Das Märchen von der moderaten Fatah

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Fatah Kundgebung im Januar 2019. Foto Facebook / Fatah
Fatah Kundgebung im Januar 2019. Foto Facebook / Fatah
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Die angeblich so gemässigte Fatah hat einen Sprecher für europäische Angelegenheiten, der Israel bei jeder sich bietenden Gelegenheit dämonisiert und delegitimiert. In einem libanesischen Fernsehsender hat er kürzlich sogar stolz auf die grosse Zahl getöteter Israelis hingewiesen und deutlich werden lassen, dass jedes israelische Entgegenkommen nur zu noch mehr palästinensischer Gewalt führt.

Es gehört zu den selten hinterfragten Grundannahmen in der Nahostdebatte, dass es sich bei der palästinensischen Fatah um eine moderate Partei handelt, auch wenn dieser Befund durch die Ergänzung des Wortes «vergleichsweise» bisweilen etwas eingeschränkt wird. Und auf den ersten Blick scheint das ja auch zu stimmen: Die Fatah wendet keine terroristischen Mittel mehr an, sie ist im Falle von Verhandlungen die Ansprechpartnerin für Israel und ausserdem Mitglied in der Sozialistischen Internationale, einem weltweiten Zusammenschluss sozialdemokratischer und sozialistischer Parteien. Doch bei genauerem Hinsehen stösst man auf Tatsachen, die die Qualifizierung der Fatah als moderat mehr als fragwürdig werden lassen. Das fängt schon beim Wappen an, an dem deutlich wird, dass die Fatah grundsätzlich weder auf die Option des «bewaffneten Kampfes» noch auf das Ziel verzichten will, den jüdischen Staat zum Verschwinden zu bringen. Die dort abgebildete Landkarte zeigt jedenfalls ein Palästina, das das gesamte israelische Territorium einschliesst.

Die Fatah befürwortet die Zahlung von Renten an palästinensische Terroristen, die in israelischen Gefängnissen einsitzen, respektive an deren Angehörige, und sie feiert es, wenn ein Terrorist ein israelisches Baby ermordet. Auch ihr Vorsitzender Mahmud Abbas ist längst nicht der gemässigte Politiker, als der er im Westen gehandelt wird. Er, dessen Doktorarbeit von 1982 den Titel «Die geheime Beziehung zwischen Nationalsozialismus und Zionismus» trug, unterstellt den Juden, die Shoa selbst verursacht zu haben, und behauptet, die dreitausendjährige Verbindung der Juden zu Israel sei eine Erfindung. Im Jahr 2015 sagte er, die Palästinenser würden es «nicht zulassen, dass Juden mit ihren schmutzigen Füssen unsere Al-Aqsa-Moschee beflecken», im Juni 2016 hielt er im Europaparlament eine Rede, in der er die alte antisemitische Lüge, die Juden vergifteten die Brunnen, erneut aufwärmte. Dass er den jüdischen Staat niemals anerkennen werde, gibt er regelmässig zu Protokoll.

Stolz auf die grosse Zahl getöteter Israelis

Und dann ist da noch Jamal Al-Nazzal, der Sprecher der Fatah für europäische Angelegenheiten. Er lebt in Deutschland und wird immer mal wieder zu Interviews und Veranstaltungen eingeladen, wo er dann beispielsweise sagt, das israelische Vorgehen gegen den «Grossen Rückkehrmarsch» der Palästinenser im vergangenen Jahr reiche für eine «Anklage wegen Völkermord», oder behauptet, Israel habe die Palästinenser aus Jerusalem «gewaltsam vertrieben und Massaker verübt». Wenn die Hamas, eigentlich die grosse Rivalin der Fatah, einen Krieg gegen Israel beginnt, findet Al-Nazzal, es sei «nicht die Zeit für eine Schuldzuweisung» an sie, sondern es müsse vielmehr über den «brutalen Angriff der viertstärksten Armee der Welt, nämlich der israelischen», gesprochen werden, weil diese Gaza in ein «zweites Grosny» verwandle. Nach den islamistischen Terroranschlägen im November 2015 erklärte der Europasprecher der Fatah: «Als Volk, das täglich von Israel angegriffen wird, verstehen wir das Leid der Verletzten und der Familien derer, die kaltblütig getötet wurden. Die Palästinenser kennen den bitteren Geschmack, geliebte Menschen zu verlieren, da die israelische Armee fast stündlich Zivilisten in Palästina tötet.»

Derartige Äusserungen sind nicht moderat, sondern eine Dämonisierung und Delegitimierung des jüdischen Staates. Doch wenn Jamal Al-Nazzal nicht auf Deutsch spricht, sondern auf Arabisch, wird es noch ärger – es bekommt in Europa nur kaum jemand mit. Das Middle East Media Research Institute (MEMRI), eine Organisation zur Beobachtung von Medien im Nahen Osten mit Sitz in der amerikanischen Hauptstadt Washington, hat einige Statements von Al-Nazzal dokumentiert, die besonders deutlich machen, wes Geistes Kind der Fatah-Funktionär ist. So entgegnete er beispielsweise im Januar 2011 in einem Interview des Senders Al-Jazeera auf die Vorhaltung, die palästinensischen «Kollaborateure» zu vertreten: «Die Zahl der 1982 von der PLO im Libanon getöteten [israelischen] Soldaten ist siebenmal so hoch wie die Zahl der in 30 Jahren von Hamas, Islamischem Dschihad und Hisbollah getöteten Soldaten.»

Je grösser das israelische Entgegenkommen, desto grösser der Terror

Knapp acht Jahre später wies er im libanesischen Sender Mayadeen TV erneut auf diese «Erfolgsbilanz» hin: «Wenn die israelische Besatzung in tausend Jahren zurückblickt, wird sie sich an keine heftigeren Schlachten erinnern als an jene, die sie gegen die Fatah-Bewegung, insbesondere im Libanon, geführt hat. Wir sollten Sieg oder Niederlage nicht allein an Zahlen messen, aber als Israel 1982 gegen die Fatah kämpfte, verlor es 676 Soldaten.» Doch damit nicht genug. «Manche sagen, dass nach den Osloer Abkommen der bewaffnete Kampf eingestellt wurde. Insbesondere nach diesen Abkommen wurde jedoch der palästinensische Widerstand unter der Führung der Fatah freigesetzt», sagte Al-Nazzal. Die härtesten Kämpfe zwischen Fatah und Israel hätten «nach den Osloer Abkommen stattgefunden, nicht vor ihnen», und zwar besonders während der zweiten Intifada, also zwischen 2000 und 2005. Das bedeute, so Al-Nazzal, dass die gescheiterten Verhandlungen von Camp David «den bewaffneten Widerstand der Fatah mit einer Heftigkeit hervorriefen, die vor den Osloer Abkommen noch nicht zu beobachten war».

Der Sprecher der Fatah für europäische Angelegenheiten macht hier etwas deutlich, das nur vordergründig paradox ist: Der Terror gegen Israel nahm immer dann signifikant zu, wenn der jüdische Staat ein besonders weitgehendes Entgegenkommen zeigte. So war es nach den Osloer Abkommen in den Neunzigerjahren, so war es nach den Gesprächen in Camp David und Taba, so war es nach dem Abzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen im Jahr 2005. Das heisst: Wann immer etwas geschah, das die Palästinenser einem eigenen Staat hätte näher bringen können, entschieden sie sich, darin ein Zeichen israelischer Schwäche zu sehen und alles auf die Option der Zerstörung des jüdischen Staates zu setzen. Statt einer Zweistaatenlösung peilten sie die Kein-Staat-Israel-Lösung an – mit Bomben, Selbstmordattentaten und Raketen. Um eine Koexistenz ging es ihnen nie, das hat Jamal Al-Nazzal noch einmal unumwunden klar werden lassen.

Besonders Medien und Veranstalter sollten das im Hinterkopf haben, wenn sie Al-Nazzal wieder einmal zu Wort kommen lassen möchten. Die Fatah und ihre Repräsentanten sind keineswegs moderat, sie verfolgen in erster Linie eine andere Taktik als die Hamas, um Israel in die Knie zu zwingen. Dass die israelische Regierung sie dennoch als Ansprechpartner sieht, liegt daran, dass es keine anderen gibt, die dafür infrage kämen. Aber ein Frieden ist auch mit der Fatah ganz gewiss nicht zu machen.

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Über Alex Feuerherdt

Alex Feuerherdt ist freier Autor und lebt in Köln. Er hält Vorträge zu den Themen Antisemitismus, Israel und Nahost und schreibt regelmässig für verschiedene Medien unter anderem für die «Jüdische Allgemeine» und «Mena-Watch». Zudem ist er der Betreiber des Blogs «Lizas Welt». Gemeinsam mit Florian Markl ist er Autor von »Vereinte Nationen gegen Israel«, erschienen bei Hentrich & Hentrich 2018.

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