Der Hamas-Plan zur Übernahme des Westjordanlandes

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Am vergangenen Wochenende feierte die Terror-Organisation Hamas ihren 31. Geburtstag. Foto Hamas
Am vergangenen Wochenende feierte die Terror-Organisation Hamas ihren 31. Geburtstag. Foto Hamas
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Es ist inzwischen klar, dass die Hamas für einige der kürzlich erfolgten Terroranschläge gegen Israelis im Westjordanland verantwortlich ist. Diese Angriffe dienen den Interessen der Hamas und ihrer Verbündeten und Geldgeber, insbesondere der Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Dschihad – und dem Iran.

 

von Khaled Abu Toameh

Die Hamas und ihre Verbündeten haben einen Plan und halten diesen noch nicht einmal geheim – sie wollen ihren „bewaffneten Kampf“ gegen Israel über den Gazastreifen hinaus ausweiten und langfristig die Kontrolle über das Westjordanland übernehmen.

Der jüngste Terroranschlag erfolgte am 9. Dezember nahe der Siedlung Ofra im Westjordanland, östlich von Ramallah. Unter den sieben Personen, die durch Schüsse aus einem vorüberfahrenden Fahrzeug verwundet wurden, befanden sich auch ein israelisch-kanadischer Einwohner, Amichai Ish-Ran, und seine schwangere Frau Shira. Das Baby, das infolge des Terroranschlags zu früh geboren wurde, starb am 12. Dezember, nachdem die Ärzte fast 72 Stunden gekämpft hatten, um sein Leben zu retten.

Die Hamas, die sich später zu dem Anschlag bekannte, war die erste palästinensische Gruppierung, die den Terroristen lobte. Bisher hat keine einzige palästinensische Gruppierung die Tat verurteilt, auch nicht die Fatah-Fraktion des regierenden Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas.

Repräsentanten der Hamas und mehrere palästinensische Gruppierungen, die den Schusswaffenangriff als „heldenhafte und bedeutsame Aktion“ bezeichneten, sagten, dies zeige, dass die palästinensischen „Widerstandskräfte im Westjordanland noch immer aktiv sind“. Zudem riefen sie die Palästinenser auf, die „Intifada (Aufstand) gegen Israel, insbesondere gegen Siedler und Soldaten der Israelischen Streitkräfte, zu verstärken“.

„Das Westjordanland hat die Initiative ergriffen, um Widerstand gegen die Besatzung zu leisten“, erklärte die Hamas in einer Mitteilung, die kurz nach dem Terroranschlag im Gazastreifen veröffentlicht wurde. Der Terroranschlag, so fügte die Hamas hinzu, „bestätigte das legitime Recht unseres Volkes, gegen die Besatzung Widerstand zu leisten, und das zu einer Zeit, da die Besatzer zusammen mit Israel versucht haben, unseren Widerstand zu kriminalisieren“.

Diese Aussage der Hamas enthält zwei wichtige Aspekte. Zum einen den, dass die Hamas und deren Verbündete offen und aktiv das Aufkeimen eines neuen, gegen Israel gerichteten Widerstands im Westjordanland unterstützen. Zum anderen den, dass durch das kürzliche Scheitern der UN-Generalversammlung bei dem Versuch, eine von den USA unterstützte Resolution zu verabschieden, welche die Hamas und andere palästinensische Gruppierungen für das Abfeuern von Raketen auf Israel und die Anstiftung zu Gewalt verurteilte, die Hamas und deren Unterstützer ermutigt wurden.

Der Traum der Hamas, ihre Ideologie auf alle Palästinenser zu übertragen, besteht schon seit ihrer Gründung vor 31 Jahren. Die Hamas hat kein Interesse daran, lediglich den Gazastreifen zu beherrschen. Sie will das Westjordanland, Jerusalem und das gesamte Land vom „Fluss [Jordan] bis zum [Mittel-]Meer“. Die Hamas glaubt nicht an Verhandlungen oder Friedensvereinbarungen. Vielmehr glaubt sie, dass muslimisches Land nur durch den Dschihad „befreit“ werden kann. Dieses Ziel ist ihren Aussagen zufolge der Grund dafür, warum sie auch weiterhin am „bewaffneten Kampf“ gegen Israel festhält.

Wie die Hamas ganz klar in ihrer Charta beschreibt:

„Die Islamische Widerstandsbewegung strebt danach, das Banner Gottes über ganz Palästina, jeder Handbreit davon, aufzupflanzen. Unter dem Islam können die Anhänger aller Religionen in Sicherheit für sich, ihren Besitz und ihre Rechte zusammenleben.“ (Artikel 6)

Die Charta der Hamas lässt keinen Zweifel daran, welche Methoden ihrer Meinung nach eingesetzt werden sollten, um den israelisch-arabischen Konflikt zu beenden:

„Es gibt keine Lösung für die Palästinenserfrage ausser den Dschihad. Initiativen, Vorschläge und internationale Konferenzen sind allesamt Zeitverschwendung und vergebliche Bemühungen.“ (Artikel 13)

Die Hamas-Charta, die heute relevanter denn je ist, besagt ausdrücklich, dass die Bewegung „überzeugt ist, dass das Land Palästina eine islamische Waqf (dt.: fromme Stiftung) ist, die bis zum Kommen des Jüngsten Tags künftigen Moslemgenerationen geweiht ist. Dieses Land – samt all seiner Teile – darf nicht verspielt werden: Es darf nicht, auch nicht teilweise, aufgegeben werden.“ (Artikel 11).

Auf dieser Grundlage ist es einfach zu verstehen, warum die Hamas auch weiterhin jeden Terroranschlag gegen Israel begeistert feiert – ob nun im Gazastreifen, dem Westjordanland oder innerhalb Israels. Die Hamas betrachtet diese „heldenhaften und mutigen Aktionen“ als Umsetzung ihrer Ideologie zur Ausübung des Dschihads zur „Befreiung des Landes Palästina“ an. Auch wenn die Terroristen, die die jüngsten Schusswaffenanschläge im Westjordanland verübt haben, nicht zur Hamas gehören, stimmen ihre Angriffe vollständig mit den erklärten Zielen und Bestrebungen der Hamas überein, deren wichtigstes darin besteht, Israel von der Landkarte verschwinden zu lassen.

Die Hamas hat gute Gründe dafür, nicht nur die Anschläge zu feiern, sondern auch die Ereignisse, die sie als eine Reihe von „Errungenschaften“ der letzten Wochen ansieht. Diese „Errungenschaften“ umfassen Barzuwendungen aus Katar in Höhe von 30 Millionen Dollar, die der Hamas in den letzten Wochen übergeben wurden, damit sie die Gehälter und Besoldungen für Zehntausende ihrer Angestellten und Unterstützer zahlen kann, sowie die Tatsache, dass die UN-Generalversammlung bei dem Versuch, eine Resolution gegen die Hamas zu verabschieden, scheiterte. Diese beiden Vorkommnisse halten die Anführer der Hamas bis zum nächsten Schusswaffenanschlag auf Israel bei Laune.

Die Gelder aus Katar wurden der Hamas im Rahmen informeller Absprachen zu einem Waffenstillstand im Gazastreifen übereignet. Zweck dieser Geldflüsse ist es, die humanitäre Krise im Gazastreifen zu lösen und das Ausbrechen einer weiteren grösseren militärischen Konfrontation zwischen der Hamas und Israel zu verhindern. Die Hamas hat jedoch bislang nichts unternommen, um die Gewalt – darunter auch wöchentliche Proteste, die im letzten März entlang der Grenze zu Israel begannen – zu beenden. Vielmehr erklärt die Hamas mittlerweile, dass die Demonstrationen fortgesetzt werden sollen – und es gibt gute Gründe, dies zu glauben. Des Weiteren meint die Hamas, dass sie keinen „politischen Preis“ für einen angeblichen Waffenstillstand hätte zahlen müssen.

Die Waffenstillstandsvereinbarungen zwischen der Hamas und Israel, die Berichten zufolge mithilfe der Vermittlungsbemühungen von Katar, Ägypten und der UN erreicht wurden, beziehen sich nur auf den Gazastreifen und haben nichts mit dem Westjordanland zu tun. Da diese Vereinbarungen auf den Gazastreifen beschränkt sind, meint die Hamas grünes Licht für die fortgesetzte Initiierung und Durchführung von Terroranschlägen vom Westjordanland aus zu haben, ohne dass man ihr vorwerfen könnte, sie verstosse gegen den Waffenstillstand.

Die UN, Katar und Ägypten hätten verlangen sollen, dass jegliche Waffenstillstandsvereinbarungen das Westjordanland miteinschliessen, wo die Hamas auch weiterhin über mehrere bewaffnete Terrorzellen und erhebliche Unterstützung verfügt.

Die von der Hamas organisierten Terroranschläge sind nicht nur eine Bedrohung für israelische Zivilisten und Soldaten; sie untergraben auch die vom Westen finanzierte Palästinensische Autonomiebehörde von Mahmoud Abbas. Jeder „erfolgreiche“ Terroranschlag der Hamas bringt ihr mehr Popularität im Westjordanland ein – auf Kosten von Abbas und dessen Regime.

Anscheinend haben Mitglieder und Unterstützer der Hamas das Scheitern der US-Resolution als Freifahrtschein der UN und der internationalen Gemeinschaft für die Fortsetzung ihres „Widerstands“ gegen Israel interpretiert. Sie betrachten das Versagen der US-Regierung als eine „grosse Errungenschaft“ – eine, die es den Palästinensern erlaubt, alle Formen des „Widerstands“ gegen Israel, einschliesslich des „bewaffneten Kampfs“, fortzusetzen. Es ist somit kein Zufall, dass die Hamas auf das Debakel bei der UN-Generalversammlung reagierte, indem sie schwor, auch weiterhin am „bewaffneten Kampf“ gegen Israel festzuhalten.

Jeder Dollar und jedes Zugeständnis an die Hamas werden lediglich deren Hunger auf die Fortsetzung ihres Plans zur Ausweitung ihrer Kontrolle über den Gazastreifen hinweg steigern. Aus Sicht der Hamas hat ihr Plan Legitimität von der UN und wichtigen Beteiligten aus der Region, wie Katar und Ägypten, erhalten. Solange die Hamas das Gefühl hat, sich auf dem richtigen Weg zu befinden, werden wir voraussichtlich einen Anstieg der bewaffneten Angriffe und anderer Formen der Gewalt im Westjordanland erleben.

Nun da die Hamas im Gazastreifen bekommt was sie will – Millionen an Dollar und kein Krieg mit Israel – will sie ihren Fokus auf das Westjordanland legen und das mit Hilfe ihrer Freunde in Teheran. Dies hat ein zweifaches Ziel: die Palästinensische Autonomiebehörde von Abbas zu untergraben oder zu stürzen, Israel schwere Verluste zuzufügen und jeden von der US-Regierung vorgelegten Friedensplan zu verhindern. Mit anderen Worten: die Hamas und der Iran haben jetzt das Westjordanland im Visier und dies ist nicht nur für Israel ein Grund zur Sorge, sondern auch für Abbas.

Khaled Abu Toameh ist ein preisgekrönter arabisch-israelischer Journalist und TV-Produzent. Auf Englisch zuerst erschienen bei Gatestone Institute. Übersetzung Audiatur-Online.

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