Die Spendenmaschine der Palästinensischen Autonomiebehörde

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Foto Kremlin.ru, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=48254794
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Die Vorstellung, dass humanitäre Hilfe an die Palästinensische Autonomiebehörde tatsächlich auch bei den palästinensischen Arabern ankommt, entbehrt in der Realität jeglicher Grundlage.

von David Bedein

Wenn es um humanitäre Hilfe an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) geht, gibt es so etwas wie Transparenz einfach nicht. Das Ergebnis ist eine reiche palästinensische Elite, die in den exklusiven Vierteln rund um Ramallah lebt, während der Rest der palästinensischen Gesellschaft in Tausenden schäbiger Wohnungen ohne angemessene Versorgung lebt.

Yassir Arafat war es, der bei seiner Ankunft in Gaza im Jahr 1994 die Marschrichtung für die PA vorgab. Arafat übernahm die Verfügungsgewalt über alle vertraglichen Vereinbarungen und Investitionen und verwendete Spendengelder zur Gründung eines geheimen Portfolios in Höhe von 1 Mrd. Dollar, das u. a. Investitionen in Coca Cola, ein tunesisches Mobilfunkunternehmen sowie Risikokapitalfonds in den USA und den Cayman Islands umfasste.

Arafat stahl 1 Mrd. Dollar von Israel weitergeleitete Steuereinnahmen für palästinensische Arbeitnehmer. Das Geld ging auf Arafats privates Bankkonto bei der israelischen Bank Leumi in Tel Aviv. Weitere rund 100.000 Dollar monatlich gingen an Arafats in Paris lebende Ehefrau Suha. US-Ermittler schätzten das Vermögen Arafats auf 1 bis 3 Mrd. Dollar.

Drei Jahre nach Gründung der PA stellten palästinensische Kassenprüfer fest, dass 40 % des PA-Haushalts – 326 Mio. Dollar – veruntreut worden waren, ein Betrag, der ein Jahrzehnt später auf 700 Mio. Dollar angestiegen war.

Keine einzige westliche Regierung erhob Protest. Dies war der Startschuss für Diebstahl auf allen Ebenen der PA. Beamte der Palästinensischen Autonomiebehörde zahlten sich selbst hohe Gehälter aus, während sie die anderer einstrichen.

Mahmoud Abbas’ Vetternwirtschaft

Unter Arafats Nachfolger Mahmoud Abbas erreichte diese Politik der Vetternwirtschaft jede Ebene des Staatsdienstes. Regierungsvertreter, die häufig in verwandtschaftlicher Beziehung zu Abbas standen, erhielten Bezüge von 10.000 Dollar pro Monat – mehr als das Zehnfache des Einkommens gewöhnlicher Staatsbediensteter – und eröffneten geheime Bankkonten in Jordanien, auf die sie die erhaltenen Schmiergelder einzahlten.

Der Unterschied zwischen Abbas und Arafat: Anstatt es von der PA zu stehlen, beauftragte Abbas seine beiden Söhne Tarek und Jasser, Unternehmen gründen, die insbesondere im Ausland investieren und aus denen später ein Konsortium namens Falcon entstand, das den palästinensischen Handel übernahm.

Abbas pumpte 890.000 Dollar in Falcon, das über Niederlassungen in Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie ein Monopol auf den Verkauf von US-Zigaretten verfügt.

Des weiteren wäre da die von Jasser Abbas geführte Versicherungsgesellschaft Al Mashreq Insurance Co., deren Wert sich auf 35 Mio. Dollar beläuft und die elf Zweigstellen in den Palästinensischen Autonomiegebieten unterhält. Das Gesamtvermögen von Abbas‘ Söhnen wird auf rund 300 Mio. Dollar geschätzt.

Mohammed Dahlan, einer der Rivalen Abbas‘, gibt an, er habe nach dem Tode Arafats im Jahr 2004 1,4 Mrd. Dollar aus dessen persönlichen Finanzen erhalten. Dahlan behauptet, Abbas habe 600 Mio. Dollar von diesen Geldern verschwiegen. Schätzungen von Mohammed Rashid, dem Wirtschaftsberater Arafats, zufolge belaufen sich Abbas‘ Unterschlagungen auf 100 Mio. Dollar.

Abbas’ Elite

Abbas unterstützt seine eigene Elite. Er baut ihnen Paläste und genehmigt rund um Ramallah den Bau geschlossener Wohnanlagen für seine Unterstützer. Eines dieser exklusiven Viertel, in dem Abbas den Bau eines unter seiner Kontrolle stehenden Einkaufszentrums genehmigt, ist unter der Bezeichnung „Diplomatenbezirk“ bekannt.

2011 ersuchte Abbas-Berater Majdi Khaldi die Regierung Bahrains um die Summe von 4 Mio. Dollar für dieses Wohnviertel. Die PA stellte die Durchführbarkeit des Projekts sicher, indem sie öffentliches Land zu 60 % seines Marktwerts abtrat. Khaldi befürwortet die Aufnahme von offiziellen PA-Vertretern, Sicherheitskommandanten und Fatah-Angehörigen in den „Diplomatenbezirk“.

Abbas selbst lebt unter PA-Sicherheitskontrolle in einem Palast, der mehrere Millionen Dollar wert ist. Unbefugten Besuchern, insbesondere Fernsehteams, droht man mit Verhaftung.

Abbas schart auch ergebene Geschäftspartner um sich, wie etwa Mohammed Mustafa, den ehemaligen stellvertretenden Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde bis 2015 und ernannten Direktor des in Verbindung zu Abbas stehenden Palästina-Investmentfonds (PIF), der 18 % an der Arab Palestinian Investment Corporation (APIC) hält.

Abbas kontrolliert den PIF und ernennt sämtliche Direktoren. 2009 wurde Mustafa zum CEO eines der beiden Mobilfunkunternehmen im Westjordanland, Wataniya Mobile, ernannt. PIF hält 34 % der Anteile von Wataniya. Nach Unterlagen der Panama Papers ist Mustafa an Steuerhinterziehung und Geldwäscherei beteiligt. Dennoch gewährt Abbas Mustafa Schutz vor Strafverfolgung.

Im Februar 2016 verlangte das Mitglied des Palästinensischen Legislativrats Najat Abu Bakr eine Ermittlung gegen den Abbas-Minister für Lokalverwaltung, Hussein Al Araj. Abbas drohte Abu Bakr, der in das Gebäude des Legislativrats geflohen war, um sich vor dem Zugriff zu schützen, mit Verhaftung. Die Angelegenheit wurde niedergeschlagen.

Zielperson Dahlan

Abbas widmete sich häufig dem Kampf gegen die Korruption seiner Rivalen – insbesondere Dahlan, der immer wieder Abbas‘ Rücktritt fordert, stand im Fokus. 2007 wurde Dahlan in Abwesenheit wegen des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Gelder von einem PA-Gericht zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren verurteilt.

2010 allerdings wurde Dahlan und seiner Frau in Montenegro die Staatsbürgerschaft gewährt. Zwei Jahre später trat Dahlan als Vermittler zwischen Serbien und dem Vizepräsident der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Mohammed Bin Zayed Al Nahyan, Kronprinz von Abu Dhabi, auf. Kurz darauf gewährte auch Serbien Dahlan die Staatsbürgerschaft, was ihm die sichere Durchreise durch ganz Europa ermöglichte.

Abbas sucht gütigen Nachfolger

Die Schicksale von Abbas und Dahlan waren auch im Kampf um die Führungsnachfolge der Palästinenser von Bedeutung. Im Alter von 84 Jahren versucht Abbas, das Wirtschaftsimperium seiner Söhne zu schützen. Abbas hatte versucht, PA-Chefunterhändler Saeb Erekat zu seinem Nachfolger heranzuziehen, stiess damit jedoch beim PLO-Exekutivkomitee auf wenig Gegenliebe – ein schwerer Schlag für Abbas, pflegte er doch Loyalität im Exekutivkomitee in Form eines Monatsgehalts von 30.000 Dollar sowie Luxus-Autos und VIP-Privilegien grosszügig zu belohnen.

Abbas bot stattdessen an, diese Aufgabe an einen verlässlichen Vertrauten zu übergeben – Geheimdienstchef und Abbas-Stellvertreter Majid Freij. Zur gleichen Zeit ist der ehemalige PA-Sicherheitschef Jibril Rajoub sowohl Gegner von Erekat als auch von Freij.

Die Palästinenser sind unterdessen von dem Gefühl beherrscht, dass die PA korrupt ist. Von 1.200 befragten Palästinensern gaben 96 % – somit praktisch die Gesamtheit – an, unter dem Abbas-Regime herrsche ausufernde Korruption.

Die Korruption der PA äussert sich in Schwarzmarktaktivitäten, Geldwäscherei, Menschenhandel und Profiten von Auslandskonten – Aktivitäten, die als geheim angesehen werden, bis ein neuer Herrscher die Bildfläche betritt.

Westliche Regierungen bestätigen die Veruntreuung ihrer an die PA gezahlten Hilfsgelder.

2013 stellte die Europäische Union fest, die PA habe zwischen 2008 und 2012 2 Mrd. Euro veruntreut. Der Europäische Rechnungshof fand heraus, dass PA-Beamte monatliche Gehälter erhalten, ohne an ihrem Arbeitsplatz zu erscheinen, während Tausende anderer, die tatsächlich arbeiten, keine Bezüge erhalten. Brüssel räumt ein, es übe keinen Druck zur Umgestaltung des Öffentlichen Diensts auf die PA aus.

Das US-Aussenministerium verhält sich kaum besser, indem es die Veröffentlichung seines Berichts über die PA-Unterschlagungen weiterhin zurückhält.

Die USA haben die PA in den vergangenen 25 Jahren blindlings mit Hilfen in Höhe von mehr als 5 Mrd. Dollar unterstützt. Trotz Bedenken wegen der finanzpolitischen Zuständigkeiten und Prioritäten Abbas‘ hat Washington immer wieder Schulden der PA gegenüber Privatunternehmen beglichen.

Im Gegenteil sind es jetzt die US-Steuerzahler, die jetzt für Unternehmen zahlen, die von den Söhnen Abbas‘ kontrolliert werden. Abbas‘ Unternehmen Sky Advertising erhielt sogar einen Auftrag der US-Regierung, um das Image der Vereinigten Staaten in den Palästinensischen Autonomiegebieten zu verbessern.

Zwischen 2005 und 2009 erhielten Tarek und Jasser Abbas mindestens 2 Mio. Dollar in Form von Verträgen und Unterverträgen, fast alle von der United States Agency for International Development (USAID). Die Behörde will die Verträge mit Abbas‘ Söhnen nicht offenlegen und hält zentrale Informationen zurück, darunter auch die in den Verträgen involvierten leitenden Angestellten und Mitarbeiter.

Die Hilfsfonds westlicher Geber haben einen Zweck: Sie dienen als politische Ressource für Abbas und seine Unterstützer. Die Vorstellung, dass humanitäre Hilfe an die PA tatsächlich auch bei den palästinensischen Arabern ankommt, entbehrt in der Realität jeglicher Grundlage.

Der erste Schritt zur Verbesserung dieser Situation wäre, der PA Bedingungen für die Hilfsgelder aufzuerlegen, die Rechenschaftspflicht und Transparenz beinhalten sowie einen Schutzanspruch für palästinensische Whistleblower.

Aktuell jedoch setzt sich niemand auf der ganzen Welt für eine derartige Veränderung der Politik ein.

David Bedein ist ein Investigativjournalist und Leiter der Israel Resource News Agency am Center for Near East Policy Research. Übersetzung Audiatur-Online