Eine Organisation, die dem Tourismus nach Israel den Krieg erklärt hat, BDS befürwortet und dessen Protagonistin zum bewaffneten Kampf aufruft, tingelt derzeit durch Europas Metropolen. Nächste Etappen: Berlin, Zürich und Bern.
Die in Jerusalem ansässige arabische Organisation Grassroots Al-Quds hat sich auf Hasskampagnen gegen Tourismus nach Israel spezialisiert, ein Land, dessen Name sie stets in Gänsefüsschen setzt, um zu zeigen, dass sie seine Existenz nicht anerkennt. Sie gibt einen eigenen Reiseführer heraus (Wujood, Arabisch für „Sein“, „Existenz“), der dazu ermuntern soll, bei Israelreisen alles Israelische auszusparen. „Wir rufen Touristen dazu auf, israelische Geschäfte zu boykottieren und palästinensischen Tourismus zu unterstützen“, sagt Fayrouz Sharkawi, die Direktorin und „weltweite Mobilisationskoordinatorin“ von Grassroots Al-Quds. „Wir ermuntern Ausländer, die kommen und in Palästina Freiwilligenarbeit leisten wollen, nicht nach Westjerusalem zu gehen und sich in israelischen Bars zu vergnügen.“ Grassroots Al-Quds bekennt sich offen zu „Boycott, Divestment and Sanctions (dt. „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“, BDS)“, der Kampagne zur Zerstörung Israels durch den Boykott von Waren und Menschen. Amany Khalifa, die nach eigenen Angaben an der israelischen Eliteuniversität Hebrew University in Jerusalem studiert hat, ist die zweite Hauptperson von Grassroots Al-Quds neben Sharkawi und predigt den bewaffneten Kampf: „Wir haben ein Recht, Widerstand gegen die israelische Besatzung zu leisten. … Es gibt palästinensischen Widerstand seit der Besatzung von 1948 (!). Es ist lächerlich, wenn die Palästinensische Autonomiebehörde von Koexistenz mit Israel spricht.“
Amany Khalifa und Fayrouz Sharkawi reisen derzeit durch Westeuropa und halten Vorträge. Am Sonntag, dem 22. September werden sie in Berlin reden, am 29. September in Zürich und am 30. September in Bern. Grassroots al Quds spricht von einer „Europa-Tour“. Veranstaltungen fanden u.a. in London, Paris, Amsterdam und Oslo statt. Wie so viele Anti-Israel-Organisationen, leidet auch Grassroots Al-Quds offenbar nicht unter einem knappen Budget. Von 2011 und 2014 erhielt die Organisation Geld von der Europäischen Kommission, damit wurde der erste Anti-Israel-Reiseführer finanziert. Seither lehnt sie es eigenen Angaben zufolge ab, Geld von der EU anzunehmen, weil diese eine Kooperation mit israelischen Gruppen fordere, was für Grassroots Al-Quds nicht in Frage komme: „Wir sind gegen Normalisierung. Wir haben das Geld [der EU] abgelehnt, was etwas sehr Seltenes ist“, sagt Khalifa.
Feindbild Tourismus in Jerusalem
Das Feindbild von Grassroots Al-Quds, um das es in den Vorträgen geht, ist Israel im Allgemeinen, insbesondere aber der Tourismus in Jerusalem. Denn der boomt. „Beflügelt von verbesserter Sicherheit und starkem Marketing, ist Jerusalem zu einer der am stärksten wachsenden Tourismusdestinationen geworden“ meldete die Jerusalem Post vor wenigen Tagen. „Laut einem Bericht von Euromonitor International wuchs der internationale Tourismus in die israelische Hauptstadt 2018 um beispiellose 38 Prozent, nachdem er bereits 2017 um 32 Prozent zugelegt hatte.” Dagegen hat Grassroots Al-Quds etwas. Da die Aktivisten aber nicht zugeben wollen, dass sie neidisch sind auf Israels Erfolg und verbittert darüber, dass all ihre Versuche, Israels Bild in der Welt und dem Tourismus zu schaden, so offenkundig vergeblich waren, verpacken sie ihren Hass in Scheinargumente. Das Lamento beginnt mit einer angeblichen Benachteiligung der arabischen Einwohner Jerusalems im Tourismusgeschäft. Die meint Grassroots Al-Quds in einer Facebook-Ankündigung des Vortrags sogar in einer Zahl fassen zu können:
„Nur 20 % der Touristen, die Jerusalem besuchen, übernachten in Hotels im östlichen Teil der Stadt.“
Schon das erste Wort ist manipulativ: Wieso „nur“? Die Klage können die Autoren allein deshalb anstimmen, weil sie eine Prozentzahl benutzen. Würden sie absolute Zahlen angeben und sagen: „Jedes Jahr übernachten 800.000 Touristen (20 Prozent von vier Millionen) in Hotels im östlichen Teil der Stadt“ – dann fiele ihnen wohl selbst auf, dass das nicht eben wenige sind.
Grassroots Al-Quds zeichnet das Bild einer jüdischen Verschwörung, die die Touristenströme an den Arabern vorbeilenke: „Die meisten Touristen“, heisst es in der Ankündigung weiter,
„kommen mit israelischen Reisebüros, die sie zu israelischen Hotels schicken, sie in israelischen Restaurants essen und auf israelischen Märkten einkaufen lassen. Sie werden nicht zu Besuchen in den östlichen Teil Jerusalems gebracht und treffen kaum je Palästinenser.“
Die Beschreibung könnte kaum weiter entfernt von der Wahrheit sein. Jeder, der schon mal in Jerusalem war oder sich etwas Wissen angelesen hat, weiss, dass viele oder sogar die meisten der Haupttouristenattraktionen Jerusalems im Osten der Stadt sind: der Tempelberg, der Ölberg, die Klagemauer, der Garten Getsemaneh, die Grabeskirche, die Altstadt mit dem jüdischen, dem armenischen, dem christlichen und dem muslimischen Viertel, der Basar, die Maria-Magdalena-Kirche etc. Viele der Touristen, die nach Jerusalem kommen, sind Christen, und selbst die Nichtchristen haben in der Regel grosses Interesse daran, möglichst viele dieser weltbekannten Heiligtümer zu sehen. Und da viele Touristen nur einmal im Leben nach Jerusalem reisen, wollen die meisten von ihnen keine Sehenswürdigkeit auslassen. Die These, dass sie nur die moderne Weststadt Jerusalems besuchen und sonst nichts, ist absurd. Für den Dresdener Lothar Klein, den Vorsitzenden der Sächsischen Israelfreunde e.V. – der 1990 als Abgeordneter der letzten DDR-Volkskammer die Bitte um Verzeihung gegenüber Israel für 40 Jahre israelfeindliche DDR-Politik mitverfasste – ist das wie ein Déjà-vu: „Hier wird, wie einst in den DDR-Medien, nur diesmal scheinbar privat initiiert, übelste Israelhetze betrieben“, sagt er gegenüber Audiatur-Online. „Der Vorwurf, Israel würde Einfluss darauf nehmen, wo Touristen in Jerusalem übernachten, ist vollkommener Unsinn. Unser Verein hat, insbesondere durch meinen Stellvertreter Werner Hartstock, der das Reisebüro israelreise.de betreibt, seit der Wiedervereinigung Tausende Besucher nach Israel gebracht. Bei der Auswahl der Hotels geht es, schon um die Reisekosten im Rahmen zu halten, zuerst um moderate Preise, und da haben oftmals gerade arabische Hotels die Nase vorn.“ In der israelischen Hauptstadt werde auch keine Unterscheidung zwischen „Ost“- und „West“-Jerusalem getroffen, zumal es in der gesamten Stadt sehenswerte historische Stätten zu besichtigen gebe. „Auch sonst“, so Klein, „dürfen wir immer wieder feststellen, dass das Zusammenleben der einfachen Menschen vor Ort friedlich ist und Juden und Araber, selbst in der Westbank – oder auch historisch richtig Judäa und Samaria genannt – ganz normal zusammen leben, arbeiten und sogar feiern.“ Das zeige auch der neueste Dokumentarfilm der Sächsischen Israelfreunde, „Gestatten, ich bin ein Siedler“. Daneben kann Klein auch Anekdoten aus eigenem Erleben erzählen: „So war ich erstaunt, bei einem Besuch in Jerusalem im vergangenen Jahr zu hören, dass sich unser arabischer Busfahrer in einem arabisch bewohnten Stadtteil mit einem anderen Araber auf Hebräisch unterhielt.“
Gegen Normalisierung
Doch von solch friedlichem Zusammenleben will Grassroots Al-Quds ja erklärtermassen nichts wissen, man ist ja „gegen Normalisierung“. Aufbauend auf dem „Nur 20 %“-Argument erzählt Grassroots Al-Quds seine Lügen, als wären sie die Wahrheit. Wie bei einer umgedrehten Pyramide werden auf kleine Lügen immer grössere getürmt. Am Ende landet Grassroots Al-Quds bei der Behauptung, es gebe in Ostjerusalem eine „ethnische Säuberung“. Das „palästinensische Volk“ werde seiner „Hauptstadt“ beraubt, klagt Grassroots Al-Quds:
„Jerusalem war historisch die wirtschaftliche, politische und kulturellen Hauptstadt des palästinensischen Volkes.“
Das ist natürlich Unfug. Jerusalem war Jahrhunderte lang eine Provinz des Osmanischen Reichs, dann rund 30 Jahre unter britischer Verwaltung. Dann kam die jordanische Besatzung der Altstadt, die bis 1967 dauerte. Eine Hauptstadt war Jerusalem nur zu Zeiten jüdischer Staatlichkeit in der Antike – unter König David und seinen Nachfolgern – und seit 1948 wieder als Hauptstadt eines jüdischen Staates. Die Klage geht so weiter: „Seit 1967 aber“, als „die israelischen Besatzungstruppen das Territorium jenseits der Waffenstillstandslinie von 1949“ übernommen hätten, „vegetiere“ Jerusalem unter der „zerstörerischen Politik“ Israels, die das Ziel verfolge, die „Palästinenser“ aus ihrer angeblichen Hauptstadt „ethnisch zu säubern“. In Wahrheit leben heute mehr Araber in Jerusalem als je zuvor, sie machen etwa 40 Prozent der Bevölkerung der Stadt aus. Die letzte ethnische Säuberung fand 1948 statt, als Jordanien die Juden aus der Altstadt vertrieb und kein Jude mehr im jüdischen Viertel leben durfte.
Boykottaufruf von Fayrouz Sharqawi. Video Twitter
Grassroots Al-Quds bezichtigt die Jerusalemer Stadtverwaltung, der arabischen Bevölkerung Dienstleistungen wie „Bildung, Infrastruktur, Abfallbeseitigung, angemessene Kanalisation und Strassen“ „absichtlich“ vorzuenthalten, was eine wirtschaftliche Entwicklung der arabischen Stadtteile verhindere. Dazu sagt Lothar Klein: „Die Jerusalemer Stadtverwaltung kümmert sich um Probleme in ganz Jerusalem, auch wenn das mangels arabischer Ansprechpartner – aufgrund von arabischen Stellen angeordneter Verweigerung der Zusammenarbeit –, aus Sicherheits- und anderen Gründen nicht immer einfach ist.“ In der von Grassroots Al-Quds verbreiteten Behauptung, Israel benachteilige die arabische Bevölkerung beim Tourismus – und noch dazu mit Absicht –, sieht er das „alte antisemitische Klischee von der angeblichen Geldgier der Juden“. Klein fragt: „Wenn die Israelis so geldgierig wären, wie von palästinensischen Ideologen behauptet, würde Israel dann die Westbank und den Gazastreifen mit Wasser und Energie beliefern, auch wenn die Palästinenser dafür nur spärlich bezahlen?“
Die englischsprachige Veranstaltung mit dem Titel Tourism As A Tool of Displacement with Grassroots Al-Quds findet laut der Facebookankündigung am Sonntag, den 22. September, um 18.32 Uhr statt. Veranstaltungsort ist Spreeacker e.V., nach eigener Darstelllung ein „Verein für urbane Landschaftspflege“. Das klingt nicht so, als hätte die Anti-Israel-Veranstaltung etwas mit dem Vereinszweck zu tun. Eine Anfrage von Audiatur-Online, ob die Verantwortlichen von Spreeacker e.V. wissen, welche Extremisten sie sich da ins Haus holen, hat der Verein bislang nicht beantwortet.
Mögen sie genauso enden, wie die Lumpen, die vor 84 Jahren den Spruch „Kauft nichts beim Juden“ prägten. Denn nichts anderes ist diese „Bewegung“ !
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