Appell von Frauen an die deutsche Bundesregierung: «Ändert die Iranpolitik!»

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Anlässlich einer Demonstration in Teheran am 17. Juni 2009. Foto Hamed Saber - ursprünglich gepostet bei Flickr als 5. Tag - 3V, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7088598
Anlässlich einer Demonstration in Teheran am 17. Juni 2009. Foto Hamed Saber - ursprünglich gepostet bei Flickr als 5. Tag - 3V, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7088598
Lesezeit: 5 Minuten

Verschiedene Initiativen und Einzelfrauen appellieren an die deutsche Bundesregierung, dem iranischen Regime mit konsequenten Sanktionen zu begegnen und es zu isolieren, solange Geschlechterapartheid im Iran herrscht. Geschlechterapartheid, Antisemitismus und Homophobie müssen gemäss dem öffentlichen Aufruf, international geächtet und diejenigen Kräfte gestärkt werden, die sich für Demokratie, Gleichberechtigung und Freiheit einsetzen.

Im Appell an die Bundesregierung heisst es unter anderem: «Bereits seit zwei Jahren wird im Iran gegen das iranische Regime demonstriert, das ihnen grundlegende Menschenrechte vorenthält. Obwohl das Regime das Internet abschalten liess, dringen Berichte aus dem Iran, nach denen das Regime in den letzten Tagen mehr als 200 Menschen ermordet hat, die für ihre Rechte auf die Strasse gegangen sind. Die Benzinpreissteigerung war zwar der jüngste Auslöser für weitere Proteste, aber nicht das Ziel der meisten Protestierenden, die Demokratie, Gleichberechtigung und Freiheit fordern.»

Vor allem Frauen würden durch die Gesetze des Regimes zu Menschen zweiter Klasse degradiert, schreiben die Frauen. Und weiter: «Das Kopftuch ist Pflicht, Frauen sind von öffentlichen Veranstaltungen wie Fussballspielen ausgeschlossen, Vergewaltigungsopfer werden bestraft, kurz, im Iran herrscht eine totale Geschlechterapartheid.»

Dazu erklärte Mina Ahadi vom Zentralrat der Ex-Muslime Deutschland und selber  iranischer Herkunft gegenüber Audiatur-Online:

Wir haben diesen Brief geschrieben, da wir von der deutschen und anderen Regierungen eine andere Politik verlangen. Ich komme selbst aus dem Iran und habe erlebt, dass seit 40 Jahren ein islamisches, barbarisches Regime herrscht, wir sehen jeden Tag, dass dort eine Geschlechterapartheid gegenüber Frauen existiert, und auch, wie das islamische Regime immer wieder Menschen unterdrückt. Es gibt keine freie Meinungsäusserung, dieses Regime hat tausende um tausende Menschen umgebracht, Frauen gesteinigt, Homosexuelle hingerichtet, eine sehr menschenrechtsverachtende Politik. Die deutschen Regierungen und andere europäische Regierungen haben das immer wieder verharmlost, immer wieder mit diesem Regime zusammengearbeitet. In den letzten zehn Jahren waren bereits dreimal im Iran Millionen Menschen auf der Strasse und haben Nein zur Diktatur gesagt. Wir (die Iraner) möchten etwas anderes leben, wir möchten eine säkulare und moderne Gesellschaft. Die deutsche und andere europäische Regierungen haben tatenlos zugeschaut und nach wie vor mit dem iranischen Regime zusammengearbeitet. Wir Frauen, sehr bekannte Frauen aus Deutschland, haben diesen Appell unterschrieben, und ich denke, das ist ein sehr wichtiger Schritt. Ich war in den letzten zehn Tagen in Stockholm, in Berlin und jetzt bin ich in Wien, habe mehrere Politiker und Politikerinnen getroffen, auch aus den Aussenministerien von Schweden, Deutschland und Österreich. Wir möchten weitermachen. Das ist auch ein Appell an alle Frauen und Männer, bitte helft uns, bitte macht mit, dass wir die Regierungen unter Druck setzen und eine andere Politik verlangen.

Die bisherige Politik Deutschlands hinsichtlich des iranischen Regimes ist laut dem Aufruf der Frauen gescheitert. Diese Politik habe das Regime gestärkt und die freiheitlichen Kräfte im Iran allein gelassen. Daher fordern die Frauen im Appell eine Änderung der Iranpolitik. Die Bundesregierung müsse, um glaubwürdig zu bleiben, zu einer Aussenpolitik zurückkehren, die den Menschenrechten verpflichtet sei und daher folgendes konsequent vertreten:

  • Die Freilassung aller Frauen, die verurteilt wurden, weil sie Gleichberechtigung forderten, die Freilassung aller politischen Gefangenen im Iran.
  • Die Aufhebung des Kopftuchzwangs.
  • Die Freilassung aller Europäer mit doppelter Staatsangehörigkeit, die von dem Regime als Geiseln gehalten werden.
  • Den Stop der Hinrichtung von Homosexuellen, den Stop aller Hinrichtungen im Iran.
  • Keine offiziellen Treffen mit Vertretern des Regimes, da diese von dem Regime zu Propagandazwecken und zur Legitimierung seiner Politik missbraucht werden.

Des Weiteren müsse die Bundesregierung den Zusammenhang zwischen der Aussenpolitik gegenüber dem iranischen Regime und der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschlands erkennen und dementsprechend handeln. Dazu gehöre die Einstellung der staatlichen Förderung aller Regime-nahen Organisationen, die iranische Propaganda in Deutschland verbreiten, insbesondere die Briefe Khameneis an die Jugend im Westen.

In Deutschland lebende iranische Oppositionelle müssten vor den ernst zu nehmenden Drohungen iranischer Agenten geschützt werden. Die Hisbollah sei als Ganzes zu verbieten. Und sämtliche Organisationen in Deutschland, die zur Vernichtung Israels aufrufen, sollen verboten werden.

Rebecca Schönenbach, Vorsitzende von Frauen für Freiheit e. V. fordert mehr Solidarität mit den iranischen Menschen:

«Die Iranerinnen demonstrieren für grundlegende Rechte, für die Freiheit von Frauen und Männern und riskieren dabei alles. Sie verdienen unsere volle Solidarität. Auch in Europa wurde Gleichberechtigung jahrzehntelang von Frauen hart erkämpft, jetzt bilden Werte wie Gleichberechtigung das Fundament der Europäischen Union. Es ist essentiell, dass die Bundesregierung diese Werte auch gegenüber dem iranischen Regime vertritt und klarstellt, dass Menschenrechte für Frauen nicht verhandelbar sind. Das Regime hat bisher alle Abmachungen verletzt, der Dialog ist gescheitert. Wollen wir unsere Verbündeten in der islamischen Welt im Kampf für Demokratie und Gleichberechtigung nicht verlieren, müssen wir zeigen, dass wir zu unseren Werten stehen und bereit sind, Massnahmen für ihren Erhalt zu ergreifen und konsequent durchzusetzen. Dazu gehört auch, gegenüber dem iranischen Regime klarzustellen, dass Israels Existenzrecht nicht verhandelbar ist. Ein klares Signal in dieser Richtung wäre ein Verbot der gesamten Hisbollah, das auch für die innere Sicherheit Deutschlands notwendig ist. Ein Regime, das auf Homophobie, Antisemitismus und der Unterdrückung von Frauen aufgebaut ist, hat keine Zukunft. Wer in der Aussenpolitik nicht wertebasiert agiert, kann in einer globalen Welt Gleichberechtigung und Demokratie auch nach innen gegenüber Extremisten jeder Richtung nicht verteidigen. Wir dürfen niemals vergessen, dass Menschenrechte universal sind, und die Iranerinnen genau dafür ihr Leben riskieren.»

Der offene Appell wurde unter anderem unterschrieben von:

Mina Ahadi, Zentralrat der Ex-Muslime Deutschland

Rebecca Schönenbach, Vorsitzende von Frauen für Freiheit e. V.

TERRE DES FEMMES – Menschenrechte für die Frau e. V.

Dr. Elvira Grözinger, Scholars for Peace in the Middle East ( SPME-Germany)

Nani Drory, Wizo e.V. München, Mitglied Wizo Deutschland PräsidiumNaïla Chikhi, unabhängige Referentin Frauenpolitik & Integration

Prof. Dr. Susanne Schröter, Goethe-Universität Frankfurt, Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam

Lydia Bergida, Vorstandsmitglied WerteInitiative jüdisch – deutsche Positionen e.V.

Prof. Dr. Barbara Holland-Cunz, Professorin (i.R.) für Politikwissenschaft, Justus-Liebig-Universität Giessen

Ulrike Becker, Historikerin, Mideast Freedom Forum Berlin

Nazanin Borumand, Zentralrat der Ex-Muslime

Rana Ahmad, Säkulare Flüchtlingshilfe

Dr. Agnes Imhof, Islamwissenschaftlerin und Autorin

Birgit Kelle, Publizistin, Vorsitzende Frau 2000plus e.V.

Brigitta Biehl, Rechtsanwältin

Shahnaz Morattab, Vorsitzende von Integrationskomitee- iranische Flüchtlinge Deutschland e.V. und Säkulare Migrantinnen in Deutschland.

Melanie Götz, Soziologin M.A. und Journalistin

Birgül Akpinar, Landesvorstandsmitglied und Vorsitzende des Netzwerkes Integration der CDU Baden-Württemberg

Maya Zehden, Honestly Concerned e.V., Direktorin

Und kann hier im Ganzen nachgelesen werden .

1 Kommentar

  1. Bin mit jedem Wort einverstanden. Ich befürchte nur, daß trotz aller Wahrheit die der Text beinhaltet,
    die deutsche Regierung ihre Einstellung dem Iran gegenüber nicht ändern wird. Geschäfte sind wichtiger als alles andere, die Angst vor der islamischen Straße ist viel zu groß die Notwenigkeit des
    Öls gleichfalls. Und wegen ein bißchen Antisemitismus müssen “wir” uns nicht an die Nachbarschaft wenden.
    lg
    caruso

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