Neue Formen des alten Hasses: Kampf gegen Assads Antisemitismus in Deutschland

2
Symbolbild. Ankunft von Flüchtlingen von der deutsch/österreichischen Grenze mit einem Sonderzug der Deutschen Bahn im Bahnhof des Kölner-Bonn-Flughafen im September 2015. Foto © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=43745964
Symbolbild. Ankunft von Flüchtlingen von der deutsch/österreichischen Grenze mit einem Sonderzug der Deutschen Bahn im Bahnhof des Kölner-Bonn-Flughafen im September 2015. Foto © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=43745964
Lesezeit: 8 Minuten

Angesichts des internationalen Holocaust-Gedenktags, bei dem dieses Jahr des 75. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz gedacht wurde, sollte die deutsche Öffentlichkeit sich auch den möglichen Auswirkungen einer neuen Welle des Antisemitismus innerhalb ihrer Grenzen widmen.

von Rawan Osman

Deutschland hat über eine Million Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen – ein Land, in dem Antisemitismus seit jeher ein zentrales Merkmal der von der Familie Assad betriebenen Propaganda ist. Dies hat sowohl zu einem Anstieg der rechtsextremen Tendenzen in Deutschland geführt als auch  Deutschlands jüdische Bevölkerung einem neuen Typus von Antisemitismus ausgesetzt – einem, der von der Assad-Diktatur als Herrschaftsmethode entwickelt wurde.

Die ungehemmten antiisraelischen und antisemitischen Klischees, die in Syrien gelehrt, gefördert oder toleriert werden, stellen die deutschen Behörden, die immer noch mit der Vergangenheit ihres Landes zu kämpfen haben, vor neue Herausforderungen. Deutschland hat aufgrund seiner Geschichte eine grössere Verantwortung als andere europäische Länder übernommen, Flüchtlinge aufzunehmen. Jetzt muss es eine weitere wichtige Verantwortung übernehmen: diese Gemeinschaften effektiv über den Holocaust und das manipulative Wesen des Antisemitismus aufzuklären.

Als Syrerin, die jetzt in Deutschland zu Hause ist, bin ich mir dieses Problems besonders bewusst. Einst, vor Beginn des syrischen Bürgerkriegs, war ich nach Europa gereist, um mir die Qualifikationen anzueignen, die ich für die Eröffnung einer Weinbar in der Altstadt von Damaskus benötigte. Aber mein Aufenthalt in ländlichen deutschen Gebieten öffnete mir die Augen für viel mehr als nur die Feinheiten des Weinbaus. Ich beschäftigte mich mit den Wurzeln meiner eigenen Vorurteile gegenüber Juden, und gewann gleichzeitig ein Bewusstsein dafür, welche Rolle der Antisemitismus dabei spielt, das Volk in meiner Heimat zu täuschen.

Zu Hause in Syrien entzündete sich das, was 2011 als friedlicher Aufstand begann, schnell zu einem vollständigen Bürgerkrieg, der eine ganze Nation mit ihren Nachbarn verzehrte. Während der Konflikt seit über neun Jahren tobt, ist es der syrischen Diktatur gelungen, an der Macht festzuhalten. Die gesamte internationale Gemeinschaft war nicht in der Lage, in diese menschliche Katastrophe einzugreifen, was zur grössten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg beigetragen hat.

Viele dieser Flüchtlinge flohen aus Syrien – einem der antisemitischsten Länder der Welt – nach Deutschland, das immer noch dabei ist, seine komplexen und angespannten Beziehungen zum jüdischen Volk zu reparieren. Es ist nun an Deutschland, den tief verwurzelten Antisemitismus in Syrien zu erkennen und zu verstehen, damit es seinen neuen Einwohnern helfen kann, ein Leben ohne staatlich geförderte Vorurteile zu führen.

Die Reichweite des Antisemitismus in Syrien

Jahrzehntelang hat das syrische Ba’ath-Regime systematisch Hass und antisemitische Propaganda gegen das jüdische Volk geschürt. Der Einfluss des Antisemitismus ist in der syrischen Aussenpolitik vielleicht am deutlichsten sichtbar. Das baathistische Regime hat Terrororganisationen wie die Hamas und die Hisbollah, die sich gegen israelische Zivilisten richten, vorbehaltlos unterstützt. Die Unterstützung des Regimes für diese Organisationen sollte nicht als Unterstützung für die palästinensische Sache missdeutet werden – der schreckliche Zustand des palästinensischen Flüchtlingslagers Yarmouk am südlichen Stadtrand von Damaskus zeigt die offensichtliche Verachtung, die das syrische Regime dem Leben der Palästinenser entgegenbringt. Die Unterstützung dieser terroristischen Organisationen beruht vielmehr auf einer Kombination aus politischer Nützlichkeit und einem reellen Hass auf Juden.

Beispielhaft für diesen Trend ist die Entscheidung, die das syrische Regime traf, als es 1993 den Terroristen Abu Daoud aufnahm, einen der Drahtzieher des Olympiamassakers von München. Damit war Syrien das einzige Land, das dies tat, und damit dem Terroristen gestatte, bis zu seinem natürlichen Tod im Jahr 2010 dem internationalen Recht zu entgehen. Jahrzehnte zuvor hatte die syrische Regierung auch beschlossen, den geflohenen Nazi Alois Brunner zu beherbergen, der für den Tod von mindestens 128.000 Juden verantwortlich war. Alois Brunner soll auch massgeblich zum Aufbau des syrischen Geheimdienstes beigetragen haben – dem gefürchteten Mukhabarat –, der für massenhaftem Mord an Syrern verantwortlich ist.

Antisemitismus ist in Syrien weit verbreitet und hat auf allen Ebenen der Gesellschaft Wurzeln geschlagen. Religiöse Führer zitieren – aus dem historischen und religiösen Kontext gerissene – Koranschriften, um diese Ideologie des Hasses voranzutreiben, während viele syrische Intellektuelle und Künstler die hasserfüllte Rhetorik dieser Diktatur übernehmen, ohne Fragen zu stellen.

Die syrische Populärliteratur zeigt sehr gut die tiefe Beziehung zwischen dem syrischen Staat, der staatlich verordneten Kultur und dem Antisemitismus. 1983 veröffentlichte der damalige Verteidigungsminister Mustafa Tlass ein Buch mit dem Titel „Der Matzen von Zion“, in dem es um die Damaskusaffäre ging, einen historischen Vorfall, bei dem 1840 dreizehn Juden aus Damaskus wegen „ritueller Morde” verhaftet wurden. Das Buch präsentierte unbelegte Anschuldigungen als Tatsachen und wiederholte die alte Ritualmordlegende, wonach Juden Nichtjuden ermorden, um deren Blut für religiöse Rituale zu verwenden. Tlass war ein erbitterter Antisemit, der überzeugt war, dass alle Juden – nicht nur Israelis – von Natur aus blutrünstig seien. Er behauptete, das Judentum sei eine “bösartige Perversion” und die Juden seien von „schwarzem Hass gegen alle Menschen und Religionen” getrieben.

Die antisemitische Propaganda in „Der Matzen von Zion“ glich der Sprache von „Mein Kampf“ und den „Protokollen der Weisen von Zion“. Das Buch „Der Matzen von Zion“ erreichte in internationalen antisemitischen Kreisen eine ähnliche Popularität, ist aber vielleicht am leichtesten in Damaskus zu kaufen, wo es an fast jeder Strassenecke zum erschwinglichen Preis von zwei US-Dollar verkauft wird. Tatsächlich erscheint keines der beiden oben genannten antisemitischen Bücher auf der langen Liste der verbotenen Werke in Syrien, sodass sie leicht zu verbreiten sind. Das vielleicht beste und einflussreichste Beispiel für Antisemitismus in Syrien seit Beginn der Herrschaft von Bashar al-Assad ist aber die neunundzwanzigteilige syrische Fernsehserie Ash-shatat – “Die Diaspora”. Der Autor hat, zusammen mit einigen von Syriens prominentesten Schauspielern, eine entsetzliche Zusammenstellung antisemitischer Lügen und Verleumdungen geliefert, die die Juden als die bösesten und unmoralischsten Menschen der Welt darstellen. Ash-shatat ist nicht die einzige syrische oder ägyptische Fernsehproduktion, die Antisemitismus verbreitet, aber die einflussreichste. Die Fernsehserie erreichte ein regionales Publikum und wurde 2004 im Iran und 2005 in Jordanien ausgestrahlt.

Eine mögliche Lösung: Bildung und Bewusstsein

All diesen Beispiele des in Syrien tief verwurzelten Antisemitismus zum Trotz ist es möglich, auch eine derart intensive Indoktrination umzukehren: Der öffentliche Diskurs in Deutschland ist ein lebendiges Beispiel dafür. Mein eigener Besuch in der Gedenkstätte Dachau öffnete mir die Augen für das schreckliche Ausmass an Grausamkeit und menschlichem Leid, das die Menschen in diesem Lager erlebten. Solche Orte, die im syrischen kollektiven Bewusstsein nicht vorhanden sind, zeigen eindeutig, dass der Holocaust stattgefunden hat. Ich habe in Dachau geweint und wurde von jüdischen Begleitern getröstet. Ich weinte nicht nur vor Trauer, sondern auch vor Scham – ob der Schande, in einer Kultur aufgewachsen zu sein, die den Holocaust leugnet oder bestenfalls behauptet, es sei eine zionistische Entscheidung gewesen, Juden zu „opfern“, um die Einwanderung nach Israel zu fördern.

“Als Syrerin weiss ich, dass Warnungen allein nicht ausreichen”

Deutschland hat jetzt mehr denn je seine eigenen innenpolitischen Herausforderungen zu bewältigen: Die rechtsextreme Ideologie, die in ganz Europa als offensichtliche Reaktion auf die Flüchtlingskrise wieder aufgetaucht ist, hat zu einem Wiederaufleben von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit geführt – insbesondere in Deutschland. Einerseits befürchten viele, dass die Welt einen ihrer dunkelsten Momente in der Geschichte noch einmal erleben könnte, wenn Deutschland seine aktuelle Problematik nicht meistert. Deutschen Juden wurden ja bereits von der jüdischen Führung angewiesen, keine Kippahs in der Öffentlichkeit zu tragen und Mesuszot von ihren Türen zu entfernen – viele haben begonnen, ihre Identität zu verbergen. Der versuchte Anschlag auf die Synagoge in Halle führte – obwohl ein Massaker in der Synagoge dank einer verschlossenen Tür verhindert werden konnte – dennoch zum Tod von Menschen und zeigt, was es für Auswirkungen hat, wenn dieses Problem nicht angegangen wird. Wird diesem Thema jedoch Priorität eingeräumt, wie es der deutsche Aussenminister öffentlich gefordert hat,  dann hat Deutschland die Chance, seine Position als „Land der Möglichkeiten“ zu bestätigen, in dem sich Menschen aus aller Welt neu erfinden können.

Doch obwohl die Bundesregierung geschworen hat, den Antisemitismus zu bekämpfen, hat sie bislang nichts anderes getan, als jenen Personen, die deutsche Juden angreifen, mit nicht näher bezeichneten Konsequenzen zu drohen. Als Syrerin weiss ich, dass Warnungen allein nicht ausreichen, um Jahrzehnten antisemitischer Botschaften entgegenzuwirken. In den fiebrigen Köpfen extremer Antisemiten gilt ein Angriff auf Juden als ehrenhafte und mutige Tat. In vielen Fällen wurden diese Personen von Geburt an dazu konditioniert, das jüdische Volk als Feind wahrzunehmen und sind selbst Opfer eines Narrativs, das verhindern soll, dass sie die Diktatoren ihres Landes für das weit verbreitete Elend in der arabischen Welt zur Rechenschaft ziehen. Die Syrer müssen sich über die fortdauernde Geschichte des Antisemitismus informieren. Sie hat weder mit dem Holocaust begonnen noch endete sie mit der Schaffung des Staates Israel.

Jeder Syrer, der ein europäischer Staatsbürger werden möchte, muss sich weigern, ein antisemitischer Fortsatz der Regierung seines Herkunftslandes zu sein. Deutschland hat mit der jahrelangen Aufklärung seiner eigenen Bevölkerung in dieser Hinsicht eine gute Ausgangslage. Aber die Bundesregierung muss dies zu einer Priorität und Verpflichtung machen, mit Taten und Worten. Ein Europa, das für Juden unsicher ist, wird auch für andere Minderheiten niemals sicher sein. Wenn syrische Gemeinschaften in ganz Europa diese Realität erkennen, besteht das Potenzial, ein günstiges Umfeld für Juden und Syrer zu schaffen, in dem sie sich gegenseitig respektieren und wo das Verständnis und die Zusammenarbeit zwischen Nachbarn sowie die gegenseitige Unterstützung von Minderheitengemeinschaften in ganz Europa gefördert werden. Um an diesen Punkt zu gelangen, sind jedoch grosse Anstrengungen und Entschlossenheit erforderlich, sowohl aufseiten der deutschen Regierung als auch unter den syrischen Gemeinschaften.

Rawan Osman wurde in Damaskus geboren und wuchs im Libanon auf. Nach dem Gymnasium kehrte Osman nach Syrien zurück und reiste 2011 zu Beginn der Unruhen nach Frankreich. 2018 zog Osman nach Strassburg und begann an ihrem ersten Buch “Die Israelis, Freunde oder Feinde” zu arbeiten. Auf Englisch zuerst erschienen bei Washington Institute for Near East Policy. Übersetzung Audiatur-Online.

2 Kommentare

  1. Ich halte den Artikel für zutreffend, er bestätigt leider die Ergebnisse einer aktuellen Studie der “Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), für die …. über 16.000 jüdische Bürger in zwölf EU-Ländern befragt (wurden)”..

  2. Das ist Unsinn.
    Assad und die Syrer sind nicht per se Antisemiten.
    Es gibt ja auch noch Alawiten, Aleviten, Drusen und Christen als Ethnien in Syrien.
    Der Judenhass wird einzig durch den Islam kolportiert.
    Erstmals einen unsinnigen Artikel auf Audiatur gelesen!

Kommentarfunktion ist geschlossen.