Die zwei Vorstellungen der Amerikaner von Israel

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Tamika Mallory, Carmen Perez, und Linda Sarsour in Washington, D.C. Foto Stephen Melkisethian. https://www.flickr.com/photos/stephenmelkisethian/17029930767 (CC BY-NC-ND 2.0)
Tamika Mallory, Carmen Perez, und Linda Sarsour in Washington, D.C. Foto Stephen Melkisethian. https://www.flickr.com/photos/stephenmelkisethian/17029930767 (CC BY-NC-ND 2.0)
Lesezeit: 5 Minuten

Oberflächlich betrachtet geht es bei der Spaltung der amerikanischen Gesellschaft im Hinblick auf den Status Israels in der US-Politik um die Rolle der Juden als einer Minderheit. Der einen Sichtweise nach werden Juden mehr und mehr als weiss, wohlhabend und mithin von Natur aus rassistisch betrachtet, mit unentschuldbaren Verbindungen zu einem Staat Israel, der ein Aussenposten des imperialen Westens ist.

 

von Dr. Alex Joffe und Dr. Asaf Romirowsky

Israel ist, wie Michelle Alexander es in der New York Times ausdrückte, “eine der grossen moralischen Herausforderungen unserer Zeit“. Das hat grosse Auswirkungen für die Politik. In den Worten von Linda Sarsour, einer der Co-Organisatorinnen des Frauenmarsches:

Wenn du auf der Seite des Unterdrückers stehst oder den Unterdrücker verteidigst oder sogar versuchst, den Unterdrücker zu vermenschlichen, dann ist das ein Problem, Schwestern und Brüder, und wir müssen dazu in der Lage sein zu sagen: Das ist nicht die Position der muslimischen amerikanischen Community.“

Laut der anderen Sichtweise sind die amerikanischen Juden eine vorbildliche Minderheit – gebildet, sozial engagiert, philanthopisch, idealistisch – und mit ihren Geschwistern im alten Heimatland verbunden, das auf einzigartige Weise bedroht wird und das die Quelle der Bibel ist. Wie Senator Ted Cruz es ausdrückte:

„Das Land Israel war der Geburtsort des jüdischen Volkes … Hier wurde seine spirituelle, religiöse und politische Identität geprägt. Hier erlangte es erstmals Staatlichkeit, schuf kulturelle Werte von nationaler und universeller Bedeutung und gab der Welt das ewige Buch der Bücher.“

Das ist nicht weit weg von der Anschauung, die der ehemalige US-Präsident John Adams 1808 zum Ausdruck brachte, als er schrieb, die Juden seien

die glorreichste Nation, die je die Erde bevölkert hat. Die Römer und ihr Reich waren nur Tand, verglichen mit den Juden. Sie haben drei Vierteln der Erde Religion gegeben und die Geschicke der Menschheit stärker und mehr zum Guten beeinflusst als jede andere Nation der Antike oder Moderne.“

Israel wird in den Vereinigten Staaten weiterhin als Stellvertreter sowohl des Guten als auch des Bösen angesehen. Auf der einen Seite des Spektrums gibt es die Vorstellung, Israel strebe auf unverzeihliche Art nach Vorherrschaft, gründe auf dem Plan einer „ethnisch reinen“ Nation und wolle teilen und herrschen. Nationalismus gilt dort als eine rassistische Ansicht, die Gerechtigkeit für alle unmöglich mache. Wer Nationalismus verteidigt, gilt als Rassist, der sich hinter Mauern versteckt. Somit ist klar, wer der Schurke ist. Wie Filmemacherin Rebecca Pierce es ausdrückte:

„Trumps rassistische Grenzmauer, die Politik, auf angebliche Steinerwerfer zu schiessen und der Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem, das alles ist von Israels rassistischem Regime inspiriert.“

Der Gegensatz dazu ist die Vorstellung, wonach Nationen eine gute Sache sind und sich verteidigen müssen, manchmal auch mit Mauern wie an der israelischen Grenze zur West Bank. „Israel hat eine Mauer gebaut, die ist zu 99,9 Prozent erfolgreich“, sagte Präsident Trump. Dass Israels „Mauer“, die gebaut wurde, um Selbstmordbomber aussen vor zu halten, zum grössten Teil ein Zaun ist, ist eine ironische Bestätigung der „Mauer“-Metapher.

Während „kein Mensch illegal ist“, haben Juden staatenlos zu bleiben.

Traurigerweise wird Amerikas ziviler Nationalismus selbst von denen, die hinter ihm stehen, selten artikuliert und gegen eine solch zynische Ablehnung der Idee der Nation verteidigt, wie sie von Tamika Mallory, der Mitorganisatorin des Frauenmarsches kam. Auf die Frage, ob Juden „Eingeborene“ ihres Landes seien und Israel ein „Recht, zu existieren“ habe, antwortete sie: „Ich habe nicht das Gefühl, dass jeder das Recht hat, auf Kosten einer anderen Gruppe zu existieren.“ Während „kein Mensch illegal ist“, haben Juden staatenlos zu bleiben.

Gegen diese Vision steht die einer Nation als einer eingehegten und regierten Entität, vereint durch die Geschichte und einen Glauben an individuelle Freiheit und Glaubensfreiheit; sie steht für die Ideale von Republik, Bürgerschaft und Selbstverteidigung und ist, wie Thomas Jefferson es 1820 einem jüdischen Briefpartner schrieb,

„die dankbare Reflexion, dass jemandes eigenes Land das erste war, das der Welt den Beweis zweier Wahrheiten erbracht hat, die für die menschliche Gesellschaft sehr heilsam sind: dass Menschen in der Lage sind, sich selbst zu regieren und dass Religionsfreiheit das beste Gegengift gegen religiösen Zwist ist; die Maxime der zivilen Regierung ist das Gegenteil von Religion: „Wir stehen geteilt, vereint fallen wir“.

Das alte Israel ist ein Prüfstein: Man trennt sich von ihm oder hält daran fest. Das moderne Israel ist die Schimäre, die besiegt werden oder der mystische Verbündete, den man unterstützen muss. Die eine Vision ist unstetig und bricht mit der Vergangenheit, um die Zukunft zu kontrollieren. Die andere verbindet sich mit der Vergangenheit, um von ihr geprägt und eingeengt zu werden.

Antisemitismus ist immer ein Rorschachtest dessen, was in der jeweiligen Zeit verhasst ist. Zu oft werden Juden, die sich selbst und ihre Brüder in Israel schützen, als ein Hindernis des Fortschritts dargestellt. Dieser von Islamisten und radikalen Linken geteilten Geisteshaltung entspringen die jüngsten Anschuldigungen: die einer immerwährenden Verschwörung, Opposition gegen Israel „zum Schweigen zu bringen“; die, wonach Martin Luther King das heutige Israel als die „grosse moralische Herausforderung unserer Zeit“ verurteilt und Boykotte unterstützt hätte; oder dass die Fensterscheiben eines „zionistischen Gentrifizierungscafés“, das von einem Mann geführt wird, der Kommentare gepostet hat wie „Ich bin so stolz auf Israel und sein Volk“, eingeschlagen werden sollten und dass vor dem Restaurant protestiert werden sollte mit Slogans wie „Zionisten raus aus Israel und Zionisten raus aus Mission [ein Szeneviertel in San Francisco; Anm. d. Übers.] !!!“

Da das moderne Israel, der postmoderne Mythenort, im absoluten Zentrum aller Angelegenheiten steht, griff die „Intersektionalität“ von den amerikanischen Universitäten auf die grössere Politik über und erreichte alles, von den Lehrplänen der Schulen bis zu Sitzungen des Stadtrats. Doch der Idee, dass Israel – idealisiert, missverstanden, modern – dem Kern der amerikanischen Erfahrung nahesteht, kann man sich nicht entziehen. Vielleicht würde ein besseres Verständnis Israels, sowohl des alten als auch des modernen, den Amerikanern helfen, eine Vorstellung ihrer eigenen Nation zu entwickeln.

Alex Joffe ist Archäologe und Historiker. Asaf Romirowsky ist Direktor von Scholars for Peace in the Middle East (SPME). Beide schreiben regelmässig für das BESA Center und das Middle East Forum. Auf Englisch erschienen bei Begin-Sadat Center for Strategic Studies. Übersetzung Audiatur-Online.

1 Kommentar

  1. Die zwei Vorstellungen der Amerikaner von Israel
    Man darf nicht vergessen, dass der Staat Israel die Erfüllung von einer Prophetie ist. 67 Prophetien sprechen von der Rückkehr vom Jüdischen Volk in IHR Land (ein Beispiel Jeremia 30:10). Diese Erfüllung läuft vor unseren Augen ab.
    Da nützt das ganze Geklatsche der Nationen NICHTS und wird auch in Zukunft NICHTS nützen – im Gegenteil, der diesen “Laststein” wegheben möchte, wird sich daran wund reissen (Sacharja 12:3).

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