Der Deutschlandfunk und die „Klassenzimmer“ die für Palästinenser gedacht waren

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Sogenannte Klassenzimmer durch die EU finanziert mitten in der Landschaft der South Hebron Hills. Foto Screenshot Youtube/ Btselem
Sogenannte Klassenzimmer durch die EU finanziert mitten in der Landschaft der South Hebron Hills. Foto Screenshot Youtube/ Btselem
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Irreführende Schlagzeilen und Artikel, die Israel dämonisieren, sind leider in der deutschsprachigen Presse gang und gäbe. Ein besonders krasses Beispiel liefert jetzt der Deutschlandfunk mit einem Beitrag, der die Überschrift trägt: „Israel will Klassenzimmer versteigern, die für Palästinenser gedacht waren“.

 

Die zum Verständnis der Meldung wesentliche Tatsache ist dem Deutschlandfunk buchstäblich nur einen (weiter unten versteckten) Nebensatz wert: „Israel macht geltend, dass sie ohne Genehmigung errichtet wurden.“ Dass „Israel“ hier etwas „geltend mache“, lässt die Tatsache obendrein wie eine Meinung erscheinen. Hier der vollständige Text des Artikels:

„Die Europäische Union war empört, als Israel im vergangenen Herbst zwei mobile Klassenzimmer für das Westjordanland abriss und beschlagnahmte. Denn die Klassenräume waren eine Spende der EU für palästinensische Schülerinnen und Schüler. Jetzt gehen die israelischen Behörden einen Schritt weiter: Die britische Zeitung ‚Guardian’ berichtet, dass die Klassenzimmer nächste Woche versteigert werden sollen. Israel hat bis heute einen Teil des Westjordanlandes unter Kontrolle. In einem dieser Gebiete standen die Klassenzimmer. Israel macht geltend, dass sie ohne Genehmigung errichtet wurden. Eigentlich waren die Räume für 49 Schülerinnen und Schüler der ersten sechs Klassen gedacht. Die Zimmer waren in Ibziq im Norden des Westjordanlandes aufgebaut worden. Nach dem Abriss stellte die EU klar, dass jedes Kind das Recht auf Schulbildung habe. Zudem habe jedes Land die Pflicht, dieses Recht zu schützen und zu respektieren.“

Über dem Text ist ein Foto, das Hijab tragende Mädchen in einem Klassenraum zeigt. „Die mobilen Klassenzimmer sollten Schülerinnen und Schülern zugute kommen“, lautet die Bildunterschrift. Die Botschaft des an Fakten armen Artikels: Die EU ist ein Wohltäter, die Palästinenser sind Opfer, und Israel ist ein Dieb, der kleinen Mädchen ihre Klassenräume stiehlt und so verhindert, dass sie zur Schule gehen können. Nichts davon ist wahr.

Aufstellen von Containern als Propaganda

Die betreffenden Container wurden illegal, ohne Abstimmung mit der verantwortlichen Behörde, in die Landschaft gesetzt, darum wurden sie entfernt. Ein normaler Vorgang, doch wenn Israel involviert ist, wird daraus ein Skandal, der die EU „empört“ und sogar das Recht auf Schulbildung in Gefahr bringen soll. Doch dadurch, dass Schulen keine illegal errichteten Container nutzen können, muss keine einzige Unterrichtsstunde ausfallen – sie muss bloss an einem anderen, rechtmässigen Ort stattfinden. Anders als die syrischen Flüchtlingsfamilien im Libanon, deren Lager derzeit von den Behörden gewaltsam geräumt werden (worüber sich im Archiv des Deutschlandfunks kein Beitrag findet), sind die arabischen Palästinenser, um die es im vorliegenden Fall geht, nicht heimatlos, sondern wohnen in Städten und Dörfern, in denen es Gebäude und auch Schulgebäude gibt. Das Aufstellen von Containern in entlegenen Regionen dient allein der Propaganda.

Wogegen die EU und der Deutschlandfunk zetern, ist, dass es Regeln gibt, die zu beachten sind. Dazu gehören die Osloer Verträge zwischen Israel und der PLO bzw. der Palästinensischen Autonomiebehörde. Im Interimsabkommen über die West Bank und den Gazastreifen vom 26. September 1995 (Oslo-II-Vertrag), der von der EU beurkundet wurde und Teil des Völkerrechts ist, haben die Vertragsparteien diese Gebiete in drei Verwaltungszonen unterteilt: In der Area A herrscht allein die Palästinensische Autonomiebehörde, in Area C allein Israel, Area B wird von beiden gemeinsam verwaltet. Die betreffenden Container waren in Area C errichtet worden, ohne Koordination mit den dort verantwortlichen israelischen Behörden. Und das war natürlich kein Versehen, sondern Absicht. Die Palästinensische Autonomiebehörde verfolgt den Plan, heimlich ihre Herrschaft in diesen Gebieten auszuweiten und wird bei diesem völkerrechtswidrigen Vorgehen von der EU unterstützt. Die hat die bewusste Entscheidung getroffen, einen palästinensischen De-facto-Staat in der Area C zu errichten. Dies geht aus einem offiziellen Strategiepapier der EU von 2011 hervor, in dem es heisst:

„Die Palästinensische Autonomiebehörde beteiligt sich jetzt aktiv an der Planung und Aufteilung von Area C; wenn dies Erfolg hat, könnte es der Entwicklung durch die Palästinensische Autonomiebehörde und mehr Autorität für die PA in Area C den Weg ebnen.“

Dieses „Ebnen“ des „Weges“ unterstützt die EU mit Geld. Rund sechs Millionen Euro stellt sie pro Jahr zur Verfügung, um in der Area C illegale Siedlungen zu errichten; auf allen Häusern und Containern prangt die Flagge der EU. Hunderte solcher Siedlungen habe die EU in den letzten Jahren gebaut haben, schätzen israelische Medien. Wie aus einem Artikel der britischen Tageszeitung Daily Mail von 2015 hervorgeht, sind die Dörfer vor Ort als die „EU-Siedlungen“ bekannt. „Sie hissen stolz die EU-Flagge und tragen Hunderte von EU-Aufklebern und -Emblemen. An einigen prangen auch die Logos von Oxfam und anderen NGOs, die bei diesen Projekten mitgewirkt haben.“ Das Verhalten von EU-Angestellten vor Ort werfe Fragen auf, schreibt die Zeitung, „nachdem ein Foto von einem Mann in EU-Uniform aufgetaucht war, der Soldaten und Unbeteiligte vor einer Siedlung mit einem Stein bedroht.“

Die Europäische Union könne nicht „kommen und auf der einen Seite Israel dafür schelten, auf dem Boden Fakten zu schaffen und gleichzeitig Hunderte Millionen Dollars für einen weitreichenden Plan für illegale Bautätigkeit ausgeben“, sagte Israels UN-Botschafter Danny Danon 2016. Auch innerhalb der EU gibt es immer wieder Kritik an der Siedlungsoffensive. James Carver, britischer EU-Abgeordneter und Mitglied im Aussenpolitischen Komitee des Europaparlaments, schrieb im Februar 2015 einen Brief an die EU-Mitgliedsstaaten, die EU-Siedlungen widersprächen den Gründungsverträgen der EU. Sie seien „respektlos gegenüber dem Rechtsstaat, nach internationalem Recht eindeutig illegal“ und zerstörten in einigen Fällen die Umwelt.

„Ein Land, in dem jeder baut, wo es ihm gefällt, ohne sich an Flächennutzungspläne zu halten und eine Baugenehmigung einzuholen, wäre ein zum Leben furchtbares Land und ein Land ohne Rechtsstaatlichkeit. Es ist klar, dass EU-Mitgliedsstaaten ein solches Verhalten innerhalb ihrer Grenzen niemals dulden würden; auch würde die EU es nicht innerhalb der Europäischen Union billigen oder finanzieren.“

„Warum also“, fragte Carver die Regierungen, „tut die EU das ausserhalb ihrer Grenzen?“ Man kann von Neokolonialismus sprechen, auf jeden Fall ist es ein Rechtsbruch und ein feindlicher Akt gegenüber dem Staat Israel.

„Wenn du das Gesetz brichst und ohne Genehmigung baust, dann sei nicht überrascht, wenn die Bauten beschlagnahmt und verkauft werden.“

Audiatur-Online fragte Naomi Kahn, Direktorin der internationalen Abteilung der israelischen NGO Regavim, die sich mit den Mitteln des Rechtsstaats gegen die Landnahme seitens der EU einsetzt, wie sie die Versteigerung der EU-Container sieht. „Die Geschichte ist nicht so ungewöhnlich, wie sie aussehen mag“, sagt sie. „Die Zivilverwaltung beschlagnahmt mobile Einheiten, die ohne Genehmigung in Area C aufgestellt werden, sowohl im jüdischen als auch im arabischen Sektor. Wann immer durch illegale Bautätigkeit – oder, wie im vorliegenden Fall, durch das Aufstellen mobiler Einheiten ohne Genehmigung – ‚auf dem Boden Fakten geschaffen’ werden, entfernt die Zivilverwaltung sie, beschlagnahmt sie kraft ihrer Autorität als Militärgouverneur des Gebiets und versteigert sie, um die Kosten wiederreinzuholen, die ihr durch das Entfernen, den Transport, die Lagerung, juristische Kosten usw. entstehen.“ Bis vor kurzem sei gegen jüdische Siedlungen und Aussenposten sogar schärfer vorgegangen worden, sagt Kahn. Bei illegal errichteten jüdische Siedlungen und Aussenposten sei ein bestimmtes Gebiet abgesteckt worden, dann sei alles entfernt und beschlagnahmt worden, was innerhalb dieser Grenzen angefunden wurde. Bei illegalen arabischen Aussenposten hingegen müsse es für jede einzelne Gebäudestruktur bzw. jeden Container einen eigenen Beschluss geben, diesen zu entfernen. „Die Quintessenz“, so Kahn, ist: „Egal, wer du bist – ob Jude, Araber oder europäischer Provokateur –, wenn du das Gesetz brichst und ohne Genehmigung baust, dann sei nicht überrascht, wenn die Bauten beschlagnahmt und verkauft werden.“

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Über Stefan Frank

Stefan Frank ist freischaffender Publizist und lebt an der deutschen Nordseeküste. Er schreibt regelmässig über Antisemitismus und andere gesellschaftspolitische Themen, u.a. für die „Achse des Guten“, „Factum“, das Gatestone Institute, die „Jüdische Rundschau“ und „Lizas Welt“. Zwischen 2007 und 2012 veröffentlichte er drei Bücher über die Finanz- und Schuldenkrise, zuletzt "Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos."

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