Wird Jordanien das neue Palästina?

3
Grenzübergang Aquaba (Jordanien) - Israelischer Kontrollpunkt. Foto Pawel Ryszawa, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4617175
Grenzübergang Aquaba (Jordanien) - Israelischer Kontrollpunkt. Foto Pawel Ryszawa, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4617175
Lesezeit: 4 Minuten

In einem am 29. April 2019 ausgestrahlten Beitrag im Echo der Zeit vom Schweizer Radio SRF1, wird einmal mehr über den von US-Präsident Trump angekündigten Friedensplan zwischen Israel und den Palästinensern diskutiert.

 

Laut dem Moderator zeige die Reportage der SRF-Nahostkorrespondentin Susanne Brunner, dass grosse Beunruhigung innerhalb der jordanischen Bevölkerung herrsche. Dies weil man unter anderem annehme, dass der Plan vorsieht alle Palästinenser nach Jordanien umzusiedeln. Auch gehe man davon aus, dass Israel Judea und Samaria annektieren könnte, um die dort ansässigen Palästinenser in andere Länder umzusiedeln, unter anderem auch nach Jordanien.

Als Beispiel wird ein Gespräch der Nahostkorrespondentin Brunner in einem Trinkwassergeschäft in Amman angeführt, bei dem sich ein Kunde diesbezüglich äussert. Hierbei fällt ein interessanter Satz. Es wird ausgesagt, dass Trump nun das vollende, was die Balfour Erklärung begonnen habe, nämlich einen jüdischen Staat ohne Palästinenser zu schaffen. Dies ist jedoch ahistorisch, da zwar eine „Nationale Heimstätte für das Jüdische Volk“ in Palästina versprochen wurde, aber keine Vertreibung o. ä. der Araber in diesem Gebiet vorgesehen war. Dies zeigt vor allem die Abspaltung von 77 % des Mandatsgebietes im Jahr 1921, welches mit dem Namen Transjodanien versehen wurde. Dieses Gebiet sollte eigentlich ein zukünftiger Arabischer Staat  für die in Palästina ansässigen Araber werden. Aufgrund der anhaltenden Spannungen präsentierten die Briten im Jahr 1939 das sogenannte Weissbuch. Das Angebot beinhaltete eine rigorose Einschränkung der Jüdischen Einwanderung nach Palästina und das Ende des Landverkaufs an Juden. In zehn Jahren sollte der jeweiligen Majorität des Landes dann das Mandatsgebiet übergeben werden, was ohne jeden Zweifel einen Arabischen Staat bedeutet hätte. Dies lehnten die Araber jedoch ab. Warum? — Könnte man sich nun fragen, stellt dieses Angebot doch genau das dar, was die Araber eigentlich anstrebten? Nun, zum einen war ihnen eine Einschränkung der Jüdischem Immigration zu wenig, sie forderten einen sofortigen Stop und zum anderen wollten sie nicht zehn Jahre auf einen Staat warten, sondern ihn am besten gleich bekommen. Diese historischen Gegebenheiten scheinen dem Kunden des Trinkwassergeschäft allerdings nicht bekannt zu sein. Er ist sich jedenfalls mit dem Besitzer des Geschäfts darüber einig, dass der US-Friedensplan eine Umsiedlung aller Palästinenser nach Jordanien vorsähe, was, wie man argumentieren könnte, ja eigentlich auch einer der Hauptgründe ist, warum Jordanien überhaupt seit dem Jahr 1921 (damals noch Transjordanien), existiert und somit gar nicht so unlogisch erscheint.

Der ehemalige Premierminister Jordaniens, Taher Nashat al-Masri, welcher im Übrigen palästinensische Wurzeln hat, berichtet, dass diese Spekulationen insbesondere für König Abdullah II heikel wären. Abdullah II würde neuerdings immer wieder betonen, dass er sein Bestes tun würde um den Plan zu verhindern, er aber im Endeffekt Präsident Donald Trump nicht davon abhalten könne. Al-Masri fährt fort und führt an, dass, sollte Jordanien durch diesen Schritt ein mehrheitlich Palästinensischer Staat werden, dies den Frieden mit Israel gefährden könne.

Der Jüdische Staat und Jordanien unterzeichneten ihren Friedensvertrag im Jahr 1994. 2019 soll der Friedensvertrag erneuert werden, doch bereits letztes Jahr drohte Jordanien damit, genau dies nicht zu tun, da es zwei Grenzgebiete die es an Israel verpachtet hat zurückverlange – Naharayim und Zofar. Jordanien kann sich eine derartige Entscheidung, auf Grund seiner schlechten wirtschaftlichen Lage jedoch kaum leisten. Dies zeigt wie sehr König Abdullah II. mittlerweile unter Druck steht. Die Gerüchte über einen eventuellen Transfer von Palästinensern nach Jordanien befeuern die ohnehin schon instabile Lage nur noch weiter. Die Geschichte zeigt jedoch, dass eine Majorität von Palästinensern in Jordanien durchaus gefährlich sein kann, wie der sogenannte Schwarze September (1970) beweist, bei dem die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) und die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) versuchte, den damaligen jordanischen König Hussein zu stürzen. Die Gründe dafür waren zum einen eine halbherzige Beteiligung Jordaniens an dem Sechs-Tage Krieg (1967) und zum anderen die Verhinderung von Palästinensischen Terroranschlägen, ausgehend von dem jordanischen Staatsgebiet. Die Annahme, dass eine Palästinensische Majorität in Jordanien also eine Gefahr darstellen könnte, hat also einen wahren Kern.

Abschliessend ist zu sagen, dass alle Spekulationen bezüglich des US-Friedensplans bisher eben lediglich nicht anderes sind, als reine Vermutungen. Man sollte jedoch annehmen, dass wenn Präsident Donald Trump einen solchen Schritt plane würde, er schon längst den jordanischen König darüber informiert hätte und mit ihm in Verhandlung stünde. Historisch gesehen wäre dieser Schritt aber keine grosse Überraschung. Realpolitisch gesehen könnte es eine grosse Herausforderung für Jordanien, sein Sozialsystem und seine Wirtschaft darstellen. Langfristig gesehen würde es jedoch das Gegenteil von dem Ziel eines Friedensplans bedeuten, sowohl für Jordanien, als auch für Israel.

Wichtiger als alle Spekulationen ist die Tatsache, dass sich die arabischen Staaten gerne lauthals als Verfechter der Palästinensischen Sache darstellen; wenn es jedoch um praktische Hilfeleistungen und Finanzen geht, werden sie meist sehr still. Es scheint als wären die arabischen Länder ermüdet, da sie zum einen selbst mit etlichen Problemen zu kämpfen haben und zum anderen, weil sie die Geduld mit der Palästinensischen Führung verlieren, da das Einzige was diese auszeichnet ist, dass sie die zahlreichen Friedensangebote stets ablehnt.

3 Kommentare

  1. “Unseriöser Journalismus” ist nicht zu vermeiden, ausgehend von dem Volkswort “eine halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge”. Denn auch den besten Journalisten ist es nie möglich, die ganze Wahrheit darzustellen.
    Was aber die Gerüchte der kompletten Umsiedlung von sogenannten Palästinensern angeht, so könnten stattdessen vernünftige PRIMA-KLIMA-Maßnahmen zur ausreichenden Bewässerung vom gesamten Sinai führen und damit Siedlungsgebiet in Hülle und Fülle bereitstellen.

  2. Das nennt sich Betroffenen-Berichterstattung. Diese löst inzwischen an immer mehr Stellen einen halbwegs seriösen Journalismus ab. Die Berichterstatterin, wie hier Susanne Brunner, wähnt sich als Jeanne d’Arc und die Klientel ist begeistert, weil sie Nachrichten bekommt, die auf ihre Erwartungshaltung und ihr Weltbild zugeschnitten ist.

  3. Unseriöser Journlismus:
    Frau Brunner unterliegt einem Kardinalfehler, den sie bei schneller Recherche hätte rausfinden können. Gemäß allen mir verfügbaren Schätzungen gibt es in Jordanien längst eine Mehrheit von etwa 75% Palästinensern, zu denen eben auch der ehem. Premierminister el Masri gehörte. El Masri bedeutet übrigens „der Ägypter“.
    1970, im schwarzen September gab es das Problem, dass die Palästinenser in Jordanien sich mit Jassir Arafat zu einer „kriegsführenden“ Macht hochgearbeitet hat und den König stürzen wollte. Arafat wollte in Jordanien einen „palästinensischen Staat“ errichten. Aber Hussein mit seinen treuen Beduinen-Kämpfern hat das mit einem Blutbad verhindert und Arafat in Richtung Syrien abgeschoben, von wo er nach Libanon ziehen musste, wo er dann einen Bürgerkrieg auslöste. Auch Israel half dem König, zumal Syrien einmarschieren wollte, um Jordanien zu schlucken.
    Um kriegerisches Durcheinander zu provozieren oder einen Putsch durchzuführen muss man nicht einmal eine Bevölkerungsmehrheit besitzen, siehe die Alawiten in Syrien.
    Frau Brunner sollte erst mal vernünftig recherchieren und nicht nur mit einem namenlosen Mann in einem Kaffeehaus in Amman reden und den dann als Kronzeuge für die Geschichte zitieren.
    Gruß Ulrich Sahm

Kommentarfunktion ist geschlossen.