Israel – Netanjahu mit Regierungsbildung beauftragt

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Blau-Weiss-Führer Benny Gantz (L), Präsident Reuven Rivlin (M) und Premierminister Benjamin Netanyahu (R) trafen sich am 25. September 2019 in der Präsidentenresidenz in Jerusalem. Foto Amos Ben Gershom/GPO.
Blau-Weiss-Führer Benny Gantz (L), Präsident Reuven Rivlin (M) und Premierminister Benjamin Netanyahu (R) trafen sich am 25. September 2019 in der Präsidentenresidenz in Jerusalem. Foto Amos Ben Gershom/GPO.
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Der amtierende Ministerpräsident Israels, Benjamin Netanjahu, erhielt vom Staatspräsidenten Reuven Rivlin das Mandat, die neue Regierung zu bilden. Netanjahu hat jetzt einen Monat Zeit, eine absolute Mehrheit von 61 Abgeordneten (von 120) der neu gewählten Knesset zu finden, um im Amt bestätigt zu werden.

Die Aufgabe wird in jedem Fall schwierig werden, da keiner der grossen Blöcke, die Likudpartei mit ihren rechten Partnern unter Netanjahu einerseits und Blau-Weiss mit linksliberalen Partnern unter ex-Genreal Benny Gantz über eine absolute Mehrheit der Parlamentssitze verfügt.

Avigdor Liberman, Partei­vorsitzender der 10 Mandate innehabenden Israel Beitenu Partei, verweigert sich beiden Wahlsiegern. Das arabische Parteienbündnis mit 13 Sitzen gilt wegen ihrer teilweise israel-feindlichen Haltungen als nicht koalitionsfähig.

Eigentlich bleibt nur eine „grosse Koalition“ von Likud und Blau-Weiss mitsamt ihren jeweiligen Partnern.

Die Versuche von Präsident Rivlin, ein Einvernehmen von Gantz und Netanjahu herbeizuführen, waren „extrem spannend“, da sich die drei Politiker hinter verschlossenen Türen trafen.

Das Präsidialamt veröffentlichte offiziell nur Mitteilungen wie: „Jetzt hat der Präsident den Saal verlassen, damit Gantz und Netanjahu alleine eine Übereinkunft finden.“ Für die zahllosen draussen wartenden Journalisten waren das natürlich zu dürftige Nachrichten, um daraus für die Zukunft des Staates Israel Rückschlüsse zu schliessen. Denn seit fast einem Jahr ist Israel de facto „unregierbar“, mit einer Übergangsregierung an der Spitze und ohne Fähigkeit, dringend notwendige Gesetze zu verabschieden.

Chaotisch war auch die Veröffentlichung des endgültigen und damit offiziellen Wahlergebnisses. Es gab wohl einige Fälschungen in Wahllokalen, die erst einmal geprüft werden mussten. Und bei der Auszählung der Stimmen gab es in letzter Minute noch leichte Veränderungen. Dem Likudblock Netanjahus wurde am Ende noch ein Mandat zugeschlagen.

Wie Netanjahu jetzt vorgeht und ob es ihm gelingt, allen Widerständen zum Trotz die Blau-Weiss Partei für sich zu gewinnen, gilt als fraglich.

Beide grossen Parteien haben keinerlei politische Differenzen. Niemand rechnet mit einem entscheidenden Politikwandel. Iran wird weiter der schlimmste und gefährlichste Feind Israels bleiben. Mit einer Annäherung an die Palästinenser rechnet niemand und der Terror gegen israelische Bürger wird wahrscheinlich weitergehen. Erst am Mittwochmittag gab es wieder einen sinnlosen Anschlag, gegen den selbst der beste Geheimdienst machtlos ist. Ein 14 Jahre alter Palästinenser ging mit einem Messer auf eine 22 Jahre alte israelische Frau los, die an einer Bushaltestelle wartete. Die Frau wurde mit Stichwunden am Hals ins Krankenhaus eingeliefert, während zufällig in der Nähe weilende Soldaten den 14-jährigen nach einer Verfolgungsjagd über die vielbefahrene Autobahn 443 von Tel Aviv nach Jerusalem festnehmen konnten.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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