“Dschihad als Schicksal, die Schweiz als Ziel?”

Rezension zu Rouiller, Jean-Paul und François Ruchti: Le djihad comme destin, la Suisse pour cible?: enquête sur les réseaux islamistes, Favre 2016.

0
IS Flagge in St.-Romain-au-Mont-d'Or, Rhone-Alpes, Frankreich. Foto Thierry Ehrmann - https://www.flickr.com/photos/home_of_chaos/16577868748, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=46405403
IS Flagge in St.-Romain-au-Mont-d'Or, Rhone-Alpes, Frankreich. Foto Thierry Ehrmann - https://www.flickr.com/photos/home_of_chaos/16577868748, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=46405403
Lesezeit: 3 Minuten

Jean-Paul Rouiller, ehemals leitender Beamter für Terrorismusbekämpfung beim Schweizer Bundesamt für Polizei und jetziger Experte für Terrorismus beim Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik, und der Journalist François Ruchti verfolgen in ihrem im April 2016 erschienen Buch «Le Djihad comme destin – La Suisse pour cible» das Unterfangen, eine Geschichte dschihadistischer Netzwerke in der Schweiz zu schreiben.

Schnell wird in seinem Buch klar: Das Problem der Schweiz mit dem Dschihadismus begann keineswegs mit der Ausreise junger Dschihadbegeisterter in das Gebiet des sogenannten Islamischen Staates, sondern wesentlich früher. Rouillers Darstellung zeigt, dass die Schweiz eng mit den Propaganda- und Rekrutierungsnetzwerken des Dschihadismus in den französischsprachigen Ländern verknüpft ist.

Das Buch beginnt mit dem Fall eines jungen Bielers, der 2005 in den Irak geht, um als Terrorist für den lokalen Ableger der Al-Qaida zu kämpfen und schliesslich zu sterben. Gleichzeitig wird in einer kleinen Freiburger Ortschaft das führende Propagandaportal der Al-Qaida betrieben. Das Portal wird schliesslich von der Polizei stillgelegt und die beiden Betreiber im ersten Schweizer Prozess aufgrund des Al-Qaida-Verbots verurteilt. Diese Ereignisse waren Auswüchse eines Netzwerks des Dschihadismus in der Schweiz. Dieses Netzwerk, so die These des Autors, blieb intakt und war massgeblich für die Rekrutierung und Koordination von Schweizer Terroristen verantwortlich, die sich dem IS anschlossen. Von diesen erlangten einige hohe Positionen innerhalb der militärischen Hierarchie des IS.

Ein zentraler Knotenpunkt dieses Netzwerks, so Jean-Paul Rouiller, ist Biel und die Al-Rahman Moschee, mit der sowohl die politische Szene des Islamismus in der Form des IZRS als auch jene Jihad-Reisender verknüpft sind. Für Rouiller beweist der Fall der Schweiz, dass das Phänomen des Dschihadismus in Europa nicht hinreichend durch eine soziale Marginalisierung oder durch eine koloniale Vergangenheit erklärt werden kann, wie sie gerade im französischen Kontext immer wieder bemüht werden. Vielmehr schreibt der Autor dem Wirken dieses dschihadistischen Untergrundnetzwerkes und gewisser Schlüsselpersonen die zentrale Rolle für die Rekrutierung von Terroristen in der Schweiz zu.

“Le Djihad comme destin la suisse pour cible ? Enquête sur les réseaux islamistes.” Buchcover

Rouiller plädiert für eine nachhaltige Stärkung der Polizei- und Nachrichtendienste um die Gefahr des dschihadististischen Terrorismus für die Schweiz zu bannen– mit der Annahme des Nachrichtendienstgesetzes im Herbst 2016 wurde diese Forderung in der Zwischenzeit partiell erfüllt.

Das Buch von Rouiller liefert eine informative und wichtige Grundlage für die weitere Erforschung der Phänomene des Islamismus und Terrorismus in der Schweiz. Die meisten Fälle, die Rouiller diskutiert, beschäftigen sich mit der französischen Schweiz und Biel. Ein analoges Buch zur dschihadistischen Szene in der Deutschschweiz fehlt noch. Auffallend ist auch, dass zahlreiche Dschihadisten aus der Schweiz einen nordafrikanischen, oft einen tunesischen Hintergrund haben. Interessant wäre es hier, die Frage zu ergründen, inwiefern die Schweizer Praxis, nordafrikanischen Islamisten insbesondere der Ennahda Bewegung während den 1990er Jahren Asyl zu gewähren, die Terrorgefahr nachhaltig erhöht hat. Es ist zu hoffen, dass die Schweiz in ihrer gegenwärtigen Flüchtlingspolitik nicht die Fehler von damals wiederholt.

Über Daniel Rickenbacher

Dr. Daniel Rickenbacher ist Kreitman Postdoctoral Fellow an der Ben Gurion Universität in Israel, wo er zur Geschichte des Pan-Islam während der Mandatsperiode forscht. Zuvor arbeitete er als Research Associate am Concordia Institute for Canadian Jewish Studies in Montreal und als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Strategische Studien an der Schweizer Militärakademie (MILAK) der ETH Zürich.

Alle Artikel