„Dem Zionismus das Rückgrat brechen“: Ein Abend im Zürcher „Kosmos“ (ohne Manal Tamimi)

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Foto Screenshot Youtube / Kosmos-Kultur AG
Foto Screenshot Youtube / Kosmos-Kultur AG
Lesezeit: 18 Minuten

73 Jahre nach der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau sollte die Palästinenserin Manal Tamimi, die öffentlich zum Judenmord aufruft, in Zürich über Israel sprechen. Dazu kam es nicht. Eine Videoaufzeichnung einer Veranstaltung, zu der Tamimi erst ein- dann ausgeladen wurde, und die dann schliesslich ohne sie stattfand, zeigt: Nicht nur durch offene Terrorverherrlichung im Stile Tamimis, sondern auch durch konsequentes Auslassen von Zusammenhängen, stetigem Messen mit zweierlei Mass und Verharmlosen von Gewalt lässt sich Stimmung gegen Israel machen.

„Ich hasse Israel, ich hasse Zionismus, ich wünsche mir, dass bald eine dritte Intifada kommt und die Menschen sich erheben und all diese zionistischen Siedler töten, überall.“ So redet Manal Tamimi, die Propagandaspezialistin eines berüchtigten Terroristen-Clans aus dem nördlich von Ramallah gelegenen 600-Einwohner-Dorf Nabi Saleh. Die Tamimis sind eine Firma der Fatah, die wie kaum eine andere politische Kraft in Judäa und Samaria die gesamte Bandbreite des militanten, auf die Zerstörung Israels gerichteten Kampfes abdeckt: Auf der einen Seite ist die wöchentliche, als „Demonstration“ getarnte Gewalt, mit der ein linksgerichtetes, westliches Publikum angesprochen wird – dafür sind die mittlerweile 17-jährige Ahed Tamimi (Spitzname: „Shirley Temper“) und ihre Brüder zuständig. Einige der älteren Mitglieder des Tamimi-Clans haben kaltblütig Menschen ermordet, darunter Kinder und Kleinkinder. Die ehemalige Nachrichtensprecherin Ahlam Tamimi etwa schickte im August 2001 einen Selbstmordbomber in die bei Familien beliebte Pizzeria Sbarro in Jerusalem und ist stolz darauf, acht Kinder ermordet zu haben. Manal Tamimi wiederum spinnt aus alldem Heldengeschichten des „Widerstands“ gegen die von ihr als Ratten oder Vampire dargestellten Juden.

Für Anfang September war Manal Tamimi zu öffentlichen Auftritten in die Schweiz und nach Deutschland eingeladen worden. Sie sollte etwa in dem von der Stadt Zürich finanzierten Kulturzentrum Karl der Grosse auftreten. Doch aus diesem Auftritt zumindest wurde nichts. Nachdem Audiatur-Online die Verantwortlichen mit zahlreichen Quellen darüber informiert hatte, wie Tamimi Juden und Israel dämonisiert und Gewalt verherrlicht, zog die Kultur-Direktion der Stadt Zürich die Reissleine: „Wir haben Ihre Hinweise und Einwände geprüft und werden die Veranstaltung nicht durchführen. Es entspricht unserer nachdrücklichen Haltung, dass wir bei Veranstaltungen im Karl der Grosse keinerlei rassistische, antisemitische oder gewaltverherrlichende Äusserungen dulden.“

Keine Antwort erhielt Audiatur-Online seinerzeit vom Zürcher Kulturhaus Kosmos, das ebenfalls einen Anlass mit der als „Frauenaktivistin“ vorgestellten Manal Tamimi geplant hatte, zu dem auch der Filmemacher Dror Dayan und Reto Rufer von Amnesty International eingeladen waren. Der Anlass fand statt – aber ohne Tamimi. Mittlerweile findet man ein eineinhalbstündiges Video der Veranstaltung im Internet. Es zeigt, wie verschiede Arten eines gegen Israel gerichteten Diskurses nahtlos ineinander übergehen: Vom Reden über Menschenrechte über eine als „Recht auf Widerstand“ codierte Verharmlosung von Terrorismus bis hin zum Appell, „dem Zionismus das Rückgrat zu brechen“.


Video Kosmos-Kultur AG / Youtube

Der Filmemacher Samir (Auf der Website von BDS Schweiz als Unterstützer des Boykotts von israelischen Produkten posiert), einer der Initianten des Kosmos, stellt den Moderator Daniel Hitzig als „Medien- und Kommunikationsverantwortlicher bei Alliance Sud, einem entwicklungspolitischen Thinktank“ vor. Als weitere Gäste begrüsst er die EAPPI-Aktivistin Margrith Nagel und Reto Rufer, einen Funktionär von Amnesty International.

Der Trailer eines Films von Dror Dayan – eines Regisseurs, der eingeladen war, aber nicht kommen wollte – wird gezeigt. Jemand im Film sagt: „Wir werfen Steine!“ Ein anderer: „Als erstes müssen sie den Zionismus aufgeben.“ „Selbstverständlich“, stimmt ein Dritter zu. „Besatzung ist im Kopf, nicht auf dem Boden“, sagt Manal Tamimi und fügt hinzu: „Wir können nicht aufhören. Nach allem, was wir geopfert haben, können wir nicht aufhören.“ Der Satz lässt an jemanden denken, der sich immer weiter in eine Höhle verläuft, weil er auf keinen Fall umkehren will – eine Taktik, die an diesem Abend viele Fürsprecher finden wird.

„Audiatur hat offen Antisemitismus unterstellt“

Dann hat Moderator Daniel Hitzig das Wort:

„Dass in diesem Podium weder der Filmemacher noch die palästinensische Protagonistin Manal teilnimmt, das hat eine Vorgeschichte, die Sie unseres Erachtens kennen sollten.“

Ursprünglich sei geplant gewesen, „hier und heute eine Diskussion mit zwei Protagonisten des Films zu führen, einerseits mit dem Filmemacher Dror Dayan, dem Israeli selbst, und mit der Protagonistin, der Hauptdarstellerin Manal Tamimi“. „Beide“, so Hitzig,

„wehren sich je mit ihren Mitteln gegen die israelische Politik. Und beide kämpfen sie quasi gegen die israelische Staatsdoktrin, den Zionismus, eine Heimstätte für Juden und Jüdinnen im ehemaligen Eretz Israel“.

Oft hört man Leute sich „Antizionisten“ nennen, doch selten wird in so klare Sprache übersetzt, was das bedeutet: den Juden ihre Heimstätte nehmen. An diesem Abend im Kulturhaus Kosmos wird kein Blatt vor den Mund genommen, hier sind Radikale unter sich, Manal Tamimi hätte sich wohl gefühlt. Dafür, dass sie nicht da ist, macht Hitzig überraschenderweise die Berichterstattung von Audiatur-Online verantwortlich:

„Als diese Veranstaltung erstmals publik gemacht wurde, hat sich die Plattform Audiatur mit einem Online-Artikel eingeschaltet. … Audiatur hat der Familie Tamimi offen Antisemitismus unterstellt und damit natürlich gleich die Veranstalter, also in diesem Fall das Kosmos, die Manal Tamimi zu Wort kommen lassen wollte, angegriffen.“

Keineswegs hat Audiatur-Online das Kulturhaus Kosmos angegriffen, dazu bestand damals ja noch gar kein Grund. Der Verfasser hat die Betreiber lediglich in einer E-Mail – auf die er nie eine Antwort bekommen hat – auf die antisemitischen und den Terrorismus verherrlichenden Äusserungen Tamimis hingewiesen. Für die Verantwortlichen des Kulturhaus Kosmos hätte es verschiedene Möglichkeiten gegeben, darauf zu reagieren. Wäre ihnen nicht bekannt gewesen, was für eine antijüdische Hetzerin Manal Tamimi ist, dann hätten sie sich dankbar zeigen müssen für die Warnung, die sie davor bewahrt, Manal Tamimi aufs Podium zu holen. Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, den Antisemitismus und die Terrorverherrlichung in Abrede zu stellen: Womöglich stammen die hetzerischen Tweets von einer ganz anderen Manal Tamimi, die mit der Person, die eingeladen war, nur den Namen teilt? Eine dritte Möglichkeit wäre, zu sagen: Ja, wir wissen, dass Manal Tamimi eine Terrorbefürworterin und Judenhasserin ist, und genau darum finden wir sie gut. Doch Hitzig kann sich nicht so recht entscheiden und so bleibt völlig unklar, welche Meinung er selbst und das Kulturhaus Kosmos zu Manal Tamimi haben. Irgendwie, das hört man heraus, hätte man sie schon gern eingeladen, doch aus unerfindlichen Gründen (die offenbar nichts mit Tamimis Antisemitismus und Befürwortung von Gewalt zu tun haben) hat man sich nicht getraut.

„Fakt ist“, so Hitzig, „dass sich Manal Tamimi in von Audiatur abgebildeten Tweets abfällig und kritisch über den jüdischen Staat Israel geäussert hat.“ Hier wäre es schön gewesen, wenn er ein paar Beispiele gezeigt hätte, damit die Zuschauer hätten selbst entscheiden können, ob etwa die Zeichnung einer Ratte mit Kippa, Schläfenlocken und Davidstern noch als kritisch oder schon als abfällig zu werten ist. Während vielleicht noch einige Zuschauer überlegen, was für Tweets das wohl gewesen sein mögen, bringt es Hitzig auf den Begriff, der „Widerstand“ heisst:

„Weder das Kosmos noch wir drei, die wir hier oben sind, wollen jedoch mit Antisemitismus in Verbindung gebracht werden, nur weil wir eben mit Leuten im Podium sitzen, die sich im Widerstand engagieren.“

Wenn Hitzig den „Widerstand“ gegen die Juden für so löblich hält, hätte er Manal Tamimi doch einladen sollen. Wer hat ihn davon abgehalten? Sicherlich nicht Audiatur-Online. Doch Hitzig will sich partout in der Opferrolle sehen:

„Die Erfahrung zeigt aber leider, dass genau das geschehen wäre, weil mit dermassen unlauteren Mitteln wird unserer Meinung nach die Auseinandersetzung in diesem Konflikt propagandistisch geführt. Wer sich für palästinensische Anliegen engagiert, wird sehr schnell des Antisemitismus verdächtigt oder bezichtigt.“

Ja, das geht schnell; mal eine Karikatur im „Stürmer“-Stil verbreitet, immer wieder mal Morde verherrlicht oder die Auslöschung Israels gefordert – das offenbar typische „Engagement“ für „palästinensische Anliegen“ eben –, schon wagt jemand Widerworte. Das Argument läuft darauf hinaus, dass ich (der Verfasser des Artikels, von dem Hitzig spricht) mich gar nicht an dem Antisemitismus gestört hätte (den ich in meinem Artikel gut dokumentiert habe), sondern bloss hätte verhindern wollen, dass sich jemand „für palästinensische Anliegen engagiert“. Hitzig bringt somit gleich alle vier Elemente der berühmten Livingstone-Formulierung. Laut dem britischen Soziologen David Hirsh sind dies:

  1. Sich weigern, den Inhalt der Anschuldigungen zu diskutieren, indem das Augenmerk stattdessen auf versteckte Motive für diese Anschuldigungen gerichtet wird.
  2. Die Gegenanschuldigung bringen, dass der Ankläger nicht etwa bloss im Irrtum sei, nicht einer Fehleinschätzung unterliege, sondern mit Absicht etwas Falsches sagt.
  3. Alles – Dämonisierung Israels, Unterstützung von Boykott und Antisemitismus – in der legitimen Kategorie „Kritik“ zusammenwerfen.
  4. Behaupten, dass diejenigen, die über Antisemitismus sprechen, dies deshalb tun, weil sie Teil eines geheimen Plans sind, solche „Kritik“ zum Schweigen zu bringen.

All das tut Hitzig, um sich als Opfer von Audiatur-Online darstellen zu können und nicht über Manal Tamimis Äusserungen reden zu müssen. Durch die Dokumentation von Äusserungen und Tweets Manal Tamimis darauf hinzuweisen, welche Geisteshaltung sie vertritt, das ist in Hitzigs Augen schon ein „unlauteres Mittel“. Hitzig nennt die journalistische Berichterstattung von Audiatur-Online „Propaganda“ und scheint selbst keinen blassen Schimmer zu haben, was Manal Tamimi den lieben langen Tag so treibt. Was ist ihr Metier, wenn nicht die Propaganda? Zwei Beispiele allein aus den letzten Tagen: Am 8. Dezember 2018 twitterte sie ein Foto, das dem Augenschein nach Rekruten der israelischen Armee zeigt, die die Fahnen ihrer Herkunftsländer hochhalten. Tamimis Kommentar: „Sie kommen aus aller Welt, um palästinensische Kinder zu töten.“ Am selben Tag verbreitete sie den Tweet eines Fake-Accounts, der durch die Verwendung des IDF-Emblems vorgibt, ein offizieller Account der israelischen Armee zu sein. In der Fake-Nachricht heisst es: „Unsere Truppen benutzen nun eine neue Art von Munition gegen die Palästinenser, sie enthält explosives Pulver und Säure.“ Tamimi kommentiert die Falschnachricht, als wäre sie echt: „Stolz darauf, Killer zu sein.“

Tamimi und Hitzig hätten sich gut verstanden, und warum das Kosmos sie eigentlich ausgeladen hat, bleibt rätselhaft. Wenn sie so eine weisse Weste hat, wie Hitzig glauben machen möchte, hätte es dazu ja gar keinen Grund gegeben. Wurde sie ausgeladen, obwohl ihr gar nichts vorzuwerfen ist? Die Zuhörer müssen sich von Hitzig verschaukelt gefühlt haben. Um zu zeigen, wie „schwierig“ die Lage des Kosmos angeblich sei, zitierte er auch noch „die Kritik vonseiten der Palästinener“, die das Kosmos dafür kritisiert hätten, „unsolidarisch“ zu sein und „sich von den Zionisten erpressen und in Geiselhaft nehmen“ zu lassen. Ein Journalist, der die Öffentlichkeit sachlich über eine bevorstehende Veranstaltung und die extremen, gewaltverherrlichenden Äusserungen der Vortragenden informiert, ist ein „Erpresser“ und „Geiselnehmer“ – wie war das noch mal mit dem „propagandistisch geführten Konflikt“? Doch Hitzig sieht sich als Opfer einer Keule, die wie ein Damoklesschwert Tag und Nacht über seinem Haupt schwebt:

„Also meine persönliche Meinung, und ich glaube, Margrith und Reto teilen sie, was wir wirklich nicht wollen, sind Steilpässe für die Antisemitismus…äh…keule zu spielen. Darum sind wir jetzt heute nur zu dritt. Denn schliesslich hat auch Dror Dayan seine Teilnahme am Podium aus Solidarität mit den Tamimis abgesagt und so sind wir jetzt eben hier nur zu dritt.“

Was hier auffällt, ist nicht nur das Herumeiern – das Publikum soll offenbar verwirrt werden und den Eindruck bekommen, nicht das Kulturhaus Kosmos selbst, sondern irgendwelche „Zionisten“ von Audiatur-Online hätten Manal Tamimi ausgeladen bzw. das Kosmos „erpresst“ – sondern auch, dass es Hitzig für eine ausgemachte Sache hält, dass von Manal Tamimi nichts anderes zu hören gewesen wären als eben „Steilpässe für die Antisemitismuskeule“, also judenfeindliche Aussagen. Vielleicht kennt er sie doch gar nicht so schlecht? Jedenfalls ist es nicht der Antisemitismus, vor dem er sich fürchtet, sondern die Kritik daran.

Dann gibt Hitzig noch seinem Wunsch Ausdruck, die Diskussion solle  „möglichst frei von Emotionen und Ressentiments geführt“ werden, „endlich von den Extremen weg, in die konstruktive Mitte geführt“. Dafür ist er selbst aber nun leider nicht der Richtige, wie er an dem Abend immer wieder unter Beweis stellt.

Die Frau in der Weste

Dann ist Margrith Nagel, die EAPPI-Aktivistin und Vertreterin des Café Palestine, an der Reihe. Sie spricht davon, „wie leidvoll der Alltag der Palästinenserinnen und Palästinenser“ sei. Beispiele dafür nennt sie nicht und wird auch nicht danach gefragt. Hitzig möchte stattdessen von ihr wissen, was sie, die „ökumenische Begleiterin“, denn so tut: „Die Leute aus dem Ausland wie du, was machen die vor Ort?“ Nagels Antwort: „Wir teilen den Alltag mit den Palästinenserinnen und Palästinensern, wir begleiten sie im Alltag, es geht darum eigentlich um Sehen und Gesehenwerden. Wir haben die Erfahrung gemacht – wir tragen eine Weste – dass wir durch diese Weste, dass es einen gewisse Zurückhaltung gibt vonseiten der Siedler und vonseiten des Militärs auf irgendwelche Übergriffe.“ Wieder nennt sie keine Beispiele für „Übergriffe“. Dass sie keine Übergriffe beobachten konnte, führt sie, nicht ohne Stolz, auf ihre Präsenz zurück – durch ihre blosse Anwesenheit habe sie das Schlimmste, das sonst zweifellos eingetreten wäre, verhütet:

„Wir haben z.B. gerade an Checkpoints festgestellt und das auch gehört von Palästinenserinnen und Palästinensern: Wenn ihr hier seid, ist es einfach schon ein bisschen besser. Es geht also auch um Schutz.“

Das Oslo-Abkommen, sagt Hitzig nun, „hat sich für die Leute von Nabi Saleh nicht wirklich ausgezahlt.“ An keiner Stelle des Abends ist es so schade, dass Manal Tamimi fehlt, wie an dieser. „Oslo“ wäre das Stichwort gewesen, um sie zu fragen, warum ihr Cousin Nizar Tamimi am 29. Oktober 1993 den Juden Chaim Mizarahi aus Beit-El (zehn Kilometer südöstlich von Nabi Saleh) auf einer Hühnerfarm bei Ramallah in den Kofferraum seines Autos gesperrt und bei lebendigem Leib angezündet hat. War der Mord die Antwort auf das sechs Wochen zuvor unterzeichnete Oslo-Abkommen? Es wäre freilich eine Frage, die Hitzig nie in den Sinn käme. Und so geht es weiter mit der Mär von den gewaltfreien Tamimis: Nein, das Oslo-Abkommen habe sich für die Leute in Nabi Saleh nicht ausgezahlt, pflichtet Nagel bei. „Sie haben eigentlich nur die Chance, einen gewaltfreien Widerstand zu machen“.

Meistens geht es um Steinewerfen. Das ist dann eben ihre einzige …das ist eine symbolische Waffe, um zu zeigen: Wir wollen euch da nicht, geht weg.

Zum gewaltfreien Widerstand gehört für Nagel das Steinewerfen. Sie beklagt, dass von „600 Einwohnenden in Nabi Saleh“ „500“ schon im Gefängnis gesessen hätten, „darunter 35 Kinder“. Alle völlig unschuldig? Nicht ganz: „Meistens geht es um Steinewerfen. Das ist dann eben ihre einzige … das ist eine symbolische Waffe, um zu zeigen: Wir wollen euch da nicht, geht weg.“ Die Araber wollen die Juden nicht, darum werfen sie symbolisch Steine. Für eine echte Waffe hält Nagel die Steine – die übrigens in der Regel nicht „geworfen“, sondern mit Schleudern und zum Teil in den Boden eingelassenen Zwillen abgeschossen werden – nicht. Es sei denn natürlich, es sind Juden, die Steine werfen; ein paar Minuten später nämlich kann Nagel sich plötzlich an die Verletzungen erinnern, die Steine an den Körpern von Menschen verursachen können: „Ich habe Überfälle von Siedlern mit Steinen auf Palästinenser erlebt mit Verletzungen, z.B. eine alte Frau wurde relativ schwer verletzt.“ Zu sagen, dass Steinwürfe auf unschuldige Menschen immer unrecht sind, egal, wer die Täter sind – dazu kann sich die angeblich so friedliebende Nagel nicht durchringen. Sind Juden die Opfer, werden die Steine zu harmlosen „Symbolen“. Dieses Messen mit zweierlei Mass und Verharmlosen oder Verschweigen von Gewalt zieht sich durch die ganze Diskussion. Alle Gewalt, so scheint es, geht von den Juden aus.

Israelische Soldaten, sagt Nagel, „müssen brutale Dinge tun, etwa nachts in Häuser einbrechen und die Leute wecken“ – offenbar tun sie das aus purer Bosheit, dass es für Verhaftungen Gründe geben kann, kann sie sich nicht vorstellen. „Die Mauer muss weg“, sagt Nagel über die Sperranlage, die das Einsickern von Massenmördern vom Schlage Ahlam Tamimis nach Israel verhindert. Warum der Zaun gebaut wurde, weiss sie nicht. Schliesslich habe sie von arabischen Palästinensern „nie hasserfüllte Worte gehört“. Die Juden („Siedler“) hingegen hält sie für „aggressiv“.

Von Reto Rufer möchte der Moderator wissen, ob es eigentlich ein „Recht auf Widerstand“ gebe. Man sollte meinen, dass jemand, der sich mit Völkerrecht beschäftigt hat, dazu etwas zu sagen weiss, in dem der Fachbegriff „allgemeines Gewaltverbot“ auftaucht. Zudem müsste er darauf hinweisen, dass Personen, die in Zivilkleidung oder unter Vortäuschung eines Nichtkombattantenstatus kriegerische Akte unternehmen, sich laut dem Kriegsvölkerrecht der Heimtücke (Perfidie) schuldig machen. Gerade dieses gezielte Verwischen von Zivilisten und Kombattanten ist ja das, was den arabisch-palästinensischen Terrorismus in allen Konflikten auszeichnet. Rufer hingegen glaubt zu wissen:

„Ganz klar ist die Frage nicht, also ich habe mal etwas dazu recherchiert. Die überwiegende Meinung, die z.B. auch von einem UNO-Sonderberichterstatter zu einem der Gazakriege vertreten, dass aus dem Recht auf Selbstbestimmung auch ein Recht auf Widerstand gegen die Besatzungsmacht abzuleiten ist, aber völlig unumstritten ist diese Position nicht.“

„Klar“ sei aber, „dass sich ein Widerstand auf militärische Ziele richten müsste, also dass das Humanitäre Völkerrecht, das das Verhalten von Kriegsparteien zur Schonung der Zivilbevölkerung regelt, dass das auch in einem bewaffneten Widerstand gegen eine Besatzungsmacht gelten muss.“ Hier wäre die Frage angebracht, warum sich denn der Terror der Hamas und der Fatah fast ausschliesslich gegen Zivilisten richtet. Aus Rufers Stellungnahme kann man folgern, dass Hamas und Fatah Kriegsverbrechen verüben – doch das spricht er nicht aus und wird auch nicht danach gefragt. Die Morde an jüdischen Zivilisten sind an diesem Abend tabu. Dafür kann Rufer aus dem Stehgreif ein halbes Dutzend Verstösse gegen Rechte nennen, deren sich Israel schuldig mache. Die „gewaltsame Niederschlagung von Demonstrationen“ etwa verstosse „gegen das Recht auf freie Meinungsäusserung“. Sind die „Demonstrationen“ denn friedlich und unbewaffnet? Nur solche Demonstrationen können sich ja auf das Recht auf freie Meinungsäusserung berufen. In Anbetracht der Steinschleudern könne man nicht davon reden, dass die Demonstranten „völlig gewaltfrei“ seien, gibt Rufer zu – aber an einer ganz anderen Stelle des Gesprächs.

Rufer rät den Feinden Israels „zu einer wirklich pazifistischen Strategie“ und gesteht damit wiederum ein, dass die bisherige Strategie alles andere als friedlich war: Angesichts des Redens vom „Marsch der Rückkehr“ frage er sich: „Warum nicht ‚Marsch aus dem Gefängnis’ oder ‚Marsch ans Meer’ oder ‚Marsch zu Verwandten’?“, „’Rückkehr’ wirkt als Bedrohung“, stellt er fest (ohne dass ihm aber die Idee kommt, dass die Drohung volle Absicht sein könnte). „Das sind Gedanken die mir ab und an kommen, wenn ich die seit Jahrzehnten immer gleichen Bilder sehe.“

Hier scheint es, als kämen Rufer Zweifel daran, dass der seit hundert Jahren andauernde Terror gegen die palästinensischen Juden richtig sei. Vielleicht lehnt er ihn sogar insgeheim ab. Doch dann, wenn es so aussieht, als würde er diese Gewalt missbilligen, nimmt er alles wieder zurück, indem er sagt: „Ich möchte mich nicht in moralische Positionen erheben.“ Das ist nicht ganz richtig; Rufer erhebt sich permanent „in moralische Positionen“ – aber nur, wenn es darum geht, Israelis Vorträge über ihre angeblichen Gesetzesverstösse zu halten. An die arabische Seite hingegen dürfen keinerlei moralische Ansprüche gestellt werden. Das ist moralischer Rassismus, der die die Vertreter der einen Seite – der arabischen – so behandelt, als wären sie keine erwachsenen, vernunftbegabten Menschen, die man mit normalem Mass messen und an die man Appelle richten könnte.

Dann meldet sich der in der Szene bekannte Aktivist Jochi Weil aus dem Publikum. Er sagt, er wolle den „Hass“ unter „Israelis und Juden“ abbauen. Was ist mit den Arabern, haben die auch irgendeinen Hass? Nein, sie haben lediglich „Ängste“. Nebenbei erwähnt Weil, dass auch Nelson Mandela nicht von Anfang an friedlich gewesen sei. Ein gutes Stichwort, findet Hitzig, denn „Südafrika wurde nicht zuletzt durch die internationalen Sanktionen in die Knie gezwungen“. Die Analogie: An diesem Abend geht es darum, wie man Israel „in die Knie zwingt“.

„Politische Verhandlungen“ hätten nichts gebracht, meint Hitzig. Wann die PLO – von der Hamas zu schweigen – je verhandelt hätte, verrät er nicht. Dann hat er einen Einfall, der jeden, der etwas über die Mörderdynastie der Tamimis weiss, überraschen muss: „Die Familie Tamimi hat sich für gewaltfreien Widerstand nach Mahatma Ghandi als dritten Weg entschieden.“ Ob das „nicht etwas naiv“ sei, „da mit gewaltfreiem Widerstand a la Ghandi zum Ziel zu kommen?“, möchte er von Rufer wissen. Rufer antwortet nicht moralisch, sondern taktisch: „Angesichts der militärischen Kräfteverhältnisse“ sei „der bewaffnete Widerstand“ „zum Scheitern verurteilt“. Aber „in moralische Positionen erheben“ will er sich eben nicht.

Dann sagt Hitzig etwas zu dem verurteilten Mörder Marwan Barghouti, der neben anderen die zehn Monate alte Shalhevet Pass in ihrem Kinderwagen erschiessen liess. Für Hitzig ist Barghouti eine Art Held:

„Ich weiss nicht, ob vielleicht Barghouti, der im Gefängnis sitzt, der palästinensische Mandela ist. Er hat es bis jetzt nicht zeigen können. Aber die Israelis haben einen eminenten politischen Gefangenen, der sicherlich die verschiedenen palästinensischen Strömungen zumindest mal elektrisieren könnte – ja, der wird nicht umsonst nicht aus dem Gefängnis gelassen.“

Nein, nicht umsonst, das stimmt schon. Es passt zu diesem Abend, dass Hitzig es als ein Unrecht darstellt, dass ein Mörder im Gefängnis sitzt. Die Morde, derentwegen Barghouti verurteilt wurde, scheint es für Hitzig gar nicht gegeben zu haben.

„Dem Zionismus das Rückgrat brechen“

Jetzt meldet sich ein Zuschauer, der auch mal auf den Putz hauen will:

„Man muss dem Zionismus das Rückgrat brechen, wenn es Frieden im Nahen Osten geben soll.“ Zionismus habe „nichts mit dem wahren Judentum zu tun, sondern es ist ein kolonialistisches, siedlerkolonialistisches Projekt“. Es sei immer das Ziel gewesen, „den Juden einen jüdischen Staat zu geben“ – was der Sprecher offenbar für ein Verbrechen hält. „Solange dieses Ziel nicht abgewendet und eben dem Zionismus das Rückgrat gebrochen wird, wird es keinen Frieden geben.“

Niemand widerspricht.

Eine Zuhörerin, die sagt, sie komme „gerade aus den Ferien“, wo sie „ein amerikanisches Paar kennengelernt“ habe („ich denke, sie waren jüdisch“), erzählt, wie die beiden ihr gesagt hätten: „In den USA ist das Recht: Wenn ein Einbrecher kommt und du ihn ausserhalb deines Hauses erschiesst, dann bist du ein Mörder; aber wenn der Einbrecher in deinem Haus ist, dann bist du nach heutigem US-Recht kein Mörder.“ Die Transferleistung – was die Anekdote mit dem israelisch-arabischen Konflikt zu tun hat – überlässt sie den Zuhörern. Eines ist klar: Sie möchte kurzen Prozess machen.

Ein anderer Zuhörer wendet sich dagegen, allein Israel zu boykottieren: Grossbritannien und die USA hätten eine „kolonialistische Geschichte“ und die Vereinigten Staaten hätten obendrein auch noch „die Indianer ausgerottet“. Was ihn aber noch mehr umtreibt, ist die amerikanische und (von ihm vermutete) britische „Unterstützung Israels, diesem kolonialistischen Projekt. Wenn Boykott, dann müssen wir auch Grossbritannien und die USA boykottieren, weil sie immer noch dieses Projekt unterstützen.“ Hitzig bedankt sich bei dem Mann „für den Lösungsvorschlag“.

Eine Zuschauerin, die angibt, „für die UNO zu arbeiten“ und sich „mit Völkerrecht“ zu beschäftigen, sagt, sie habe in der Zeitschrift „Schweiz-Palästina“ gelesen, dass sich „die internationale Völkergemeinschaft“ „einig“ sei, dass „in Israel ein Apartheidheitssystem ist“. Nein, sagt Rufer: „für ihn persönlich“ sei „der Fall klar“ es sei Apartheid, er glaube aber nicht, dass das international und von der Schweiz so gesehen werde. Die Zuschauerin beharrt darauf: „In der Uno gibt es offenbar Studien, die das so klar deklarieren.“ Darum will sie eine internationale Front gegen Israel unter dem Schlagwort „Anti-Apartheid“. Jetzt fällt auch dem Moderator Hitzig was auf: „Ich fürchte, wir drehen uns da ein wenig im Kreis.“ Ein treffendes Schlusswort. Wieso Manal Tamimi ausgeladen wurde, ist am Ende weniger klar denn je – so viel schlimmer als die, die an diesem Abend geredet haben, ist sie nun auch wieder nicht.

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Über Stefan Frank

Stefan Frank ist freischaffender Publizist und lebt an der deutschen Nordseeküste. Er schreibt regelmässig über Antisemitismus und andere gesellschaftspolitische Themen, u.a. für die „Achse des Guten“, „Factum“, das Gatestone Institute, die „Jüdische Rundschau“ und „Lizas Welt“. Zwischen 2007 und 2012 veröffentlichte er drei Bücher über die Finanz- und Schuldenkrise, zuletzt "Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos."

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8 Kommentare

  1. https://youtu.be/Yh-apN-ESqI

    …das düngt – die Wahrheit zu ZIONISMUS als
    e i n e Form vom Semitismus.

    ‚Semitismus‘ nur auf Sprache zu beschränken, mag historischer Tradition entsprechen, löst aber nicht auf den Irrsinn von sog. Anti-Semitismus, der korrekter Anti-Zionismus hieße.

    Doch noch korrekter wäre es, den Sabbat zu heiligen…

  2. Übrigens…………..

    Für mich kann es ohne Zionismus kein Israel geben…………..für mich wäre das schwer vorstellbar.
    Zwar gibt es Israel ja schon, aber den Zionismus sollte man keineswegs vergessen.
    Er macht das Land stark.
    Den aufzugeben, hiesse sich schwach machen.
    Solchen Unsinn machen unsere Bundesräte und es kommt nicht gut.
    Wer Schwäche zeigt hat schon verloren.
    Wer vor dem Islam einknickt, ………………….wird vernichtet..

  3. Antisemitismus findet man eben doch sehr häufig.
    Und diese sogenannten „Kritiker“ sind meist auch noch völlig unbelesen, haben von Geschichte keine Ahnung und benutzen das alles nur zur Tarnung…….. ausser wenn sie unter sich sind.

    Sehen sie sich das mal an.
    https://schluesselkindblog.com/2018/12/12/islarelischer-kinderring-in-kolumbien-aufgeflogen/

    Der SKB Blog ist Konservativ ausgerichtet, aber er pflegt leider einen latenten Antisemitismus.
    In dem Artikel wird über pädophile Israelis in Kolumbien berichtet.
    Schon nur weil das in Kolumbien geschah wäre ich mal vorsichtig.
    Nun ja, Pädos gibt es überall, sie werden auch fast überall betraft und das ist gut so, aber das man damit Pogrome verständlicher machen will, in dem man sagt ….das frühere Pogrome unter solchen Umständen natürlich in einem neuen Licht erscheinen, finde ich ungeheuerlich.
    Bitte lesen sie es und auch die Kommentare, es ist ein sehr gutes Beispiel von heutigem Antisemitismus.

    ———————————-

    Unsere Linksparteien finden Juden natürlich nicht interessant, denn sie sind Kraft ihres Glaubens für Sozis wertlos, denn durch Religion erfüllte Köpfe kann man nicht für andere Ideologien gewinnen.
    Das Israel stark ist und sich unbeirrt behauptet, das ärgert unsere Linken ganz besonders.

    Sie haben lieber schwache Charaktere wie die in unserer Politik, eben wie unsere Bundesräte, die vor jeder Erpressung sofort einknicken. So können sie Anliegen durchzwängen die ihrer Ideologie entsprechen, ohne das das Volk wirklich darüber abstimmt.
    Israel wird das nicht tun, nicht einem Migrationspakt beitreten der das Land sofort zerstören würde.
    Nur kranke Geister tun sowas.

    Auf dem „Na8twächter-Blog“ das selbe, auch dort habe ich früher öfters mal eingegriffen, las ihn aber nur wegen der dort geäusserten und nun wirklich verrückten Theorien mit denen man gewisse Leute aber durchaus besser einschätzen kann.

    Ich heisse Roth, das kommt aus dem lateinischen von Rota / Rotha und wie man es um 1500 in allerlei Variationen schrieb. Rota bedeutet im Lateinischen …..Rad.
    Dort aber wurde festgestellt das einer mit dem Namen „Roth“ der Israel verteidigt, nur ein Jude sein kann, so analog des Namens Grün oder Grünlich und was in deren Köpfen noch herumspukt.
    Als Folge der Diskussion wurde ich dann auf dem Na8twächterblog „Lebenslang“ gesperrt……((((-:

    Solche Beispiele hätte ich noch ne ganze Menge…….

  4. Das ist korrekt. So, wie ein Bild „mehr als 1000 Worte sagt“, steht bei Reimen das Meiste „zwischen den Zeilen“. Um es lesen zu können, braucht es die richtige Brille…
    Die Fülle der Informationen von Stefan Frank ist einerseits beachtlich, andererseits aber sind die Ungereimtheiten lückenhaft. Wenigstens für mich. Obwohl er klar eine Position als ‚Gegner von Antisemitismus‘ bezieht, fehlt mir, ob er sich der Doppel-Gesichtigkeit von SEMITISMUS bewußt ist. Wie unterscheidet er Zionismus von Arabismus ?

  5. …das steht in Klartext über dem Vierzeiler. Wer den Unterschied von Prosa zu Reimen nicht wahr-nimmt, der ist vergleichbar jenem Hörer, der Musik nur als Geräusch „abtut“….was es zweifellos a u c h ist, aber eben nicht nur. Hinzu kommt eine gehörige Kelle Geist.

  6. Eigentlich nichts, ich denke Jürgen Friedrich wollte einfach seine poetische Ader wieder der Öffentlichkeit kundtun!

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