Kriegsverbrechen: Einen Zettel in die Klagemauer stecken

1
Foto Brian Jeffery Beggerly - Flickr: IMG_1229, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=32696505
Foto Brian Jeffery Beggerly - Flickr: IMG_1229, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=32696505
Lesezeit: 4 Minuten

Vergangene Woche habe ich in Israel einen haarsträubenden Verstoss gegen das Völkerrecht begangen. Dieses „Kriegsverbrechen“ bestand darin, einen Zettel mit der Bitte um „Frieden, Salam, Shalom“ in die Klagemauer, die heiligste Stätte des Judentums, zu stecken.

 

von Alan M. Dershowitz

Der Grund, warum ein Zettel mit der Bitte um Frieden einen „haarsträubenden Verstoss gegen das Völkerrecht“ und ein „Kriegsverbrechen“ darstellt, ist eine im Dezember 2016 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedete Resolution, die alle von Israel während des Krieges von 1967 eingenommenen Gebiete zu illegal besetzten Gebieten erklärt. Dazu zählen auch die Klagemauer, das jüdische Viertel der Altstadt von Jerusalem sowie die Zufahrtswege zur Hebräischen Universität Jerusalem und zum Hadassah-Hospital auf dem Scopusberg.

Der frühere US-Präsident Barack Obama verlangte von seinem Ständigen Vertreter bei den Vereinten Nationen, kein Veto gegen diese einseitige, fehlgeleitete, geschichtslose, bornierte und friedensfeindliche Resolution einzulegen. Obama hat die amerikanische Politik verändert, indem er zuliess, dass eine solche Resolution vom Sicherheitsrat als Racheakt gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu verabschiedet wurde, der zu Recht gegen das sehr schlechte Abkommen war, das Obama mit dem Iran geschlossen hatte und das diesem ermöglichte, Atomwaffen zu entwickeln.

Obwohl Obama selbst einmal vor der Klagemauer gestanden und dort einen Zettel hinterlegt hat, betrachtet er die heiligste Stätte des Judentums nun offenbar als von Israel illegal besetztes Gebiet. Damit liegt er allerdings völlig falsch, was jedoch nichts an der Resolution des Sicherheitsrates ändert.

“Ich habe vor, dieses Verbrechen bei jedem Besuch in Israel zu begehen.”

Deshalb habe ich, und neben mir zweifellos auch viele andere, nicht nur bewusst und gezielt einen Verstoss gegen das Völkerrecht begangen, sondern wir haben uns auch eines Kriegsverbrechens schuldig gemacht, denn der Bau oder die Nutzung von Zivilgebäuden auf illegal besetztem Gebiet stellt ein Kriegsverbrechen dar; und Israel hat den Platz vor der Klagemauer errichtet – und ich habe ihn genutzt –, nachdem Israel diesen Bereich in einem Verteidigungskrieg zurückerobert hat.

Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Ich habe vor, dieses Verbrechen bei jedem Besuch in Israel zu begehen. Nennen Sie es einen Akt des zivilen Ungehorsams oder einen Akt, der einfach die Absurdität und Unrechtmässigkeit der Resolution des Sicherheitsrates bestätigt, auch wenn sie verabschiedet wurde und die Vereinigten Staaten, die sich der Stimme enthielten, kein Veto dagegen eingelegt haben.

[su_pullquote align=”right”]”Obama selbst hat die Resolution eingefädelt”[/su_pullquote]

Die Enthaltung der Vereinigten Staaten sollte der Obama-Administration zuhause in den USA politische Rückendeckung geben. Sie konnte sagen, sie habe ja nicht für die Resolution gestimmt. Aber sie hat viel mehr getan, als für die Resolution zu stimmen. Obama selbst hat die Resolution eingefädelt. Er hat sie trotz einiger Vorbehalte anderer Mitglieder, darunter auch Ägypten, das der Ansicht war, die Resolution selbst werde sich als Hindernis bei den Verhandlungen für eine Zweistaaten-Lösung erweisen, durch den Sicherheitsrat gepeitscht. Israel müsste letzten Endes, wenn seine Kontrolle über die heiligste Stätte des Judentums als illegal eingestuft wird, deren Legalität mit den Palästinensern verhandeln. Damit hätten die Palästinenser eine unvergleichbare Trumpfkarte in der Hand. So wie mich ein ehemaliger Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde einmal rhetorisch fragte: „Wieviel wäre Israel aufzugeben bereit, um sein wichtigstes Heiligtum zurückzubekommen?“

Israel wird die Resolution des Sicherheitsrates niemals akzeptieren. Kein anständiger Mensch sollte dies tun. Ich tue das auf jeden Fall nicht und ich werde weiterhin bei jedem Besuch in Israel dagegen verstossen, indem ich Zettel in die Klagemauer stecke, koschere Falafel im jüdischen Viertel von Jerusalem esse und auf der Zugangsstrasse zur Hebräischen Universität, und – sollte es notwendig sein – zum Hadassah-Hospital fahre. Ich rufe alle Besucher dazu auf, sich meinem Komplott gegen die Resolution des Sicherheitsrates zu verstossen, anzuschliessen.

Diese jüdischen Gebiete wurden zwischen 1948 und 1967 gesetzwidrig von Jordanien besetzt und von Israel rechtmässig in einem Verteidigungskrieg zurückerobert, den Jordanien begonnen hatte, als es Mörsergranaten auf zivile Ziele in Israel in den Grenzen von vor 1967 abfeuerte. Während der jordanischen Besatzung verübte König Hussein Kriegsverbrechen, indem er die Zerstörung antiker Synagogen, Bestattungsorte und anderer historischer Stätten anordnete und er diesen historisch jüdischen Bereich aller Juden einer „ethnischen Säuberung“ unterzog. Und trotzdem gab es keine Resolutionen der Vereinten Nationen, keine Proteste an Universitäten oder sonstigen organisierten, offenkundigen Widerstand seitens der internationalen Gemeinschaft. Erst nachdem Israel diese historisch jüdischen Gebiete befreit hatte, entschied die Welt, und entschied Obama – unter Missachtung des Völkerrechts – sie seien unrechtmässig besetzt.

Die Klagemauer zu einem illegal besetzten Gebiet zu erklären ist so, als ob man den Vatikan, Mekka oder andere religiöse heilige Stätten als von denen besetzt erklärte, die dort beten. Die Klagemauer ist ein rechtmässiger Teil des Nationalstaates des jüdischen Volkes. Und das wird sie bleiben, solange Israel existiert. Wenn es überhaupt eine Hoffnung auf Frieden zwischen Israel und den Palästinensern geben soll, muss die Welt diese historische, moralische und rechtliche Realität anerkennen.

Alan M. Dershowitz ist emeritierter Inhaber des Felix-Frankfurter-Lehrstuhls für Rechtswissenschaften an der Harvard Law School und Autor von The Case Against the Democrats Impeaching Trump, Skyhorse Publishing, 2018. Auf Englisch zuerst erschienen bei Gatestone Institute. Übersetzung Audiatur-Online.

1 Kommentar

Kommentarfunktion ist geschlossen.