Goldener Bär für Israel – Nationale Ehre oder ein Bärendienst?

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Foto Times, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3572105
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Die französisch-israelisch-deutsche Produktion “Synonymes” wurde bei den Berlinale Awards mit dem Goldenen Bären für den besten Film ausgezeichnet. Der Streifen erzählt die Geschichte eines jungen Israelis in Paris, der so schnell wie möglich seine Nationalität loswerden möchte. Selbst Staatspräsident Reuven Rivlin gratulierte. Aber wurde hier wirklich nur filmische Klasse ausgezeichnet?

 

Der Film wurde von dem Israeli Nadav Lapid geschrieben und inszeniert. Er erzählt die Geschichte eines jungen Mannes aus Israel, der nach Paris flüchtet, um seiner Muttersprache und seinem Land zu entfliehen. Er will so schnell wie möglich seine Nationalität loswerden. Israeli zu sein, ist für ihn wie ein Tumor, der herausoperiert werden muss, heisst es auf der Website der Internationalen Filmfestspiele Berlin. Die Story ist angelehnt an Lapids eigene Biografie. Der Regisseur wurde 1975 in Tel Aviv geboren, zog nach seinem Militärdienst nach Paris und wieder zurück.

Alan Posener zitiert dazu auf Facebook Milen Maximoff:

“Ziemlich makaber: am Tag an dem in Paris der jüdische Philosoph Alain Finkielkraut von antisemitischen “gelben Westen” tätlich angegriffen, wüst beschimpft und dabei gefilmt wurde, verleiht die Berlinale den Goldenen Bären einem im Kern anti-israelischen Film, dessen Hauptheld aus Hass auf Israel (das Land, wofür er Attribute wie schäbig, obszön, verabscheuenswert, alt, böse, barbarisch. ekelerregend, beklagenswert, parat hält) nach Paris zieht, um unter grössten Anstrengungen alles Hebräische an und in sich auszumerzen! Und alle singen Lobeshymnen auf diesen vulgären und abstossenden Film. Was für Zeiten!”

Das Phänomen, eine Sprache mit dem „Bösen“ und einem ganzen Land gleichzusetzen, ist nicht ganz neu.

In Israel gibt es Holocaustüberlebende, die ihre deutsche Muttersprache nicht mehr sprechen oder hören wollen. Worte wie „Achtung“ oder „raus“ lassen bei ihnen das Blut gerinnen. Manche können sich nicht vorstellen, noch einmal ihre alte Heimat zu besuchen oder dort auch nur zu übernachten, selbst wenn sie aus geschäftlichen Gründen für ein wichtiges Treffen oder für einen Vortrag dorthin fliegen.

Auch für die Weigerung, als jüdischer Israeli die hebräische Sprache zu verwenden, gibt es Beispiele. Einerseits die extremistische Sekte der Neturei Karta. Sie betrachtet die Errichtung eines jüdischen Staates vor der Ankunft des Messias als eine schlimme Gotteslästerung. Die Hebräische Sprache dürfe nur für das Gebet und im Gottesdienst benutzt werden, nicht aber im Alltagsleben. Ihr verstorbener Anführer, Rabbi Mosche Hirsch, war sogar Mitglied im Kabinett der PLO unter Jassir Arafat und hatte den Auftrag, die Zerstörung Israels voranzutreiben. Als Arafat erstmals in Jericho einzog, trat Rabbi Hirsch auf die Bühne, um den PLO-Chef zu umarmen. Der Spiegel und andere deutsche Medien bejubelten das als ein Symbol für die „Versöhnung“ zwischen Judentum und Palästinensern. Doch wer sich auskannte, der wusste, dass es sich hier eher um ein Bündnis des Teufels handelte.

Ein weiteres prominentes Beispiel liefert der schlimmste Verräter der Geschichte Israels: Mordechai Vanunu. Der frühere Techniker im Atomreaktor von Dimona hatte 1986 der britischen Zeitung Sunday Times gegen Geld Geheimnisse der angeblichen Atom-Fabrik mitsamt Fotos vom Kontrollraum geliefert. Vanunu wurde vom israelischen Geheimdienst nach Rom gelockt, dort gekidnappt und auf einem Schiff nach Israel entführt. Ein Gericht verurteilte ihn wegen Hochverrats zu 18 Jahren Einzelhaft. Nach seiner Entlassung erhielt er die Auflage, Israel nicht mehr zu verlassen und keine Journalisten zu treffen. Im Mai 2006 entdeckte ihn der deutsche Journalist Norbert Jessen in einer Ecke in der deutschen Erlöserkirche stehend. Jessen rief seinen Kollegen Ulrich Sahm und gemeinsam befragten wir ihn. Vanunu antwortete aus Prinzip auf Englisch, weil er sich aus Hass auf Israel weigerte, Hebräisch zu sprechen. Der aus Marokko stammende Techniker konnte eigentlich keine Fremdsprache. Die auf Hebräisch gestellte Frage, warum er ausgerechnet in die Erlöserkirche komme, beantwortete er auf Englisch mit dem absurden Satz: „Weil ich deutsche Oper so sehr mag“.

Zurück zum Film. „Synonymes“, da sind sich fast alle Kritiker einig, wird wohl eher kein Kassenhit: Zu viel Hass auf die eigene Identität, zu kopflastig, zu überladen mit Symbolik. Wenn ein französischer Filmemacher versucht hätte, mit einer Produktion anzutreten, wo ein verrückter Franzose mit einem Wörterbuch durch Tel Aviv rennt und sich aus Hass auf Frankreich weigert, Französisch zu sprechen, so wäre er wohl kaum prämiert worden.

Für die Qualität des israelischen Films stehen eher Produktionen wie „Fauda“: Die Serie lässt selbst grosse US-amerikanische Produktionen wie “Game of Thrones” und “House of Cards” bei den Einschaltquoten weit hinter sich. Klug, facettenreich und spannend. So wie Israel selbst.

Über Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm, Sohn eines deutschen Diplomaten, belegte nach erfolgtem Hochschulabschluss in ev. Theologie, Judaistik und Linguistik in Deutschland noch ein Studium der Hebräischen Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1975 ist Ulrich Sahm Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien und berichtet direkt aus Jerusalem.

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