Pax Christi und die Geschichtsklitterung

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Pax Christi an der Demonstration gegen die Münchner Sicherheitskonferenz 2019. Foto Henning Schlottmann (User:H-stt), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=76622706
Pax Christi an der Demonstration gegen die Münchner Sicherheitskonferenz 2019. Foto Henning Schlottmann (User:H-stt), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=76622706
Lesezeit: 6 Minuten

Die internationale katholische Friedensbewegung, wie sich Pax Christi darstellt, hat in einem öffentlichen Aufruf zur Anerkennung der Nakba nach 71 Jahren aufgerufen.

 

Damit verbunden sind auch finanzielle Forderungen, wie es da im Vorspann heisst: „Die pax christi Nahostkommission fordert mit Pax Christi International die internationale Gemeinschaft auf, eine ausreichende finanzielle Unterstützung des Hilfswerks UNWRA sicherzustellen und effektive Schritte in Richtung eines Friedensprozesses für Israel und Palästina zu unternehmen.“

Geschichte zurückdrehen

Wir gehen mal davon aus, dass jeder vernünftig denkende Mensch mit minimalem historischem Wissen bereit ist, Ereignisse der Vergangenheit anzuerkennen. Voraussetzung wäre allerdings, dass die Darstellung der erwähnten historischen Ereignisse korrekt ist und welche Schlüsse daraus gezogen werden. Ein Versuch, die Geschichte einfach zurückzudrehen und dabei zu ignorieren, was zu den bemängelten Ereignissen geführt hat, ist ein sinnloses Unterfangen, das noch nie und nirgendwo funktioniert hat. Denn jedes Ereignis hat oft mehrere Ursachen, die man nicht einfach wegdiskutieren oder ignorieren kann.

In seinem Aufruf macht sich Pax Christi gleich mehrerer “Sünden” schuldig. Dabei geht es um die Verwendung historisch falscher Begriffe, verdrehter Darstellung des Ablaufs der Ereignisse und anderer systematischer Fehler, von bewussten Auslassungen ganz zu schweigen.

Folgender Abschnitt leidet unter mehreren Fehlern:

„Erinnert wird an die bewusste Zerstörung von über 400 palästinensischen Städten und Dörfern und den erzwungenen Exodus von mehr als 750.000 Männern, Frauen und Kindern aus ihren angestammten Häusern zwischen 1947 und 1948, um Platz für den Staat Israel zu machen.“

An Kriegswirren sind viele schuld

Damals 1948 herrschte Krieg. Beide Seiten haben zerstört. Ob man das als „bewusste Zerstörung“ bezeichnen kann und nur eine Seite schuldig sprechen darf, ist schon mal fraglich. Weiter ist da die Rede von „palästinensischen Städten und Dörfern“. Der Begriff „palästinensisch“ war damals noch nicht erfunden worden. Gemeint sind arabische Ortschaften. Fraglich ist unter den Historikern, wer denn „den Exodus von mehr als 750.000 Männern, Frauen und Kindern aus ihren angestammten Häusern zwischen 1947 und 1948“ erzwungen habe. Und wie „angestammt“ viele dieser Menschen waren, ist ebenfalls fraglich, denn es hat in den 1920 Jahren grosse arabische Einwanderungsbewegungen gegeben. Zweifellos sind einige Menschen tatsächlich vertrieben worden, wie das in jedem Krieg passiert. Gleichwohl gab es auch Aufrufe der damaligen arabischen Staaten und Armeen an die einheimische (arabische) Bevölkerung, ihre Häuser zu verlassen, um den Weg frei zu machen für die beabsichtigte Zerstörung des frisch gegründeten Staates Israel.

Vertriebene oder Flüchtlinge

Die Darstellung von Pax Christi würde bedeuten, dass es hier keinen einzigen Flüchtling gab, sondern nur „Vertriebene“. Das ist ein Begriff, der in Deutschland nach 1945 eine grosse Rolle spielt. Niemand würde behaupten, dass es vorher weder Hitler noch den Zweiten Weltkrieg gegeben hätte.

Verfälschend und reine Propaganda ist auch die Formulierung: „aus ihren angestammten Häusern zwischen 1947 und 1948, um Platz für den Staat Israel zu machen“. Kein Staat in der Welt wird allein in „angestammten Häusern“ errichtet. Hinzu kommt, dass viele der entleerten und später gesprengten Ortschaften bis heute Ruinenfelder sind. Am Nakba-Tag wird an vielen Stellen zu diesen Ruinen gepilgert. Es mangelt auch nicht an vermeintlichen Zeugenaussagen von Kindern und Kindeskindern, wo zwischen dem Unkraut einst die Häuser ihrer Grosseltern gestanden haben könnten.

Um glaubwürdig zu sein, sollte Pax Christi entweder auf exaktere Formulierungen achten, oder aber diese sehr propagandistischen Aussagen gänzlich unterlassen. Völlig unerwähnt bleiben hier natürlich die jüdischen Ortschaften und Viertel, die nach dem Krieg von 1948 auf die jordanische Seite gerieten. Die jüdischen Viertel von Hebron und in der Altstadt Jerusalems wurden systematisch zerstört, ungeachtet des historischen Erbes. Und da ausnahmslos alle Juden aus diesen Gebieten vertrieben oder umgebracht worden sind, hat es da eine „ethnische Säuberung“ gegeben, was es im Staat Israel zweifellos nicht gegeben hat. Denn wie kann man sich sonst erklären, dass heute fast 20% der Bevölkerung im Staat Israel Araber sind mit Vertretern im Parlament und in allen öffentlichen Einrichtungen, darunter in der Armee?

UNO-Resolution ist noch kein „Völkerrecht“

Korrekt ist die Feststellung: „Im November 1947 verabschiedete die UN-Generalversammlung die Resolution 181, die die Aufteilung des Völkerbundmandats für Palästina in einen arabischen und jüdischen Staat forderte.“

Es sei hier angemerkt, dass da von einem „arabischen“ Staat die Rede ist und nicht von einem „palästinensischen“.

Nicht erwähnt wird, dass Beschlüsse der Generalversammlung völkerrechtlich nicht bindend sind, sondern nur „Empfehlungen“. Abgesehen davon verschweigt Pax Christi an dieser Stelle, dass nur die Juden/Zionisten diese Empfehlung mit Jubel angenommen haben, während alle Araber und besonders die arabischen Staaten erklärten, Krieg gegen diesen UNO-Beschluss führen zu wollen. Es ist sogar der einzige bekannte Fall, wo eine Staatengruppe einen Krieg beschliesst, um eine UNO-Resolution zu Fall zu bringen.

Es ist reichlich absurd, dass heute genau diese bekämpfte und abgelehnte Resolution dazu verwendet wird, für die Araber „Rechte“ einzufordern. Pax Christi hätte gut daran getan, an dieser Stelle den Arabern einen politischen Fehler nachzuweisen. Und wer Fehler begeht, muss dann auch die Konsequenzen tragen. Das ist eine Erfahrung, die jeder Mensch im eigenen Leben macht. Umso mehr gilt das für Beziehungen zwischen den Völkern.

„Im Dezember 1948 verabschiedete die UN-Generalversammlung die Resolution 194, die den Palästinenser*innen das Recht auf Rückkehr oder Entschädigung einräumte.“

Wo ist in der Resolution 194 die Rede von „Palästinenser*innen“? Unerwähnt bleibt hier auch, dass gewisse Bedingungen an jene Rückkehrer gestellt wurden. Aber solche Feinheiten passen Pax Christi nicht ins Konzept.

„Auch wurde der Staat Israel nicht dafür zur Rechenschaft gezogen, dass er das völkerrechtliche verankerte Rückkehrrecht den Palästinenser*innen verweigert.“

Völkerrecht muss für jeden gelten, sonst wäre es Rassismus

Man muss kein studierter Völkerrechtler sein, um zu verstehen, dass es kein „Völkerrecht“ geben kann, das allein für ein einziges Volk gilt.

Gäbe es ein solches „Völkerrecht“, müsste es als übelster Rassismus bezeichnet werden. Denn was ist mit den Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen seit 1945? Warum gilt es etwa für Schlesier, Sudeten, Königsberger, Türken, Griechen, Armenier, Juden in der arabischen Welt, Menschen in Ruwanda, Indien, Afrika und anderswo in der Welt nicht?

Einige Völker haben sogar einen Völkermord erlebt, anders als die Palästinenser. Die Internationale Katholische Friedensbewegung Pax Christi sollte sich als „katholische Friedensorganisation“ fragen, wieso allein die *Palästinenser*innen” das Privileg einer eigenen separaten UNO-Hilfsorganisation mit Millionenbudgets haben, wieso nur ihnen und keinem anderen der Millionen Flüchtlinge in aller Welt das Recht eingeräumt wird, den Flüchtlingsstatus auf Kinder und Kindeskinder zu vererben. Während alle anderen gezwungen sind, umgehend in ihrer alten Heimat oder im Gastland Arbeit zu suchen, eine Unterkunft zu finden und für die Erziehung der Kinder zu sorgen, dürfen allein die Palästinenser auf Ewigkeit mit einer Rundumversorgung durch die UNRWA rechnen, bis hin zu Nahrungsmitteln und Berufsausbildung für die Kindeskinder.

Rassismus von katholischer Friedensorganisation?

Da hier nur beklagt wird, wieso allein Israel nicht zur Verantwortung gezogen wird, sollte sich Pax Christi auch mal fragen, wieso nicht alle anderen Länder der Welt genauso zur Verantwortung gezogen werden sollten, entweder weil sie Menschen vertrieben haben oder aber Flüchtlinge wie rechtlose Tiere behandeln, darunter die meisten arabischen Länder aber auch die Türkei, nur um hier einige Beispiele zu nennen.

Der Aufruf dieser „Friedensorganisation“ wirkt eher wie eine Kriegserklärung gegen den jüdischen Staat. Und wer derartig einseitig speziell gegen Juden vorgeht, macht sich der Feindseligkeit gegen Juden schuldig. Es ist verwunderlich, dass ausgerechnet eine katholische Organisation, die doch eigentlich dem Papst und seinem Dialog mit den Juden nahestehen sollte, derartige einschlägige rassistische Aufrufe verbreitet.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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1 Kommentar

  1. PAX Christi sollte sich doch auch einmal mit der Chronologie der Kriege der RKK befassen:

    Mit dem Aufruf von Papst Urban II. (1088-1099) zum Kampf gegen die Sarazenen und zur
    Befreiung Jerusalems begann 1095 der erste Kreuzzug. Viele weitere blutige Kriege “im Namen Gottes” erschütterten daraufhin das Heilige Land. Katholisch.de dokumentiert die wichtigsten Daten dieser Zeit vom ersten bis zum letzten Kreuzzug.

    https://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/chronologie-der-kriege

    Die Fortsetzung der Kriege von Rom ausgelöst ging die ganze Geschichte hindurch allerdings weiter. Ich denke dabei an die Kriege nach der Reformation Luthers.

    https://www.planet-wissen.de/kultur/religion/paepste/

    Jesus dagegen rief Seine Nachfolger zum Frieden auf. ER wollte keine Weltmacht – Sein Reich ist nicht von dieser Welt!

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