25 Jahre diplomatische Beziehungen Vatikan – Israel: Päpste mussten aufräumen

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Papst Johannes Paul II besuchte Jahr 2000 Jerusalem. Foto GPO
Papst Johannes Paul II besuchte Jahr 2000 Jerusalem. Foto GPO
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In der 2000jährigen Geschichte zwischen Christen und Juden gab es wenig Anlass zu feiern. Vom „Heiligen St. Augustinus“ (354 – 430 CE) bis Papst Pius X im 20. Jahrhundert brandmarkten sie Juden als Feinde, oft als die „Gottesmörder“ Jesus´. Seit über 50 Jahren wendet sich das Blatt zum Besseren. Zu Beginn des jüdischen Jahres 5780 haben Juden durch den Staat Israel und Christen repräsentiert durch den Vatikan allen Grund das Glas zu erheben und sich gegenseitig l´chayim, zum Wohle aller Beteiligten zu wünschen. 25 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Vatikan und Israel sind eine nie dagewesene Erfolgsgeschichte. Und das ist erst der Anfang.

Der Weg war nicht ohne Hürden, als Mitte der 60er Jahre der Vatikan mit theologischen Aufräumarbeiten begann, die in dem Dokument des II. Vatikan- Konzils „Nostra Aetate“ mündeten. Es dauerte noch einmal zwanzig Jahre bis Papst Johannes Paul II 1986 die Schwelle der Grossen Synagoge von Rom überschritt und im vollbesetzten Gebetshaus die Worte sprach: ihr Juden, ihr seid unsere älteren Brüder, unsere bevorzugten Brüder und niemand darf behaupten, weder damals noch heute, Juden hätten den Heiland getötet. Dann mussten acht Jahre später erst Yassir Arafat und Itzchak Rabin auf Drängen von Bill Clinton in Washington die Hand geben, bevor der Vatikan und Israel 1994 Botschafter austauschten.

Zum 25jährigen Jubiläum reiste Kardinal Leonardo Sandri dieser Tage in die Erzdiözese Jerusalem, die Israel, Judäa, Samaria – die Politik nennt das Westbank oder Palästina – Gaza, Jordanien und Zypern umfasst. Er nennt Israel in der Hauptstadt Jerusalem einen Garanten der christlichen Präsenz im Heiligen Land, lobt den Judenstaat als Insel des gesunden Menschenverstandes (sanity) in einem von Kriegen zerrütteten Umfeld und dankt dem Staat Israel, der „das Christentum erblühen lässt“.

Das sind nicht dahingesagte, fromme Nettigkeiten und Kardinal Leonardo Sandri ist nicht irgendwer. Er war die rechte Hand des polnischen Papstes Wojtyla, durfte 2005 dessen Ableben verkünden und galt nach dem Rücktritt Papst Benedikt XVI als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge. Als der weisse Rauch 2013 über dem Petersplatz aufstieg, war es ein anderer Argentinier, der zum heutigen Papst Franziskus gewählt wurde. Sandris Meinung im Vatikan ist bis heute gefragt. Deshalb sind seine Worte zum 25jährigen Jubiläum in Jerusalem überlegt und wohlgesetzt.

Er weiss, der Vatikan hat viele Baustellen: die pädophilen Entgleisungen lassen viele der 1,313 Milliarden Katholiken (Statistik 2017) an ihrer Kirche verzweifeln und der „Global Jihad“ extremistischer, gewaltbereiter Islamisten mordet immer wieder gezielt Christen in der 3. Welt und bedroht Kirchen mitten in Europa. Dafür ist das sicherheitsorientierte Israel der geeignete Partner.

Für die gegenseitige Anerkennung und Zusammenarbeit musste der Vatikan in der jüngeren Vergangenheit Brücken bauen und sie auch überqueren. Theodor Herzl, der Begründer des modernen Zionismus, bat Papst Pius X 1904 um Unterstützung für eine neue Heimstatt für das von Pogromen geplagte jüdische Volk. Die Antwort des obersten Katholiken: Juden haben Jesus nicht anerkannt, also erkennen wir das jüdische Volk nicht an. Als Papst Franziskus 2014 nach Jerusalem kam, besuchte er nicht nur die Holocaust-Gedenkstätte, die Grabeskirche und die Tempelmauer, sondern legte auch einen Kranz am Herzl-Grab Herzl nieder. Damals rätselten viele über das Motiv für diese Geste. Papst Pius´ X Absage an Herzl im Jahre 1904 könnte der Grund gewesen sein. Ein Zeichen der Wiedergutmachung und dafür, dass der Vatikan nichts vergisst und im Gegensatz zur aktuellen Politik langfristig denkt und dann auch handelt.

Nostra Aetate hat mit einem Vorurteil der katholischen Kirche aufgeräumt, das auf einer Jahrhunderte alten Lehre des „Heiligen St. Augustinus “ fusst: Juden galten als Gottesmörder und hätten deshalb ihren Status als Gottes auserwähltes Volk verwirkt. Sie seien deshalb als herumziehendes Volk am Leben geblieben, damit sie Zeugen der Wahrheit des Christentums sind, heisst es zusammengefasst bei Augustinus.

Vor diesem Hintergrund stellt der britische Theologe und Berater des Päpstlichen Rates für interreligiösen Dialog, Gavin D`Costa, die Frage: Wenn Juden keine Schuld an Jesus´ Tod haben und der Bund zwischen Gott und dem jüdischen Volk unwiderrufbar ist, beinhaltet das nicht nur einen neuen Status für die Juden damals, sondern für alle Zeiten? D´Costas zitiert in seinem aktuellen Aufsatz mit dem Titel „Der Neue Katholische Zionismus“ aus einer Rede Papst Johannes Paul II im Jahr 1991 in Brasilia:

„Mögen unser jüdischen Brüder und Schwestern, die von allen Völkern auserwählt wurden und von fremden Ländern zusammengeführt worden sind, in ihrem eigenen Land, dem Land ihrer Vorfahren, dort auf den Hügeln Israels  in Frieden und Sicherheit leben, bewacht von Gott, ihrem wahren Hirten“.

Welchen Sprung in eine Zeit der Verständigung der Vatikan unter Papst Johannes Paul II vollzogen hat, wird deutlich, wenn man sich an den ersten Besuch eines Papstes in Israel 1964 erinnert: Papst Paul VI war insgesamt 12 Stunden in Israel, der eigentliche Grund war die Begegnung mit dem christlich-orthodoxen Patriarchen Athenagoras I. Den Namen des Landes Israel spricht der Papst nicht ein einziges Mal aus, die Einreise erfolgt über einen eigens für ihn konstruierten Grenzübergang vom Westjordanland ins israelische Meggido. Der Papst nennt den damaligen Staatspräsidenten Salman Schasar weder beim Namen noch bei seinem Titel. Seine Rede war stets „Your Excellency“. Paul VI eröffnet damals die neu erbaute Verkündigungsbasilika in Nazareth und verliert kein Wort über die Shoah oder zu einem möglichen Frieden mit den arabischen Nachbarn.

„Die Dauerhaftigkeit des Jüdischen Volkes in Israel ist eine historische Tatsache“

36 Jahre später fährt Johannes Paul II wie ein „Popstar des Friedens“ begleitet von 2000 Pressevertretern mit dem Papamobil durch Israel. Nach einem Gebet an der Tempelmauer in Jerusalem bittet er „Abrahams Volk des Bundes“ – die Juden – um Vergebung für die Verbrechen einzelner Christen und Kirchenangehöriger.

Der britische Vatikan-Berater D´Costa zitiert in seinem aktuellen Artikel zu Beginn des neuen jüdischen Jahres 5780 aus den „Bemerkungen“ zu Nostra Aetate, die klar erkennen lassen, dass die „Fortdauer des jüdischen Volkes in Israel Gottes konstruktive Ausführung ist. Die Dauerhaftigkeit des Jüdischen Volkes in Israel ist eine historische Tatsache….Juden bleiben ein auserwähltes Volk“.

D´Costa weist in seinem Essay darauf hin, dass in der Präambel des Vertrages von 1993, der ein Jahr später zum Austausch von Botschaftern zwischen Israel und dem Vatikan führt, die „umfassende religiöse Dimension der Katholisch-Jüdischen Beziehungen bestärkt wird“:

Dort heisst es:

„Im Bewusstsein der Einzigartigkeit der Beziehungen zwischen der Katholischen Kirche und dem Jüdischen Volk und des historischen Prozesses der Versöhnung in gegenseitiger Verständigung und Freundschaft zwischen Katholiken und Juden…“  

Worte wie diese gibt es in keinem anderen diplomatischen Vertrag des Vatikans. Und schon gar nicht im Grundlagen-Vertrag zwischen dem Vatikan und der PLO, der im Jahr 2000 geschlossen wurde. Der Vatikan erkennt darin ein Palästina an, das es faktisch nicht gibt, nie gegeben hat. Die Anerkennung erfolgt nicht zuletzt deshalb, weil der Palästina-Konflikt in der arabischen Welt von immerhin 1,6 Milliarden Menschen eine Rolle spielt, die Geburtskirche Jesu in Bethlehem, im Westjordanland, liegt, deren Bevölkerung zu fünf Prozent christlich ist. Kein Papst kann auch nur eines seiner christlichen Schäfchen im Stich lassen.

Eine Aussage wie sie Kardinal Leonardo Sandri dieser Tage in Jerusalem von sich gegeben hat, kann er einzig und allein nur im Gespräch mit einem Rabbiner machen: „Letztendlich haben Christen und Juden die gleichen Wurzeln“. Und auch einen Wohlfühlsatz hängt er an, den er im Nahen Osten nur in der Hauptstadt Israels sagen kann: „Jedes Mal, wenn ich in Jerusalem bin, berührt es mich, wenn ich in der Altstadt Mönche neben orthodoxen Juden und Moslems auf dem Weg in ihr Gotteshaus gehen sehe“.

PorträtGodelsommer20

Über Godel Rosenberg

Journalist, Autor, High­techunternehmer. Godel Rosenberg war Pressesprecher der CSU und von Franz Josef Strauß, Fernsehjournalist, TV­-Moderator und Repräsen­tant des Daimler­-Konzerns in Israel. Von 2009 bis 2018 war Godel Rosenberg der Repräsentant Bayerns in Israel.

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