Der Trump Friedensplan – Ein pragmatisches Update der Zweistaatenlösung

“A realistic solution would give the Palestinians all the power to govern themselves but not the powers to threaten Israel.”

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Foto Majdi Fathi/TPS
Foto Majdi Fathi/TPS
Lesezeit: 10 Minuten

Über die Inhalte des angekündigten Trump-Friedensplan wurde in den vergangenen zwei Jahren oft spekuliert und seine Existenz gar in Frage gestellt. Am 28. Januar wurde der Plan “Peace to Prosperity – A Vision to improve the Lives of the Palestinian and Israeli People” erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Er basiert aus zwei gleich grossen, je knapp 40-seitigen Dokumenten, die die Bedingungen zu einer Verständigung zwischen den Konfliktpartnern skizzieren sowie die politischen und wirtschaftlichen Schritte darlegen, um einen prosperierenden und demokratischen palästinensischen Staat zu schaffen, der friedlich an der Seite Israels lebt.

Es ist ein umfassender und durchdachter Plan, dem viele der Analysen leider nicht gerecht werden, die schon kurze Zeit nach Veröffentlichung des Planes erschienen und sich bloss die Talking Points seiner Gegner zu eigen machten, ohne eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Plan erkennen zu lassen oder konkrete Informationen über seinen Inhalt zu liefern. Vielmehr liest sich der Plan als die Summe der Erfahrungen aus fast drei Jahrzehnten Friedensverhandlungen zwischen verschiedenen israelischen Regierungen und der PLO sowie pragmatischer, lösungsorientierter Überlegungen. Seine Verfasser wollen nicht nur dem Recht der Palästinenser auf nationale Selbstbestimmung Rechnung tragen, sondern auch dem Recht der Israelis auf Sicherheit und Leben.

Keine Abkehr von der Zweistaatenlösung

“This Vision aims to achieve mutual recognition of the State of Israel as the nation state of the Jewish people, and the State of Palestine as the nation-state of the Palestinian people.”

Zunächst einmal ist der Plan keine Abkehr von der Zweistaatenlösung, sondern ein nötiges Update. Der vorgeschlagene palästinensische Staat basiert im wesentlichen auf den Waffenstillstandsgrenzen von 1949 (vor-1967) mit Gebietsaustauschen. So sehen es auch die UN-Resolution 242 und jeder Friedensplan seit den Oslo-Friedensgesprächen in den 1990er Jahren vor. Richtigerweise basiert der Plan auf den gegebenen Tatsachen und sucht eine pragmatische Lösung, statt das Rad der Geschichte zurückzudrehen und eine Reihe von unrealistischen Vorbedingungen aufzustellen. Der Plan ist nicht so grosszügig wie die israelischen Offerten von 2000 und 2008, die einem palästinensischen Staat Souveränität über praktisch das ganze Westjordanland gegeben hätten – und beide von den palästinensischen Verhandlungsführern abgelehnt wurden. Im Vorwort nennen die Autoren stattdessen den Friedensvorschlag des ehemaligen Premiers der linken Arbeitspartei Yitzchak Rabin von 1995 als Vorbild für den Plan, den er in den Grundzügen fast 1 zu 1 kopiert.

Keine ethnischen Säuberungen

 “Withdrawing from territory captured in a defensive war is a historical rarity. It must be recognized that the State of Israel has already withdrawn from at least 88% of the territory it captured in 1967. This Vision provides for the transfer of sizeable territory by the State of Israel — territory to which Israel has asserted valid legal and historical claims, and which are part of the ancestral homeland of the Jewish people — which must be considered a significant concession.”

Der Plan anerkennt richtigerweise, dass die Räumung der jüdischen Siedlungen und Städte im Westjordanland, deren Mehrheit in strategisch und religiös bedeutsamen Gebieten konzentriert ist, keine Bedingung für den Frieden sein kann. Zum einen würde dies in Israel zu massiven Verwerfungen führen und ist deshalb weder praktisch noch realistisch. Zum anderen stellt der Plan klar und deutlich fest, dass die ethnische Säuberung des Westjordanlands von seinen jüdischen Bewohnern, die dort schon seit mehreren Generationen leben, eine moralisch stossende Forderung ist, «die der Idee der Koexistenz entgegenläuft.» Schliesslich stellt der Plan richtig fest, dass die wesentliche UN-Resolution 242 keine vollständige Räumung der von den Israelis im Sechs-Tage-Krieg eroberten Territorien verlangt. Der palästinensische Staat soll trotz der Annexion der jüdischen Siedlungsblöcke nicht weniger als 97 Prozent der palästinensischen Bevölkerung umfassen und mit zusätzlichem Land in der Negev-Wüste kompensiert werden. Auch die Angliederung des mehrheitlich arabisch besiedelten sogenannten «Dreiecks» in Zentralisrael an den neuen Staat ist eine Option, sofern sie von der Mehrheit befürwortet wird. Die Hauptstadt dieses neuen palästinensischen Staates soll sich aus den arabischen Quartieren Jerusalems zusammensetzen, die sich östlich und nördlich der israelischen Sperranlage befinden.

Das Vesprechen wirtschaftlicher Prosperität

Auch wirtschaftlich scheint der Plan attraktiv. So schlägt er vor, die einzelnen Territorien des zukünftigen Palästinenserstaates und Gaza mittels Strassen und Tunnels zu verbinden. Dies ist technisch keine unmachbare Lösung, wie nicht zuletzt die Schweiz zeigt, wo trotz allen Herausforderungen der Geographie auch abgelegene Ortschaften an das Strassen- und Schienennetz angeschlossen sind. Ähnliches gelingt auch anderen Ländern, z.B. den Faröerinseln, die über ein viel geringeres wirtschaftliches Potenzial als Israel und der zukünftige Palästinenserstaat verfügen. Zwischen dem Gazastreifen, dem Westjordanland und der jordanischen Grenze soll eine direkte Strassenverbindung entstehen. Die beiden Territorien würden dadurch zum ersten Mal seit der Teilung 1947 geographisch verbunden sein. Zudem würde eine wirtschaftlich und strategisch hoch attraktive Transportachse zwischen Jordanien und Ägypten entstehen – interessanterweise eine alte, aber vergessene Forderung des ägyptischen Machthabers General Nasser – die zukünftig eine ähnliche Bedeutung im Handel zwischen Asien, Afrika und Europa einnehmen könnte wie heute der Suez Kanal. Weiter sieht der Plan zusätzliche Investitionen in Bildung und Gesundheitswesen sowie rechtsstaatliche Reformen vor, um die Korruption zu bekämpfen und ein günstiges Klima für Investoren zu schaffen. Gerade letzteres dürfte aber unter den Palästinensischen Machthabern nicht nur für positives Echo sorgen, da sich ihr Reichtum im Wesentlichen aus Korruption schöpft. Ein moderner, rechtsstaatlicher palästinensischer Staat, wie er den Israelis und den Amerikanern vorschwebt, würde daher ihre Machtbasis gefährden.

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Die einzelnen Territorien des zukünftigen Palästinenserstaates und Gaza. Foto US Federal Government – White House publication / PD

Die Flüchtlingsfrage

“The Arab-Israeli conflict created both a Palestinian and Jewish refugee problem.”

Der Plan bespricht auch das Schicksal der Nachkommen der rund 700’000 arabischen Flüchtlinge, die während des Krieges 1947-49 mehrheitlich in die umliegenden Länder geflohen sind und heute von der UNRWA betreut werden. Sie sollen eine mit Bedingungen verknüpfte Gelegenheit erhalten, sich im neuen Staat anzusiedeln. Darüber entscheidet ein gemeinsames Israelisch-Palästinensisches Komitee, das auch wirtschaftliche und sicherheitstechnische Fragen bei der Ansiedlung berücksichtigt. Andernfalls steht ihnen die Möglichkeit zu, sich in ihr derzeitiges Aufnahmeland zu integrieren, wo sie heute noch vielfach Diskriminierungen ausgesetzt sind, oder in eines der 56 Länder der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) auszusiedeln. Es ist ein grosses Verdienst, dass der Plan erstmals auch das Schicksal der mehr als 800’000 jüdischen Flüchtlinge anspricht, die nach der israelischen Staatsgründung aus den arabischen und muslimischen Staaten vertrieben wurden. Für sie soll in separaten Verhandlungen eine gerechte Lösung gefunden werden.

Sicherheit und Stabilität mittels begrenzter Souveränität

“It is essential that a Palestinian state created under a peace deal be a state that has the tools to succeed and that it is peaceful and secure, rather than a platform for instability and conflict.”

Der Plan sieht vorläufig eine beschränkte Souveränität des palästinensischen Staates vor, die später in eine volle Souveränität übergehen kann. Diese beschränkte Souveränitat beinhaltet neben der Demilitarisierung des Staates und der Kontrolle der Grenzen durch Israel auch die Möglichkeit israelischer Sicherheitskräfte, in Koordination mit palästinensischen Sicherheitskräften auf dem Territorium des zukünftigen palästinensischen Staates aktiv zu sein. Deren Aktivität soll sich jedoch kontinuierlich reduzieren, sofern der palästinensische Staat den Terrorismus ernsthaft bekämpft. Die begrenzte Souveränität ist wahrscheinlich der kritischste Aspekt des Planes, doch derzeit die einzige vorstellbare Möglichkeit, um einerseits Vertrauen zwischen der israelischen und der palästinensischen Seite zu schaffen und anderseits ein Staatsversagen des zu entstehenden Palästinenserstaates zu verhindern. Die Erfahrung des israelischen Abzugs aus dem Gazastreifen 2005 zeigt, dass das Risiko besteht, dass das für einen palästinensischen Staat vorgesehene Territorium als Basis für weitere Angriffe auf Israel missbraucht werden könnte – etwas, dass die Israelis nicht im Westjordanland wiederholen möchten. Zudem hätten die internationale jihadistische Bewegung und der Iran direkten Zugang zum israelischen Territorium, sollte sich im Palästinenserstaat eine Regierung etablieren, die entweder ihr Staatsgebiet nicht kontrollieren kann oder Israel feindlich gesinnt ist – beides nicht unwahrscheinliche Szenarien, die nur eine begrenzte Souveränität vorbeugen kann. Wie schon Yitzchak Rabin sieht der Plan auch israelische Souveränität über das Jordantal als Westgrenze Israels vor. Unter anderem um zu verhindern, dass Terrorgruppen in das Westjordanland einsickern und es in einen failed state verwandeln. Das grosse Fragezeichen bleibt jedoch Gaza. Die vom Iran finanzierten Terrororganisationen Hamas und Islamischer Jihad können sich erst der endgültigen Friedensverhandlungen anschliessen, wenn sie Israel anerkennen und sich zur Gewaltlosigkeit bekennen. Dies dürfte kaum geschehen und der Plan liefert keine Ansätze, wie damit umzugehen ist.

Wie weiter?

Bislang hat die Palästinenserführung jedes Friedensangebot abgelehnt. Der israelische Premier Ehud Barak der linken Arbeiterpartei offerierte ihr 2000 und 2008 fast das gesamte Westjordanland und den Gazastreifen, den Osten Jerusalems sowie eine Wiederansiedlung einer Zahl der Nachkommen palästinensischer Flüchtlinge. Statt das Angebot anzunehmen oder zumindest weiter zu verhandeln, startete Arafat eine fünfjährige Terrorkampagne, die Al-Aqsa oder Zweite Intifada. 2008 wurde auch ein noch grosszügigeres Angebot der Regierung Ehud Olmerts von Mahmoud Abbas abgelehnt. Sechs Jahre später wurden amerikanische Vermittlungsgespräche, in denen Benjamin Netanyahu seine Zustimmung zur Etablierung eines palästinensischen Staates erklärt hatte, erneut von den palästinensischen Verhandlungsführern abgebrochen und 2017 auch jeder Kontakt zu den Amerikanern beendet. Angesichts dieser Umstände wirkt die Kritik, die Palästinenserführung sei nicht genügend in den Entwurf des Friedensplanes eingebunden worden, unehrlich.

Viele Beobachter haben aus dieser Geschichte geschlossen, dass die Palästinenserführung nicht mit einem noch grosszügigeren Deal, sondern nur mittels Druck von ihrer Gesprächsverweigerung und ihren maximalistischen Forderungen abzubringen ist. Trumps Friedensplan Plan kommt deshalb mit einem Ultimatum. Setzen die Palästinenserführung ihre Verhinderungspolitik fort, wird Israel den Plan einseitig implementieren. Er bricht damit mit der Tradition, die Palästinenserführung für ihre Gesprächsverweigerung zu belohnen und die Israelis zu bestrafen, die sich als nicht friedensfördernd erwiesen hat. Zum ersten Mal überhaupt dürfte die Palästinenserführung aufgrund des Planes das Gefühl erhalten, dass die Zeit nicht für sie spielt.

Dazu kommt, dass die Palästinenser aktuell isolierter denn je sind. Ihre Unterstützungsfront ist international zusammengeschrumpft, seitdem die Furcht vor der iranischen Expansionspolitik sowie der Machtkampf zwischen den Golfstaaten und Ägypten auf der einen Seite und den Förderern des Islamismus, zu denen die Türkei, Katar und die Moslembruderschaft gehören, auf der anderen Seite den palästinensisch-israelischen Konflikt in den Hintergrund gedrängt haben. Das israelische Technologiewunder und der Export von Erdgas haben Israel in den letzten Jahren zu einem begehrten Partner gemacht und das Verständnis für die Verweigerungshaltung der Palästinenserführung nimmt auch in der Region ab. Es ist dann auch kein Zufall, dass Ägypten, Jordanien und die Golfstaaten im Plan mehrmals als wichtige Partner für den Frieden genannt werden, während Russland und die EU, die Teil früherer Friedensinitiativen waren, offenbar keine Rolle mehr spielen. Ein Hinweis darauf, dass die Amerikaner und die Israelis die Politik der EU im Konflikt, deren Druckversuche sich oft einzig gegen Israel richten, als gänzlich kontraproduktiv beurteilen

Trotzdem ist dieser Plan kein einseitiger Vorschlag, wie seine Gegner kritisieren, sondern immer noch ein sehr gutes Angebot an die arabisch-palästinensischen Nationalisten, die nach hundert Jahren Kampf gegen die jüdische Nationalbewegung voller verlorener Kriege, anti-jüdischer Pogrome, Terror- und Boykottkampagnen sowie Gesprächsverweigerungen eigentlich nicht auf viel Goodwill aus Israel zählen dürfen. Ja, der Deal ist geradezu präzedenzlos und jede andere Nationalbewegung der Geschichte und auch der Gegenwart, seien sie Kurden, Katalanen oder Uighuren könnten von solchen Friedensangeboten und der internationalen Unterstützung, die die Palästinenser seit Jahrzehnten geniessen, nur träumen. Zudem der Deal nur ein Gesprächsangebot ist und im Laufe der Verhandlungen noch verbessert werden kann. Wenn sie es also wollen würden, könnten die Palästinensischen Autonomiebehörde schnell zu Verhandlungen übergehen und die Grundlage für einen unabhängigen, wirtschaftlich lebensfähigen palästinensischen Nationalstaat schaffen.

Die Palästinenserführung hat dennoch auf den Plan mit Empörung und Gewaltandrohung reagiert. Das verdeutlicht erneut, dass die derzeitige Palästinenserführung sich nicht für das wirtschaftliche und bürgerlich-freiheitliche Wohl der Palästinenser einsetzt, sondern lieber einen aggressiven Nationalismus predigt, der sie jeder Verantwortung entbindet. Es handelt sich dabei nicht um einen liberal-bürgerlichen Nationalismus, der mit der Herstellung eines Nationalstaates zufriedengestellt ist, sondern um einen revisionistischen, irredentistischen Nationalismus der jenem Deutschlands und Italiens nach 1918 gleicht und nur mit der Rückeroberung «verlorener» Gebiete und der Zerstörung Israels befriedigt ist. Solange die Palästinenserführung nicht davon überzeugt ist, dass dieses Ziel unerreichbar, ja vielleicht auch nicht erstrebenswert ist, wird sie nicht von ihrer Hardlinerhaltung abrücken.  Jene westeuropäische Staaten, die nicht bereit sind, die Palästinenserführung mittels Kritik, ja nötigenfalls Druck, zu einem moderaten Kurs des Ausgleichs zu bewegen und stattdessen ihre Unnachgiebigkeit belohnen, setzen sich dem Verdacht aus, keine Friedensförderung, sondern Konfliktbewirtschaftung zu betreiben – zum Nachteil der überwiegenden Mehrheit der Israelis und auch vieler Palästinenser, die Frieden wünschen und diesem anachronistischen Konflikt endlich das überfällige Ende bereiten wollen.

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Über Daniel Rickenbacher

Daniel Rickenbacher ist promovierter Historiker und arbeitet in der Analyse und Politikberatung. Er studierte Geschichte, Politik und Religion und forschte an der Universität Basel, der Ben Gurion Universität, der Concordia Universität in Montreal und an der Militärakademie an der ETH.

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1 Kommentar

  1. Das Problem des ewigen Neinsagens der Araber und Palästinenser hat nichts mit Nationalismus zu tun sondern ist allein auf den Islam zurückzuführen. Nach dessen Lehre darf ehemals islamisch beherrschtes Gebiet – Dar al-Islam – niemals von einer anderen Glaubensrichtung dominiert werden, es muss um jeden Preis davon „befreit“ werden! (Moshe Sharon in Jihad against Israel and the West). Deshalb 100 Jahre Kampf gegen die jüdische Heimstätte, ab 1948 Staat Israel. Es ist ein geistlich religiöser Konflikt, gegen den kein Kraut gewachsen ist. Dazu kommt für Israel leider der weltweite – auch in der Schweiz – herrschende Antiisraelismus, eine Form des Antisemitismus.

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