Teheran hat angekündigt, sich nach der Tötung an Quds-Kommandeur Qassem Soleimani durch die USA, vom Atomabkommen 2015 zurückzuziehen. Die Islamische Republik erklärte jedoch auch, dass sie weiterhin mit der IAEA (Internationale Atomenergie-Organisation) zusammenarbeiten werde und seine Bereitschaft bekundet, zu dem Abkommen zurückzukehren, wenn die Wirtschaftssanktionen aufgehoben werden. Dies deutet darauf hin, dass der Iran, trotz der wiederholten Verstösse gegen das Atomabkommen im vergangenen Jahr, immer noch zögert, den Konflikt zu eskalieren.
von Dr. Raphael Ofek
Im Juli 2019 begann der Iran damit auf verschiedene Art und Weise, gegen das Atomabkommen zu verstossen, um die EU unter Druck zu setzen, die Auswirkungen der von den USA verhängten Sanktionen zu neutralisieren. Zu den Verstössen gehörten:
- Die Anreicherung von Uran über die maximal zulässige Menge von 300 kg UF6 (Uranhexafluorid-Verbindung), angereichert mit 3,67%.
- Die Steigerung der Urananreicherung auf 4,5% über dem zulässigen Wert von 3,67%.
- Die Produktion und Lagerung von schwerem Wasservorrat über die 130-Tonnen-Grenze hinaus.
- Der Betrieb von fortgeschrittenen Zentrifugen mit höheren Anreicherungskapazitäten.
- Anfang November 2019 wurde die Urananreicherung in der unterirdischen Anreicherungsanlage von Fordow erneuert.
Es war keine Überraschung, dass die US-Demokraten die Entscheidung von Präsident Trump, vom iranischen Atomabkommen 2015 (JCPOA) zurückzutreten, entschieden ablehnten. Sie kritisieren ihn nun, weil er Qassem Soleimani, den Kommandeur der iranischen Quds Force und Erzterrorist, eliminiert hat und geben dem US-Präsidenten die Schuld dafür, dass er Teheran zum Rückzug aus dem Atomabkommen getrieben hat.
In einem Artikel der New York Times von William Broad und David Sanger, der am 6. Januar veröffentlicht wurde, wurde diese Verknüpfung im Untertitel explizit erwähnt: „Präsident Trump war der Ansicht, dass das Atomabkommen fehlerhaft sei, weil die Beschränkungen für den Iran nach 15 Jahren enden würden. Als Reaktion auf einen Angriff von Seiten der USA hat der Iran nun die Grenzen nach weniger als fünf Jahren überschritten.“ In dem Artikel heisst es weiter: „Es schafft weitgehend die Voraussetzungen, die Israel und die Vereinigten Staaten vor einem Jahrzehnt dazu veranlassten, die Zerstörung der iranischen Einrichtungen in Erwägung zu ziehen. Heute bringt es sie wieder näher an das Potenzial eines offenen Konflikts mit Teheran, der bislang durch das Abkommen vermieden wurde.“
Diese Behauptung ist unbegründet. Hätten sich die USA nicht aus dem Nuklearabkommen zurückgezogen und Sanktionen gegen den Iran verhängt, dann wäre der Iran – der wahrscheinlich immer noch ein islamistisches Regime wäre – in 10 Jahren mit voller Wucht ausgebrochen, um Atomwaffen zu produzieren. Angesichts der existenziellen Gefahr, die die iranischen Atomwaffen für Israel, den Nahen Osten und wahrscheinlich auch für die USA darstellen würden, wäre die Wahrscheinlichkeit eines Kriegsausbruchs gegen den Iran hoch, wenn nicht sogar unvermeidlich gewesen.
Doch wie weit ist das Teheraner Regime bereit, im nuklearen Bereich voranzugehen? Derzeit scheint der Iran trotz seiner Verstösse gegen das Nuklearabkommen im vergangenen Jahr und der Erschütterung der letzten Tage mit Vorsicht an diese Angelegenheit heranzugehen. Zuallererst befürchtet man, dass die eindeutigen Bemühungen in dieser Phase, in Richtung Atomwaffen voranzuschreiten, zu einem Angriff der USA und Israels führen könnten. Dies würde wahrscheinlich zur Zerstörung von Teilen der nuklearen Infrastruktur führen, einschliesslich der Urananreicherungsanlagen in Natanz und Fordow. Trump antwortete auf den Rückzug des Iran aus dem Atomabkommen mit einem Twitter Post: „Der Iran wird niemals Atomwaffen besitzen.“ Wie Teheran gerade lernen musste, ist Trump zu dramatischen Handlungen fähig und dazu bereit, Gewalt anzuwenden.
IRAN WILL NEVER HAVE A NUCLEAR WEAPON!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) January 6, 2020
Zweitens will der Iran den Bruch seiner Beziehungen zur EU nicht riskieren, die ihm weiterhin große Sympathie entgegenbringt.
Schussendlich ist es zweifelhaft, ob die Wirtschaft des Iran, die von den Sanktionen hart getroffen wurde, es dem Land erlaubt weiterhin in das Atomwaffenprojekt zu investieren.
Teherans Vorsicht spiegelt sich in den militärischen Aktionen gegen die USA, Israel und die Verbündeten dieser Länder in der arabischen Welt wider. Anstatt diese Länder direkt zu konfrontieren, führt das Regime seine Operationen via Stellvertretermilizen durch (Hisbollah im Libanon, pro-iranische irakische Milizen und die Houthi-Rebellen im Jemen). Daher wurde die direkte Reaktion auf die Ermordung von Soleimani sorgfältig ausgearbeitet und begrenzt, um eine weitere Eskalation zu vermeiden.
Oberstleutnant (Res.) Dr. Raphael Ofek, ist ein wissenschaftlicher Mitarbeiter am Begin-Sadat Center for Strategic Studies BESA und ein Experte auf dem Gebiet der Kernphysik und -technologie. Übersetzung Audiatur-Online.