Exile in the Maghreb (Exil im Maghreb) von den Co-Autoren und grossartigen Historikern David G. Littman und Paul B. Fenton, ist ein ambitioniertes Werk, das den Mythos widerlegt, wie leicht das Leben für die Juden in ihren Heimatländern im Nahen Osten und Nordafrika war, als sie unter muslimischer Herrschaft waren. „Seit dem Mittelalter“, veranschaulicht das Buch erschütternd, „ist die antijüdische Verfolgung im muslimischen Nordafrika beheimatet.“
von Ruthie Blum
Bevor Littman 2012 letztlich seinem Leukämieleiden erlag, hatte er geplant, dass dieses Buch über den Maghreb das erste einer Reihe sein sollte, welche die sozialen Bedingungen der Juden in Tunesien, Libyen, Ägypten, Syrien, Palästina, Irak, Jemen, Iran und der Türkei erfassen sollte – ein ambitioniertes Projekt, das er in seiner Gesamtheit nicht zu Ende führen konnte.
Die treibende Kraft hinter dem Buch, welches erstmals 2010 in französischer Sprache und 2016 auf Englisch veröffentlicht wurde, war der Wunsch, die Fehlinterpretation einiger Historiker im Hinblick auf die Beziehungen zwischen den Juden Marokkos und Algeriens und ihren arabischen Herrschern aufzudecken. Einer dieser Historiker, der auch im Buch zitiert wird, war der französische Orientalist Claude Cahen, der in seinem Kapitel über die „Dhimma“ in der Encyclopaedia of Islam (Enzyklopädie des Islams) weltfremd schrieb:
„Im Islam des Mittelalters gibt es nichts, das man konkret als Antisemitismus bezeichnen könnte … Zahlreicher Unruhen zum Trotz hat der Islam eine grössere Toleranz als Europa gegenüber Juden gezeigt, die in muslimischen Ländern verblieben.“
Die ursprüngliche Idee für das Buch – eine umfassende Sammlung von Zeitzeugenberichten, Fotos und Dokumenten aus einem Zeitraum von zehn Jahrhunderten (von 997–1912) – kam Littman, als er 1961 aus humanitären Gründen Marokko bereiste. Littman notierte:
„Nachdem ihr Land im Jahr 1956 die Unabhängigkeit erlangt hatte, hatten die Juden Marokkos begonnen, ihre Hoffnungen im Hinblick auf die Zukunft neu zu definieren. Wenngleich sich am Horizont neue Möglichkeiten für sie abzuzeichnen begannen, war ich überrascht zu beobachten, dass die marokkanischen Juden alles in ihrer Macht Stehende taten, um ihr Geburtsland zu verlassen und in den aufstrebenden jungen Staat Israel oder gar nach Europa auszuwandern, dessen Gemeinschaften sich noch immer schmerzlich von den Tragödien des Zweiten Weltkriegs erholten.“
In einem Artikel für die Jerusalem Post – mit dem Titel: „Exploding the Myth of Moroccan Tolerance“ („Schluss mit dem Mythos der marokkanischen Toleranz“) – beschrieb Lyn Julius einen anti-israelischen Dokumentarfilm von Al Jazeera, in dem der Mossad wie folgt beschuldigt wurde: „Er spielt[e] eine zentrale Rolle dabei, Tausende marokkanische Juden davon zu überzeugen, sie befänden sich in Gefahr, und unterstützte insgeheim ihre Ausreise“ in den neu gegründeten Staat Israel. Zuvor, so die TV-Dokumentation, „begannen Juden erstmals vor über 2000 Jahren, sich in Marokko anzusiedeln und jahrhundertelang lebten sie dort glücklich Seite an Seite mit den Muslimen“.
Julius schreibt, dass Exile in the Maghreb „diese verbreitete historische Verfälschung richtigstellt“.
Da wäre beispielsweise der Bericht von Samuel Romanelli (1758–1814), einem italienischen Juden, der Marokko gegen Ende der Herrschaft von Sultan Sidi Mohammad III. (1757–1790) besuchte und über seine Reisen in Oracle from an Arab Land (Orakel aus einem arabischen Land) (1792) berichtete:
„Die meisten von ihnen [den marokkanischen Juden] sterben keines natürlichen Todes, noch teilen sie das Los der gewöhnlichen Sterblichen: Hinrichtung, Folter, Enteignung, Einkerkerung sind ihr Schicksal. Häufig werden ihre Leichen verstümmelt und ihre Häuser in Jauchegruben verwandelt …“
In dem Anfang dieses Jahres veröffentlichten Artikel: „Was ist ein „Flüchtling“? Die Juden aus Marokko versus die Palästinenser aus Israel“ stellt der renommierte Rechtsanwalt Alan Dershowitz fest:
„In Marokko lebten jahrhundertelang Juden, bevor der Islam in Casablanca, Fez und Marrakesch Einzug hielt. Gemeinsam mit den Berbern waren die Juden das Rückgrat der Wirtschaft und Kultur. Noch heute ist ihre historische Präsenz vor allen Dingen an den Hunderten jüdischer Friedhöfe und verlassenen Synagogen zu erkennen, die in den Städten und Ortschaften im gesamten Maghreb allgegenwärtig sind …
Heute gibt es in Marokko nur noch wenige von ihnen und aus den anderen Ländern sind sie vollends verschwunden. Nach 1948 verliessen einige diese Länder aus freien Stücken, um nach Israel auszuwandern. Viele von ihnen wurden jedoch durch Drohungen, Pogrome und Rechtserlässe zur Flucht gezwungen. Dabei liessen sie nicht nur Besitztümer im Wert von Milliarden an Dollar, sondern auch die Gräber ihrer Vorfahren zurück.
Heute zählt die jüdische Bevölkerung in Marokko weniger als 5.000 Menschen – zu ihrer Blütezeit waren es 250.000. Zur Ehrenrettung von König Mohammad VI. muss gesagt werden, dass er es sich zur Aufgabe gemacht hat, das jüdische Erbe in Marokko zu bewahren, insbesondere die Friedhöfe. Er hat eine bessere Beziehung zu Israel als andere islamische Länder, dennoch erkennt er Israel nicht an und unterhält keine diplomatischen Beziehungen zum Nationalstaat des jüdischen Volkes. Dies ist etwas, an dem gearbeitet wird. Seine Beziehungen zu der kleinen jüdischen Gemeinde, von denen die meisten leidenschaftliche Zionisten sind, sind hervorragend …“
Exile in the Maghreb ist ein besonders wichtiges Buch, welches den Sachverhalt über die wahre Not der Juden nach den Eroberungen der Länder, in denen sie zuvor friedlich gelebt hatten, richtigstellt.
Um andere zur Fortführung dieser Arbeit zu ermutigen, zitierte Littman Rabbi Tarphon in Sprüche der Väter mit den Worten: „Es obliegt Euch nicht, die Arbeit zu vollenden, ebenso wenig jedoch habt Ihr die Freiheit, davon abzulassen.“ Littman schlussfolgerte:
„[D]as Ziel, diese Erforschung der historischen Realität der jüdischen Existenz unter dem Halbmond zu vollenden, ruht auf zukünftigen Forschergenerationen, denen, so hoffen wir, unser bescheidener Beitrag als eine Inspiration dienen wird.“
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Paul B. Fenton and David G. Littman
Exile in the Maghreb, Jews under Islam
Sources and documents, 997-1912
Fairleigh Dickinson University Press
674 Seiten
ISBN: 978-1611477870
Erschienen: 2016
Ruthie Blum ist eine amerikanisch-israelische Journalistin, Kolumnistin, ehemalige Redakteurin der Jerusalem Post. Auf Englisch zuerst erschienen bei Gatestone Institute. Übersetzung Audiatur-Online.