Warum die Golanhöhen israelisch bleiben müssen

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Golanhöhen. Foto Staselnik , CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27635616
Golanhöhen. Foto Staselnik , CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27635616
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Die Entscheidung der amerikanischen Regierung, die israelische Souveränität über den Golan und damit den Status quo anzuerkennen, wird in Europa heftig kritisiert. Sie steigere die Gefahr eines weiteren Krieges im Nahen Osten, heisst es. Doch das stimmt nicht – vielmehr hätte die Rückgabe des Gebietes an Syrien weitaus dramatischere Konsequenzen: Sie würde die Existenz Israels unmittelbar gefährden. Auch der Bevölkerung auf den Golanhöhen würde sie schaden.

 

Ganz unabhängig davon, was Donald Trumps Motive waren, die Golanhöhen als Teil Israels anzuerkennen: Dass er dadurch «Fakten geschaffen» hat, wie seitdem vielfach zu lesen und zu hören ist, trifft weitaus weniger zu als die Feststellung, dass er Fakten akzeptiert hat. Und das nicht nur deshalb, weil das Gebiet lediglich 21 Jahre lang – nämlich von 1946, dem Jahr der Unabhängigkeit Syriens, bis 1967 – zu einem souveränen syrischen Staat gehörte, während Israel es nun schon seit 52 Jahren beansprucht. Sondern auch und nicht zuletzt, weil die Sicherheit des jüdischen Staates – wenn nicht sogar seine Existenz – extrem gefährdet wäre, wenn der Golan an Syrien zurückgegeben werden würde. Das hat schon die Geschichte gezeigt, in der Israel von diesem strategisch überaus wichtigen Bergzug aus immer wieder angegriffen wurde oder – wie vor dem Sechstagekrieg, einem Notwehrkrieg Israels, der schliesslich zur Eroberung des Golans durch die israelische Armee führte – attackiert werden sollte.

Die israelische Besetzung des Golan ist also «ein Ergebnis mehrerer arabischer Angriffskriege», wie Clemens Wergin auf Welt Online resümiert, um die Frage anzuschliessen: «Wie viele Kriege müssen arabische Staaten eigentlich gegen Israel führen und verlieren, bis sie den Anspruch auf das dabei verloren gegangene Territorium verspielen?» Zu Recht weist Wergin darauf hin, dass die relevante UN-Resolution 242 aus dem Jahr 1967 die «Rückgabe von besetzten Gebieten» an einen «gerechten und dauerhaften Frieden» bindet, was die «Anerkennung der Souveränität, territorialen Unversehrtheit und politischen Unabhängigkeit eines jeden Staates in der Region und seines Rechts, innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen frei von Androhungen oder Akten der Gewalt in Frieden zu leben», einschliesst.

Es lässt sich schwerlich behaupten, dass Syrien und die anderen arabischen Staaten – ausgenommen Ägypten und Jordanien, mit denen Israel später Friedensverträge schloss – dieser Verpflichtung nachgekommen sind. 1973 gab es erneut einen arabischen Angriff auf Israel, den Jom-Kippur-Krieg; einige Jahre danach annektierte der jüdischen Staat den von ihm kontrollierten Teil des Golans. Das heisst: «Der Verstoss der Araber gegen die UN-Resolution 242 wurde von israelischer Seite mit einem eigenen Verstoss beantwortet», wie Clemens Wergin zusammenfasst. Inzwischen haben der Iran und die libanesische Terrororganisation Hisbollah in Syrien in der Nähe der Grenze zu Israel militärische Stellungen platziert, die eine reale, sehr konkrete Gefahr für den jüdischen Staat sind und nicht bloss Symbolpolitik. Man kann sich leicht vorstellen, um wie viel prekärer sich die Situation für Israel darstellen würde, wenn die Golanhöhen wieder syrisch wären.

Kaum arabische Proteste gegen Trumps Entschluss

Dabei hätte es Ende der 1990er Jahre dazu kommen können, wie sich der Publizist Thomas von der Osten-Sacken erinnert: «Damals nämlich verhandelten Syrien und Israel über die Rückgabe des Bergzuges und über ein mögliches Friedensabkommen. Noch war die zweite Intifada nicht ausgebrochen, der Oslo-Prozess stockte zwar, schien aber unaufhaltsam. Und in dieser allgemeinen Stimmung herrschte der Eindruck vor, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis der Golan an Syrien zurückgegeben werden würde. Einzig einen kleinen Uferstreifen am östlichen Ufer des Sees Genezareth wollte Israel behalten und bot dafür sogar einen Landtausch an.» Es kam bekanntlich anders. Denn Hafiz al-Assad, der Vater des heutigen syrischen Präsidenten, brach die Gespräche ab; Jassir Arafat liess wenig später die Friedensverhandlungen mit Israel in Camp David platzen und setzte die zweite Intifada mit ihren Selbstmordattentaten in Gang.

Ein Wintertag in den Golanhöhen im Januar 2019. Foto Maor Kinsbursky/Flash90

Im Nachhinein dürfte die israelische Regierung froh gewesen sein, die Macht über den Golan nicht abgegeben zu haben. Und solange die Situation in Syrien so bleibt, wie sie ist – insbesondere mit Blick auf den immensen, brandgefährlichen iranischen Einfluss dort –, wird das syrische Regime zu keinem Frieden mit Israel bereit sein. Sollte sich das irgendwann einmal ändern, wird die amerikanische Anerkennung der Golanhöhen als israelisches Territorium ganz gewiss keine unüberwindliche Hürde sein. Einstweilen aber ist es für den jüdischen Staat von vitalem Interesse, das Gebiet zu kontrollieren – und das sieht nicht nur die Regierung so, sondern auch die Opposition. Im Unterschied zu den Palästinensergebieten gibt es beim Golan keine nennenswerten Differenzen zwischen den verschiedenen politischen Parteien und Strömungen in Israel. Dort weiss jeder, was drohen würde, wenn man die Golanhöhen zurückgäbe.

Anders, als es in vielen Medien behauptet wurde, ist der amerikanische Schritt übrigens keineswegs dazu geeignet, den Nahen Osten noch stärker in Aufruhr zu versetzen oder gar den vielbeschworenen «Flächenbrand» zu entfachen. «Bis auf ein paar von Assad kontrollierte Drusen ging bislang niemand wegen der Entscheidung in der Region auf die Strasse», wie Thomas von der Osten-Sacken feststellt. «Im Gegenteil wundert sich etwa die New York Times, wie wenig Kritik bislang aus den Hauptstädten der arabischen Welt zu hören war.» Darüber hinaus gilt, was Stefan Frank festhält: «Das ist der Schlüssel zum Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn: Israel muss so stark sein, dass niemand sich traut, es anzugreifen.»

Eine Rückgabe des Golans würde die Kriegsgefahr erhöhen

Eine Rückgabe des Golans würde den jüdischen Staat nicht nur strategisch schwächen, sondern es wäre, so Frank, «auch ein verheerendes Signal an Israels Feinde: dass die Ergebnisse von 1967 rückgängig gemacht werden können. Wenn das möglich ist, dann, so würden sie denken, kann auch das Ergebnis des Krieges von 1948 rückgängig gemacht werden. Und wenn das möglich ist, dann, so würden sie denken, kann auch Israels Gründung rückgängig gemacht werden.» Diesem Signal wirkt der jüdische Staat entgegen, auch dadurch, dass es Pläne gibt, den dünn besiedelten Bergzug – auf dem rund 22.000 jüdische Israelis und etwa 25.000 Drusen leben – stärker zu bevölkern und ihn unabhängiger von der Landwirtschaft und dem Tourismus zu machen, etwa durch die Ansiedlung von Industrie und Hi-Tech-Zentren. Auch die Infrastruktur könnte ausgebaut werden, inklusive Schnellstrassen und Bahnverbindungen.

Es wären Massnahmen, die der auf dem Golan lebenden Bevölkerung zugutekämen. Eine Rückgabe des Gebietes an Syrien würde das Gegenteil bewirken – und die Gefahr eines Krieges gegen Israel massiv erhöhen. Schon deshalb ist die Kritik an Trumps Entschluss wohlfeil und die Weigerung der Europäischen Union, die israelische Souveränität über die Golanhöhen anzuerkennen, nicht zielführend. «Ein Staat hat seine Interessen», schreibt Stefan Frank zu Recht. «Deutschland und die EU haben Interesse an guten Beziehungen zu den Despoten am Persischen Golf, Israel hat das Interesse zu überleben. Israels einzig sichere Grenze zu Syrien – ob anerkannt oder nicht – ist der Golan.» Ginge es nach der deutschen Bundesregierung und der EU, dann «wäre das Ostufer des Sees Genezareth in den letzten Jahren abwechselnd von Bashar Assad, von der Al-Nusra-Front und von der Hisbollah kontrolliert worden». Eine abscheuliche Vorstellung.

Über Alex Feuerherdt

Alex Feuerherdt ist freier Autor und lebt in Köln. Er hält Vorträge zu den Themen Antisemitismus, Israel und Nahost und schreibt regelmässig für verschiedene Medien unter anderem für die «Jüdische Allgemeine» und «Mena-Watch». Zudem ist er der Betreiber des Blogs «Lizas Welt». Gemeinsam mit Florian Markl ist er Autor von »Vereinte Nationen gegen Israel«, erschienen bei Hentrich & Hentrich 2018.

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1 Kommentar

  1. Dazu kommt noch, dass die Golan-Höhen seit weit über 2000 Jahren zu Eretz Israel, also zum britischen Mandatsgebiet “Palästina” gehören. Erst im Rahmen eines Deals mit Frankreich im Jahr 1923 gelangten sie in den Machtbereich der französischen Besatzer und wurden somit später an Syrien abgegeben. Somit ist das Volk Israel der rechtmäßige Inhaber der Golanhöhen.

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