Bilanz des Eurovision Song Contest in Tel Aviv

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Madonna und Quavo singen
Madonna und Quavo singen "Future" beim Eurovision Song Contest. Foto YouTube Screenshot
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Die israelischen Medien waren sich einig, dass die diesjährige Austragung des Eurovision Song Contest (ESC) in Tel Aviv das grösste und beeindruckendste Fernsehspektakel aller Zeiten war. Die geschätzten 200 Millionen Zuschauer der Direktübertragung wurden als einzigartige Chance gesehen, mit kurzen Landschafts-Clips den vielseitigen Staat Israel mit seinen zahlreichen touristischen Attraktionen vorzustellen. Die Investition in Bühneneffekte habe sich voll gelohnt.

 

Gleichwohl waren sich auch praktisch alle einig, dass die Qualität der präsentierten Lieder, um die es doch eigentlich hätte gehen sollen, mässig bis grottenschlecht gewesen sei.

Kritik wurde vor allem an dem gross-angekündigten und entsprechend erwarteten Auftritt der internationalen Pop-Ikone Madonna laut. Sie habe schrecklich falsch gesungen. Ihr gesamter Auftritt sei nur „peinlich“ gewesen und der Auftritt sei das Ende ihrer Karriere gewesen. Hinzu kam dann auch noch der zunächst gar nicht bemerkte Auftritt von zwei Tänzern ihres Trupps mit einer aufgenähten palästinensischen und einer israelischen Flagge auf dem Rücken. Umarmt stiegen sie die Treppe hinauf, um ein „Friedenszeichen“ zu setzen. Für die Festivalleitung war das ein klarer Verstoss gegen die Regeln. Politische Statements sind bei dem Festival tabu.

Auch die isländischen “Sänger” glaubten, mit einer kindisch wirkenden Demonstration auf sich aufmerksam machen zu müssen. Israelische Ordner des ESC konnten rechtzeitig zwei „verbotene“ Schals einkassieren. Aber die Gruppe hatte bis zur letzten Minute zwei weitere Spruchbänder versteckt und hielt diese dann in die Kameras. Darauf war neben der palästinensischen Flagge auch das Wort „Palestine“ aufgedruckt. Sie warteten geduldig, bis ihre Punktzahl bei dem Wettbewerb verkündet worden war. Sonst hätten sie von den Oberen des ESC auf der Stelle gesperrt werden können. Jetzt wird offenbar beraten, ob Island die künftige Beteiligung am ESC verboten werden wolle.

Ansonsten verliefen die wochenlangen Vorbereitungen sowie das Festival selbst ohne jegliche negative Zwischenfälle.

Trotz lautstarker Proteste im Vorfeld, Boykottaufrufen der BDS-Bewegung und Absichten radikaler Palästinenser, die Veranstaltung scheitern zu lassen, hat es keine Terroranschläge, Raketenangriffe auf Tel Aviv oder andere bemerkenswerte Störmanöver gegeben. Für Israel kann allein das als ein grosser Erfolg verbucht werden.

Anders die deutschen Medien. Die Süddeutsche Zeitung und andere präsentierten sich in ihren Berichten vor dem ESC, als wären sie Handlanger der Hamas im Gazastreifen oder der Boykott-Organisation BDS. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Festgelände von der Polizei „grossräumig abgesperrt“ worden sei, als ob es in Deutschland nie und nirgendwo bei Grossveranstaltungen, etwa in Berlin oder bei Fussballspielen, Absperrungen gegeben habe. Betont wurde auch, dass 20.000 Polizisten in Einsatz gewesen wären. Was bei Israelis ein Gefühl der Sicherheit vermittelt, sollte wohl die 10.000 aus dem Ausland angereisten Touristen in Angst versetzen. Dann seien auch noch „bewaffnete Sicherheitsleute“ gesichtet worden. Offenbar sind in Deutschland Polizisten oder Sicherheitsleute niemals bewaffnet.

Gross wurde in den deutschen Medien auch ein politisches alternatives Musikfestival der Palästinenser, namens „Globalvision“ angekündigt. Unklar blieb, wie und wo man diese Konkurrenz zum ESC im Fernsehen verfolgen konnte. Es wurden auch keine Sänger aus anderen Ländern genannt. Und ob da international abgestimmt worden ist, wie beim ESC, blieb ein Geheimnis, da nach dem Veranstaltungstag praktisch niemand mehr darüber berichtete. So haben sich vor allem deutsche Medien in eine anti-israelische Propaganda-Kampagne voll einspannen lassen, doch ohne dann auch die erwarteten Vollzugsberichte zu bringen.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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1 Kommentar

  1. Madonna eine ebenso traurige Figur wie Barbra Streisand beim runden Geburtstag von Schimon Peres. Beide zeigten nur noch zehn Prozent ihres einstigen Könnens und haben den Zeitpunkt für einen würdevollen Abgang schon seit Jahren verpasst. Man möchte im Boden versinken vor Mitleid.

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