Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs müssen Produkte aus israelischen Ortschaften im Westjordanland und von den Golanhöhen künftig besonders gekennzeichnet werden. Dieser Beschluss ist ein klarer Fall von doppelten Standards, denn Erzeugnisse aus anderen umstrittenen Gebieten brauchen nicht entsprechend etikettiert zu werden. Einmal mehr werden an den jüdischen Staat andere Massstäbe angelegt als an andere Länder.
Am Tag, als Israel einmal mehr von mehreren hundert Raketen aus dem Gazastreifen heimgesucht wurde, mit Alarmsirenen, Explosionen und Einschlägen zwischen fahrenden Autos; als die Menschen dort Schutzräume aufsuchten, sofern sie es konnten, und sich kaum nach draussen wagten; als also die Israelis aufs Neue von islamistischen Antisemiten terrorisiert wurden, die den Tod der Juden und ihren Staates im Schilde führen, da hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine wichtige Mitteilung zu machen: Lebensmittel und andere Erzeugnisse, die in israelischen Ortschaften im Westjordanland oder auf dem Golan produziert worden sind, dürfen bei der Einfuhr nach Europa nicht mehr die Angabe „Made in Israel“ tragen. Vielmehr muss sowohl die Herkunft der betreffenden Waren aus den umstrittenen Gebieten angegeben werden als auch, dass sie aus dortigen israelischen Siedlungen stammen.
Statt Solidarität mit dem bedrängten jüdischen Staat zu zeigen, entschied sich die Europäische Union also für das Gegenteil. Man muss nicht drumherum reden: Dies ist ein klarer politischer Akt.
Die Argumentation des EuGH mit der „Irreführung der Verbraucher“, die es nicht geben dürfe, ist lediglich vorgeschoben, was sich schon daran erkennen lässt, dass diese Etikettierungsrichtlinie beispielsweise nicht für Produkte aus dem türkisch besetzten Teil Zyperns, aus der von Marokko okkupierten Westsahara oder aus einem anderen besetzten oder umstrittenen Gebiet gilt – sondern eben nur für Israel. Dass Rotwein von den Golanhöhen oder Avocados aus Ariel in den Einkaufswagen von Europäern landen könnten, ohne zumindest mit einem Warnhinweis versehen worden zu sein, ist für die Richter offenbar unerträglich.
Generalanwalt des EuGH vergleicht Israel mit Apartheidstaat
Der Generalanwalt des EuGH hatte in seinem Schlussantrag sogar argumentiert: „So wie viele europäische Verbraucher in der Zeit der Apartheid vor 1994 den Kauf südafrikanischer Waren abgelehnt [haben], könnten heutige Verbraucher aus ähnlichen Gründen gegen den Kauf von Waren aus einem bestimmten Land sein.“ Ein Vergleich des demokratischen Israel mit dem seinerzeitigen rassistischen Unrechtsstaat Südafrika also – der Generalanwalt klingt hier wie ein Aktivist der antisemitischen BDS-Bewegung.
Der Gerichtshof wiederum behauptet, die israelischen Ortschaften im Westjordanland seien unrechtmässig, weil sich in ihnen eine „Umsiedlungspolitik“ manifestiere.
Damit nehmen die Richter Bezug auf den Artikel 49 der vierten Genfer Konvention, in dem es heisst, die „Besatzungsmacht“ dürfe nicht „Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet deportieren oder umsiedeln“. Das hat die israelische Regierung freilich noch nie getan – die Bevölkerung der israelischen Städte und Dörfer lebt dort vielmehr aus eigenem Antrieb. Unter Völkerrechtlern ist es deshalb keineswegs unumstritten, dass diese Artikel auf die israelischen Siedlungen anzuwenden sind.
Der EuGH argumentiert ferner, die genaue Herkunftsangabe sei erforderlich, um es den Verbrauchern zu ermöglichen, „unter Berücksichtigung nicht nur von gesundheitsbezogenen, wirtschaftlichen, umweltbezogenen oder sozialen, sondern auch von ethischen Erwägungen oder solchen, die die Wahrung des Völkerrechts betreffen, eine fundierte Wahl zu treffen“.
Warum die entsprechende Kennzeichnungspflicht, die ursprünglich vor vier Jahren von der EU-Kommission beschlossen worden war und nun vom Europäischen Gerichtshof bekräftigt wurde, dann nur Israel betrifft und kein anderes Land, das in umstrittenen oder besetzten Gebieten wirtschaftlich tätig ist, führt der EuGH nicht aus.
Der Massstab gilt nur für Israel
In ihrer Arbeitsdefinition des Antisemitismus – die von der Europäischen Union übrigens übernommen wurde – nennt die renommierte International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) als Beispiel für Antisemitismus auch „die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet oder gefordert wird“.
Die Verordnung der Europäischen Kommission und deren Bestätigung durch den Europäischen Gerichtshof stellen einen solchen doppelten Standard dar. Dieser Massstab, der nur für Israel gilt, ist wie auch die Dämonisierung und Delegitimierung des jüdischen Staates ein Charakteristikum des modernen Antisemitismus, der sich nach Auschwitz weniger gegen „die Juden“ richtet als vielmehr gegen ihren Staat als Kollektivsubjekt.
In dessen Aussonderung – wie sie auch in der EU-Kennzeichnungsverordnung und dem EuGH-Beschluss vorgenommen wird, die sich speziell und ausschliesslich gegen ihn richten – manifestiert sich die Transformation des Antisemitismus, der sich selbst erhält, indem er Israel als Pariastaat des Pariavolkes behandelt. Die singuläre Kennzeichnung von Erzeugnissen, die aus Israel stammen, setzt dabei die Tradition der europäischen Judenpolitik mit den Mitteln des „Verbraucherschutzes“ fort, und der Terminus „Siedlungen“ ist dabei nichts als eine Chiffre.
Gerichtshof spielt BDS-Bewegung in die Karten
Aus dem politisch motivierten Urteil des EuGH folgt einmal mehr, dass für die Europäische Union ausschliesslich der jüdische Staat am Scheitern des Friedensprozesses schuld ist – mögen die Palästinenser auch ganz Israel als illegales Siedlungsprojekt betrachten und ihrem Ansinnen mit terroristischen Angriffen nachhelfen.
Dass das Urteil an einem Tag bekanntgegeben wurde, an dem wieder einmal Raketen auf Israel niedergingen, passt da ins Bild. Bezeichnend ist zudem, dass selbst Erzeugnisse aus Siedlungen, die nach jedem bisher veröffentlichten Friedensplan israelisch bleiben würden, unter die Richtlinie fallen, was den Feinden des jüdischen Staates, die eine „Befreiung ganz Palästinas“ fordern, voll in die Karten spielt.
„Während bei Israel genau hingeschaut wird, woher exakt ein Produkt stammt, erleben wir diese Überkorrektheit bei anderen umstrittenen Gebieten nicht“, kritisierte Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, das EuGH-Urteil.
Ähnlich sieht es der israelische Botschafter in Berlin, Jeremy Issacharoff: „Das Urteil des EuGH hebt Israel aus anderen umstrittenen territorialen Konflikten hervor und trägt nicht zu einer ausgehandelten politischen Lösung bei.“
Auch die European Jewish Association (EJA) in Brüssel ist entsetzt: „Diese Kennzeichnungspflicht ist eine fundamentale Diskriminierung des einzigen jüdischen Staates“, sagte ihr Leiter, Rabbiner Menachem Margolin. „Gibt es irgendein anderes Land auf der Welt mit umstrittenen Gebieten, dem gegenüber eine so offenkundig einseitige Politik praktiziert wird? Die Antwort ist nein.“
Die BDS-Bewegung und andere antisemitische Kräfte dagegen werden das schändliche Urteil feiern. Ihnen hat der Europäische Gerichtshof einen grossen Gefallen getan, denn sein Beschluss ist bindend.
Schon nach dem Kennzeichnungsbeschluss im November 2015 waren BDS-Aktivisten in mehreren deutschen Städten losgezogen, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen und israelische Produkte zu kennzeichnen. Auch diesmal wird ihnen eine Einrichtung der Europäischen Union Aufwind verschaffen. Die Beteuerungen der EU, den Antisemitismus entschlossen zu bekämpfen, sind angesichts dessen gänzlich wertlos.
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