Palästinensische Autonomiebehörde beschlagnahmt seltene archäologische Fundstücke

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Symbolbild. Terra-Sancta-Museum , Archäologische Abteilung. Foto Hillel Maeir/TPS
Symbolbild. Terra-Sancta-Museum , Archäologische Abteilung. Foto Hillel Maeir/TPS
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Vergangene Woche versammelte sich ein Gericht der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), um über die Klage eines Einwohners zu entscheiden, in der dieser die Rückgabe einer Sammlung seltener Münzen, Banknoten, Briefmarken, Forschungsliteratur und diverser archäologische Fundstücke forderte, die die PA aus seinem Besitz beschlagnahmt hatte.

von Baruch Yedid/TPS

Die seltene Sammlung wurde vor rund einem Jahr durch den Geheimdienst der PA von dem 80-jährigen Anwar Zre‘ir konfisziert, der sein Leben der Forschung verschrieben und im Laufe von 50 Jahren Tausende seltener Artefakte angesammelt hat.

Der auch als Abu Noor bekannte Zre‘ir befürchtet, dass die PA seine Sammlung verkaufen und seiner Forschungsarbeit schweren Schaden zufügen wird, indem sie die seltenen historischen Beweisstücke unterschlägt.

Abu Noors Verwandte berichteten gegenüber der Nachrichtenagentur TPS, dass die PA durch einen Bericht des Nachrichtensenders Al Arabiya vor rund anderthalb Jahren von der Existenz der seltenen Sammlung erfahren und seither immer wieder Teile der Sammlung beschlagnahmt hatte.

„Die Tourismuspolizei stand dreimal mit einer Anweisung der Antikenbehörde der PA vor der Tür, um die Herausgabe der antiken Sammelstücke zu fordern, und konfiszierte Bücher von historischem Wert, einige davon aus der Zeit des britischen Mandats“, so die Familie Zre‘ir.

Hinweise deuten darauf hin, dass dieser Vorfall Teil der PA-Bestrebungen zur Aneignung archäologischer Funde und Altertümer in der Region ist.

Vor rund zwei Jahren aktualisierte die PA ihr Antikengesetz, in welchem sie festlegte, dass alle Gegenstände aus der Zeit vor 1917 rechtlich als archäologische Fundstücke betrachtet werden. Bis zur Änderung des Gesetzes galt ein jordanisches Gesetz aus dem Jahr 1966, das bestimmte, dass ausschliesslich Gegenstände aus der Zeit vor 1700 als antike Objekte gelten, welche von der PA beschlagnahmt werden dürfen.

Abu Noors Mitarbeiter sagen, dies sei kein Zufall, denn die PA versuche aus politischen Gründen, Fundstücke aus der Zeit vor den Anfängen des Zionismus und der Balfour-Deklaration in ihren Besitz zu bekommen, um Beweise für die Existenz einer politischen Einheit der Juden vor dem modernen Israel zu unterschlagen.

Bei der Antikenausstellung in Bethlehem im Jahr 2005 war der Gouverneur von Bethlehem, Salah Ta‘amari, schockiert, als er feststellte, dass Münzen aus griechischer und römischer Zeit ausgestellt wurden, die Beweise für die jüdische Präsenz in der Region enthielten. Ta‘amari liess die Fundstücke entfernen und sorgte dafür, dass die zu der Ausstellung geladenen Botschafter und Konsuln sie nicht zu sehen bekamen.

Seit der Beschlagnahmung der Privatsammlung hat die Familie Zre‘ir Beweise zusammengetragen, aus denen hervorgeht, dass die PA Anstrengungen unternimmt, historische und antike Funde in ihren Besitz zu bekommen.

So hat sich beispielsweise herausgestellt, dass auch die Hebron Rehabilitation Commission an dem Antikendiebstahl beteiligt ist und ihre Mitarbeiter mit historischen Fundstücken handeln, auf die sie bei den Rekonstruktionsarbeiten der Altstadt stossen.

Im Vorfeld des Gerichtstermins am Dienstag lud die PA Sachverständige ein, die bestätigen sollen, dass die konfiszierten Fundstücke entsprechend dem neuen Gesetz per Definition antike Gegenstände sind, während Zre‘ir sich bemüht zu beweisen, dass die aus seinem Besitz beschlagnahmten Artefakte in anderen Teilen der Welt rechtlich nicht als archäologische Fundstücke betrachtet werden.

Eitan Melet, der sich mit dem Diebstahl und der Zerstörung archäologischer Altertümer beschäftigt, sagte die Gesetzesänderung der PA sei „eine signifikante Veränderung, weil das israelische Antikengesetz, das nur für Funde vor 1700 gilt, dann nicht mehr auf ‚neuere‘ Funde anwendbar sein wird, während die PA ihr Gesetz auf weitere 217 Jahre Geschichte ausdehnt und sich somit ermöglicht, antike Artefakte zu beschlagnahmen, die gemäss der Mandats- und jordanischen Gesetze keine antiken Gegenstände sind. Die PA umgeht uns per Gesetz.“

Ein Archäologe, mit dem TPS sprach, erklärte, dass die PA jetzt im Rahmen ihrer UNESCO-Mitgliedschaft Dutzende von Ausgrabungsstätten als „palästinensisches Erbe“ definieren und dabei archäologische Funde bis zum Ende der osmanischen Zeit einschliessen kann.

„Die PA kann sich zum Beispiel zum Besitzer von 300 Jahre alten Objekten des jüdischen Lebens erklären und sogar Besitzansprüche auf Napoleons Kanonen in Akkon erheben“, stellte er fest.

Einer der Kompromissvorschläge der PA an Abu Noor ist, die Sammlung an ein in PA-Besitz befindliches Museum in Ramallah zu spenden. Abu Noor ist jedoch dagegen, weil er nach eigener Aussage bereits Tausende Gegenstände für eine von der Handelskammer von Hebron gesponserte Dauerausstellung gespendet hat. Derzeit verhandelt er mit der palästinensischen Tourismuspolizei über die Förderung eines Museumsbaus in Hebron. Im Gegenzug will er die seltene Sammlung aufgeben.

Die Gerichtsanhörung wurde immer wieder verschoben und Zre‘irs Angehörige fürchten, dies ist ein Versuch, die Tatsache zu verschleiern, dass einige der Gegenstände bereits von führenden PA-Beamten verkauft wurden.

Zre‘ir überlegt nun, sich in dieser Angelegenheit an die UNESCO zu wenden und hat bereits Kontakt zu internationalen Rechtsanwälten und Experten aufgenommen. Möglicherweise wird er auch um Intervention der britischen Regierung ersuchen, da einige der beschlagnahmten Fundstücke mit der Mandatszeit und Studien zusammenhängen, die von britischen Delegationen in der Region durchgeführt wurden und von grossem Wert sein könnten.

Mehrere von Familienangehörigen konsultierte Rechtsanwälte sind der Ansicht, dass die Kontaktaufnahme zur UNESCO begründet ist, insbesondere angesichts der Tastsache, dass die Organisation im Jahr 2011 den Antrag auf Vollmitgliedschaft der PA genehmigte.

„Seit über 50 Jahren hat Abu Noor durch seine Reisen in den Irak, Syrien und Jordanien seine Sammlung aufgebaut und immense Summen dafür gezahlt. Jetzt ist er erschüttert über den Schaden, der den historischen Beweisen für die jahrtausendelange Existenz von Kulturen in der Region zugefügt wird“, so die Familie Zre‘ir.

„Diese Schäden könnten sich als ebenso schwerwiegend erweisen wie die Zerstörung der antiken Stätten in Palmyra und Ninive durch den IS“, fügte Abu Noor hinzu.

Zum Schluss meint ein Familienangehöriger: „Die PA konfisziert antike und archäologische Fundstücke auch, um Beweise für die jüdische Präsenz in der Region zu unterschlagen und ihre politische Position zu rechtfertigen.“