakennasen, gelb verfärbte, unregelmässige Zähne, blutbefleckte Finger und ein inhärentes Vergnügen daran, das nicht-jüdische Kind ähnlich leiden zu lassen wie Jesus am Kreuz“, schreibt Cohen. „Während das Kind auf dem Gemälde vor Angst weint, kichern und lachen die jüdischen Figuren auf hämische Weise und mit irrem Gesichtsausdruck.“

Bis zum jetzigen Zeitpunkt (10. April 2020) hat Facebook versäumt, die Fotos von Gasparros Gemälde von seinen Servern zu nehmen.

Was Gasparros aufmerksamkeitsheischende Schandtat noch belastender macht, ist die Tatsache, dass er erst kürzlich von offiziellen Vertretern der katholischen Kirche beauftragt wurde, die Wände von italienischen Kirchen zu restaurieren und zu bemalen – und jetzt befeuert er die von der Kirche zurückgewiesene Lügengeschichte des Ritualmords.

Gasparro, ein Liebling des „traditionellen“ Flügels der katholischen Kirche Italiens hat zwar Internetzugang, lebt aber offensichtlich immer noch im Mittelalter. Es ist kein Zufall, dass Gasparro sein Bild gerade jetzt veröffentlicht, wo Italien im Angesicht von COVID-19 in die Knie geht, denn die traurige Wahrheit ist, dass eine Plage eine neue gebiert.

Ein weiterer Ausdruck des von COVID-19 ausgelösten Wahnsinns kommt von Rick Wiles, einem „evangelikalen“ Pastor aus Florida, der regelmässig Judenhass über seinen Internet-Nachrichtenkanal TruNews verbreitet. In einer seiner jüngsten Übertragungen, die am gleichen Tag ausgestrahlt wurde, an dem Gasparro seine Fotos auf Facebook postete, sagte Wiles, die Juden sollten sich von ihren Synagogen fernhalten, da sich „in ihnen eine Seuche befinde“. COVID-19 sei Teil von Gottes Krieg gegen falsche Religionen, erklärte Wiles. „So geht Gott mit denen um, die sich seinem Sohn Jesus Christus entgegenstellen. So geht er mit den Mächten des Antichristen um. Derzeit verbreitet sich eine Seuche auf der Welt und die Menschen, die Synagogen besuchen, kommen mit dem Virus wieder heraus.“

COVID-19 ist tödlich und Antisemitismus ist es ebenso. Er hat Millionen Menschen das Leben gekostet und doch sehen wir zwei prominente Christen, welche das Virus des Judenhasses verbreiten, als sei es ein legitimer Aspekt des christlichen Glaubens.

In seinem Buch The Anguish of the Jews stellte Pater Edward Flannery die Frage, ob es nicht der ultimative Skandal sei, dass „das jüdische Volk dadurch, dass es in der Geschichte die Last Gottes trug, in den christlichen Kirchen weniger einen Verbündeten und Verteidiger sondern vielmehr einen seiner eifrigsten Kritiker und Unterdrücker gefunden hat?“

„Dies ist eine Geschichte, die Umkehr verlangt“, schrieb Flannery. Leider gibt es Menschen, die diese Geschichte noch ausweiten wollen. Die Notwendigkeit zur Umkehr besteht nach wie vor.

Dexter Van Zile ist Shillman Research Fellow beim Committee for Accuracy in Middle East Reporting and Analysis (CAMERA). Übersetzung Audiatur-Online.

8 Kommentare

  1. @ Elijahu Tarantul

    Die Frage der Religion (in meinem Fall: christlich) ist für mich gottlob(!) schon seit vielen Jahrzehnten beantwortet. Ich bin areligiös ohne deswegen dem christlichen oder jüdischen Glauben feindlich gegenüber zu stehen. Angesichts des starken Verfolgungsdrucks, dem diese beiden Religionen in vielen Ländern ausgesetzt sind, halte ich es für unangemessen, billige Religionskritik zu üben wie sie vorwiegend das Christentum immer noch von angeblich „kritischen“ oder „satirischen“ Kreisen erfährt. Diese selbstgerechten Stimmen pflegen nämlich prompt zu verstummen bei der wohl intolerantesten und aggressivsten Religion, die es weltweit gibt: dem Islam.

    Ich glaube zu verstehen, was Sie meinen, Herr Tarantul, doch nach wie vor sehe ich nicht, dass die getane Aussage so kritikwürdig ist, zumal sie auch zeitlich („jahrhundertelang“) eingeschränkt wurde.

    Bleiben Sie gesund.

  2. @nussknacker56
    Sicherlich gab es und leider gibt es immer noch “in der Kirche”, genauer gesagt in den Kirchen, starke und deutliche antijudaistische Tendenzen. Ich fürchte, heute sind sie sogar stärker als im Mittelalter. Auch am rassischen Antisemitismus (die gelehrte Terminologie unterscheidet ja zwischen dem prämodernen Antijudaismus und dem Antisemitismus der Neuzeit und der Moderne) haben leider so viele christliche Würdenträger und Gruppierungen Anteil, dass man beileibe nicht mehr über Ausnahmen sprechen kann. In der Entstehung der perversen Ritualmordlüge spielten viele christliche Intellektuellen sowie einfache Gemüter mit ihrer hagiographischen Hetze gegen das Judentum eine unverzeihliche und mörderische Rolle. Sicherlich trug auch die Ikonographie von “Synagoga und Ecclesia” sowie von der “Judensau” eine wichtige Rolle in der antijüdischen Propaganda. Den erhabenen Begriff “Kunst” möchte ich in diesem Zusammenhang nicht verwanden…Das alles steht in den Geschichtsbüchern. Warum noch darüber diskutieren?
    Der weise Hillel sagte einem ungeduldigen Heiden: “Was dir selber verhasst ist, tue auch einem anderen nicht an!” Uns Juden wurde Jahrtausende lang eine pauschale Anschuldigung nach der anderen angetan. Wir haben sehr darunter gelitten. Eine der absurdesten Anschuldigungen war, alle Juden würden die andersgläubigen, insbesondere Christen, hassen und verachten. Ich kann nicht für alle Juden sprechen. Ich persönlich hasse die Andersgläubigen nicht, ebenso wenig wie meine Lehrer, die mich zum Rabbiner ausgebildet haben.
    Wie kann ein Jude gleichgültig bleiben, wenn den Christen eine ähnliche pauschale Anschuldigung in die Schuhe geschoben wird? Die plakativen und hasserfüllten Aussagen wie “Judenhass als Kennzeichen eines guten Christen” ignorieren eine einfache Tatsache: Christen (genauso wie Juden) sind Menschen. Menschen sind sehr unterschiedlich. Mir persönlich sind so viele ehrliche, hilfsbereite, hochgebildete und aufrichtige Christen begegnet, dass ich protestieren muss, wenn ein Mensch als Judenhasser abgestempelt wird, nur weil er ein Christ ist. Wenn er uns Juden hasst, ist es nicht “weil”, sondern “obwohl” der erwähnte Mensch sich als Christ bezeichnet.
    Zwei Juden – drei Meinungen. Ist es denn bei den Christen, mit ihrer Vielfalt der Kirchen und der Heterogenität innerhalb jeder einzelner Kirche, wirklich anders?
    Die Formel “alle X sind Y” hätte mehr zum “Stürmer” als zu der toleranten, weltoffenen und multikulturellen Atmosphäre von Audiatur gepasst.

  3. Herr Tarantul,

    „Judenhass war jahrhundertelang ein wichtiges Kennzeichen eines guten Christen“ mag vielleicht etwas überspitzt ausgedrückt sein, aber die Aussage, dass Judenhass ein dem Christentum völlig fremder Gedanke sei, dürfte wohl vollkommen daneben liegen.

    In obigem Artikel geht es um den tiefsitzenden antisemitischen Hass eines Malers von hauptsächlich christlichen Motiven. Unter anderem steht im Text „dass er erst kürzlich von offiziellen Vertretern der katholischen Kirche beauftragt wurde, die Wände von italienischen Kirchen zu restaurieren und zu bemalen“. Wenn ein vulgärer Judenhasser wie dieser italienische Maler nach Bekanntwerden seiner Wahnvorstellungen nicht umgehend alle Aufträge der katholischen Kirche verliert – und das ist nicht der Fall –, worauf lässt das dann wohl schließen?

  4. Judenhass war nie „ein wichtiges Kennzeichen eines guten Christen.“ Wer die Christen beleidigt, tut auch uns Juden keinen Gefallen. Wie Juden erwarten, dass man uns mit Respekt begegnet. Wieso verdient die zweitausend Jahre alte, reife und sehr vielfältige Kultur des Christentums so wenig Respekt?

  5. Zuerst dachte ich noch an einen Schreibfehler als ich lese, dass das Gemälde „zwischen Ende 2019 und Anfang 2020“ entstanden ist. Von der Machart her hätte ich die Entstehung mehrere Jahrhunderte zurückdatiert.

    Eine kurze Recherche beweist, dass ich falsch vermutet habe.

    Wir schreiben das Jahr 2020 und der italienische Maler Giovanni Gasparro setzt das Bild „Das Martyrium des Hl. Simon von Trient“ auf die Welt, das über seine hochgradig perversen Fantasien Auskunft gibt. Selbst der Papst Franziskus ist ein Bewunderer seiner Werke und es ist bisher nicht überliefert, dass ihm davon schlecht geworden ist oder er seine Abscheu geäußert hätte.

    Zweifelsohne künstlerisch sehr begabt – zumindest soweit ich das beurteilen kann – ist Gasparro zuallererst ein Antisemit der vulgärsten Sorte. Können und abgrundtiefe Niederträchtigkeit schließen sich eben keineswegs aus, sondern können sogar, wie in diesem Fall, eine höchst innige Verbindung eingehen.

  6. Wenn die r.k.Kirchr im Sachen dieses Malers nicht was unternimmt, etwas sehr Deutliches, dann glaube ich ihr endgültig kein Wort mehr. Was mir trotz alle meiner Versuche sowieso schwer fiel. Übrigens: Judenhass war jahrhundertelang ein wichtiges Kennzeichen eines guten Christen.
    lg
    caruso

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